«Ich bin sehr glücklich, an der Entwicklung und der internationalen Ausstrahlung von AccorHotels, einem der Prunkstücke unter Frankreichs Firmen, beteiligt zu sein. Die Erfolge dieses Konzerns und die Qualität seines Managements machen das Unternehmen zu einem der schönsten Schaufenster der französischen Wirtschaft.»
(Nicolas Sarkozy, ehemaliger französischer Staatspräsident)
«Der Verwaltungsrat freut sich über diese Ernennung. Die internationale Sachkompetenz von Nicolas Sarkozy und seine perfekte Kenntnis der weltweiten geopolitischen Herausforderungen werden für den Konzern ein grossartiger Gewinn sein.»
(Sebastien Bazin, Generaldirektor von AccorHotels)
Sarkozy als Chefstratege?
Dieses Kommuniqué in hochtrabenden und schwülstigen Worten hat bei Wirtschaftsfachleuten und im politischen Establishement Frankreichs Stirnrunzeln, Naserümpfen und ein gewisses Erstaunen ausgelöst. Inwieweit kann ein Nicolas Sarkozy dem in 95 Ländern agierenden Konzern mit über 4‘000 Hotels nützlich sein, fragte sich so mancher.
Was wird ein ehemaliger Staatspräsident als Vorsitzender eines neu gegründeten „Internationalen Strategiekomitees“ innerhalb des Hotelkonzerns letztlich wirklich tun, welche Kompetenzen hat er dafür, und was hat den Konzern eigentlich bewogen, ausgerechnet Sarkozy anzuheuern? Die Antwort darauf ist viel einfacher, als man denkt.
Human Bomb
Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und Accor-Generaldirektor Sebastien Bazin kennen sich seit fast einem Vierteljahrhundert.
Sarkozy war 1993 ein junger und dynamischer Bürgermeister im westlichen Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine, als dort ein später als Human Bomb bezeichneter mit Sprengstoff beladener Mann in einem Kindergarten 21 Jungen und Mädchen sowie ihre Erzieherin als Geiseln nahm. Sarkozy verhandelte die ganze Nacht hindurch, der Täter wurde am Ende erschossen, Kinder und Erzieherin überlebten unverletzt, und Sarkozy war der Held. Eines der befreiten Kinder war die Tochter von Sebastien Bazin. Seitdem sind der heutige Accor-Chef und Nicolas Sarkozy enge Freunde. Daran ist auch nichts Verwerfliches.
Paris Saint Germain
Etwas anrüchiger wird die Geschichte allerdings 17 Jahre später. Nicolas Sarkzoy ist inzwischen französischer Staatspräsident. Sebastien Bazin der Frankreich-Repräsentant des milliardenschweren, amerikanischen Investment Fonds COLONY CAPITAL. Nicolas Sarkozy ist seit den 90er Jahren ein treuer Fan des geschichts- und traditionslosen Fussballclubs Paris Saint Germain und pflegt seit jeher die Nähe zu dessen Chefetagen. Im Jahr 2010 gehörte der Hauptstadtclub Paris Saint Germain … COLONY CAPITAL.
Der Investmentfond unter Sebastien Bazin hat dutzende Millionen in den Verein gesteckt, doch nichts geht. 2008 wäre PSG fast abgestiegen, pro Jahr produziert der Verein rund 20 Millionen Euro Schulden, manchmal kann er gerade die Spieler noch bezahlen, die Stimmung ist fürchterlich. Sebastien Bazin sucht nach einem Ausweg aus dem Chaos.
23. November 2010
Das Datum eines ominösen, mittlerweile sagenumwobenen Mittagessens im Pariser Elyseepalast, knapp 14 Tage bevor die Fifa am 2. Dezember 2010 die Fussball-WM nach Katar vergab. Zugegen sind: Staatspräsident Sarkozy, der Erbprinz von Katar, Scheich Hamad ben Jassem und Uefa-Chef Michel Platini.
An Sarkozys Seite seine Beraterin für Sportangelegenheiten, Sophie Dion, heute Abgeordnete für die Partei „Die Republikaner“ und Vorsitzende des Freundeskreises Frankreich–Katar in der Pariser Nationalversammlung. Sie ist ausserdem Inhaberin des Lehrstuhls „Ethik und Sicherheit im Sport“ an der Pariser Sorbonne, der indirekt von Katar finanziert wird.
Die Dame will sich heute partout nicht mehr an das Déjeuner erinnern. In den Archiven des Elysee wird sie aber als Teilnehmerin an diesem Mittagstisch der ganz besonderen Art geführt. Und Sarkozys Freund Sebastien Bazin soll irgendwann zwischen Käse und Café auch mal seinen Kopf durch die Tür gestreckt haben. Auch er bestreitet das.
Wie auch immer: Bei diesem Treffen, über das bis heute eine strikte Omertà gewahrt wird, ist es den Teilnehmern aller Wahrscheinlichkeit nach gelungen, Uefa-Boss Platini umzudrehen und dafür zu sorgen, dass er am 2. Dezember 2010 für Katar stimmt.
Gegenleistung?
Und mehr als wahrscheinlich ist auch, dass bei diesem Treffen im Elysee, sozusagen als Gegenleistung der Katarer, die Übernahme von Sarkozys bevorzugtem Fussballverein Paris Saint Germain durch den Investmentfond „Quatar Sport Investment“ auf den Weg gebracht wurde. Nur sieben Monate später, im Juni 2011, legten die Herren vom Golf 76 Millionen Euro mit einem Schlag auf den Tisch, und die neue Ära des bislang so glücklosen und hochverschuldeten PSG durfte beginnen.
Und gleichzeitig dürften wohl auch noch die Weichen für das inzwischen in Frankreich dominierende katarische Sportfernsehen „BeinSport“ gestellt worden, das sich damals innerhalb kürzester Zeit die Rechte für die Fussball-EM 2012 unter den Nagel riss und in wenigen Monaten in Frankreich einen Sender aus dem Boden stampfte.
Vor allem aber: Sarkozys Freund Bazin war mit der Übernahme von Paris Saint Germain durch die Katarer seine Sorgen los: Sein Investmentfond Colony Capital konnte sich letztlich ohne all zu grossen Schaden aus der Affäre ziehen, und ihr Frankreich-Verantwortlicher, Sebastien Bazin, wurde von seinen Bossen in Los Angeles nicht weiter zur Rechenschaft gezogen.
Gut sechs Jahre später bietet Sebastien Bazin Frankreichs ehemaligem Staatspräsidenten und immer noch PSG-Fan Sarkozy einen Posten im Verwaltungsrat von AccorHotels an. Und der PSG-Fan nimmt das Angebot an.
Gefälligkeit
Wie man es dreht und wendet: Diese Ernennung Sarkozys in den Verwaltungsrat eines Grosskonzerns hat den Beigeschmack einer Gefälligkeit, des sich Revanchierens eines Wirtschaftskapitäns bei einem Politiker und ist moralisch zumindest zweifelhaft, wenn nicht sogar verwerflich. Warum, so fragen sich nun schon wieder unzählige Franzosen, die der Politik immer überdrüssiger werden und vor den Politikern so gut wie gar keinen Respekt mehr haben können – warum um alles in der Welt muss ein ehemaliger Staatspräsident der französischen Republik eine solche Offerte akzeptieren und für ein paar läppische Verwaltungsratssitzungen wahrscheinlich rund 100‘000 Euro pro Jahr einstecken?
Zumal der Staat für Sarkozy, wie für alle anderen ehemaligen Präsidenten der Republik, auch weiterhin grosszügig sorgen wird und für seine noblen Büroräume nahe des Elyseepalastes, für ausreichend Personal und den alltäglichen Betrieb jährlich nicht weniger als 1,5 Millionen Euro berappt.
Im Grunde ist jedem klar, dass diese Praktiken der politischen Klasse des Landes ebenfalls ihren – und vielleicht nicht geringen – Teil zu den Erfolgen der extremen Rechten in Frankreich beitragen, weil die Menschen zwischen Lille und Marseille, Strassburg und Bordeaux dieses Sich-Bedienen und Bedientwerden der Politiker und ihre mehr oder weniger grosse Nähe zum grossen Geld sowie die Selbstverständlichkeit, mit der sie alle möglichen Privilegien nutzen, schlicht nicht mehr ertragen können.
Moralisierung des politischen Lebens
François Bayrou, das Urgestein der französischen Zentrumspolitiker und einer der heftigsten Kritiker von Nicolas Sarkozys neureichem Gehabe im Laufe seiner Präsidentschaft, hat an diesem Mittwoch angekündigt, dass er im Interesse des Allgemeinwohls – sprich: der Verhinderung von Marine Le Pen – nicht noch einmal – zum 4. Mal – für das Amt des Staatspräsidenten kandidieren wird.
Stattdessen bietet er als „honêtte homme“ dem parteilosen Mitte-Links-Kandidaten Emmanuel Macron eine Allianz an. Als erste und wichtigste Bedingung für diese Allianz – und das ist bemerkenswert – nennt Bayrou ein „Gesetz zur Moralisierung des politischen Lebens“, das in das Wahlprogramm gehöre und das es nach der Präsidentschaftswahl so schnell wie möglich zu verabschieden gelte. Manche mögen darüber lächeln. Doch der alte Hase Bayrou, seit jeher glaubwürdiger und überzeugender Verteidiger der demokratischen Grundwerte mit einer christlich-sozialen Ader, er täuscht sich wohl kaum, wenn er sagt, dass die unendliche Liste von Affären schleichend an den Grundfesten der Demokratie dieses Landes nagt.