Köbi Gantenbein, langjähriger Chefredaktor der Architekturzeitschrift «Hochparterre», nähert sich seinem Heimatort von zwei Seiten: mit Jugenderinnerungen an ein Leben auf dem Dorf und mit fachkundigem Blick auf die Siedlungsentwicklung der letzten Jahrzehnte.
Gantenbein hat seinem Jugendfreund Beat, der nun in Florida ein Geschäft betreibt, sechzehn Briefe geschrieben. Darin ruft er Erinnerungen an die gemeinsame Zeit wach. Zugleich aber denkt er über die stürmische Entwicklung seither nach. Jeder Brief – bei Gantenbein sind es Postkarten – ist mit einer Fotografie von Ralph Feiner, auch er ein Malanser, versehen. Daraus ist ein handliches und vor allem lesbares Büchlein entstanden, das die Siedlung vor den Toren Churs trotz knappen Umfangs umfassend präsentiert.
Für Durchreisende ins Bündnerland liegt Malans nicht am Weg. Das Dorf breitet sich auf dem leicht geneigten Hang aus, der den Übergang vom flachen Rheintal zum schroffen Felsmassiv bildet. Zusammen mit Fläsch, Maienfeld und Jenins bildet Malans eine lockere Siedlungsgruppe inmitten der Weinberge, die in den letzten Jahrzehnten eine immer grössere Bedeutung erlangten. Zwei Welten stehen unverbunden nebeneinander: malerisch das Dorfzentrum mit ehrwürdigen alten Adelshäusern, gesichtslos die ausfransenden Quartiere, in denen Zugezogene die Idylle im Grünen suchten.
Wenn Gantenbein die Vergangenheit ausleuchtet, spürt man in seinen präzis formulierten Sätzen so etwas wie Wehmut. Vieles ist verschwunden, etwa die meisten Gärten, fast alle Bauernbetriebe und natürlich die Ruhe – Letzteres eine Folge der Eroberung durch das Automobil. Doch Gantenbein klagt nicht an, er poltert nicht, denn er weiss, dass auch er den Aufschwung nicht missen möchte. Abgesehen davon hat er lange Zeit in Zürich gewirkt und das städtische Leben sehr wohl zu schätzen gewusst.
Gantenbein ist selbstkritisch genug, die Widersprüche in seinem Leben zu erkennen. Er ist sich bewusst, dass für eine lebbare Zukunft einiges verändert werden müsste, Verzicht auf Mobilität etwa oder Reduzierung der Wohnfläche. Doch er muss feststellen, dass er diesen Ansprüchen selber nicht genügen kann. So bewohnt er nun alleine ein grosses Bauernhaus, das im Grunde eine vielköpfige Familie aufnehmen könnte. Ironisch gibt er zu, dass er von der gewaltigen Wertvermehrung des Bodens – 21 Franken kostete einst der Quadratmeter für das Elternhaus, für 1900 Franken wurde ein solcher kürzlich angeboten – sehr wohl profitiert, weil er einmal das Haus erben werde. «Ich setze mich dafür ein, dass wir eine Erbschaftssteuer mit scharfer Progression einführen. Deren Geld käme als Erbe für alle statt für wenige in einen Fonds, der hilft, die Welt klimavernünftiger und gerechter einzurichten.»
Als Journalist und Chefredaktor bei «Hochparterre» kommentierte und analysierte Gantenbein das Bauen; das tut er nun auch in Bezug auf Malans. In fast jedem Brief rückt ein Bau, ein Strassenzug oder ein Platz in den Fokus, mal positiv, mal negativ, auch wenn die kritischen Fragen dezent und leise gestellt werden. In der Tat, wer durch Malans schreitet, entdeckt kaum Aufsehenerregendes. Es fehlen die international gefeierten Werke der zeitgenössischen Bünder Architekten. Ausserhalb des Zentrums ist von sorgfältiger Planung wenig zu sehen.
Gantenbein wünscht sich denn auch ein Gremium von Fachleuten, die bauliche Ordnung schaffen könnten. Vermutlich denkt er dabei an das Beispiel von Monte Carasso, dem Vorort Bellinzonas, dem Luigi Snozzi ein Facelifting verpasste. So betrachtet ist das Büchlein nicht nur eine überaus sympathische Studie über Malans, sondern auch eine Empfehlung an die Behörden, baldmöglichst ein Planungsgremium einzusetzen. Der Autor würde vermutlich nur zu gerne darin Einsitz nehmen.
Köbi Gantenbein: «… mit besten Grüssen aus Malans.» Planen, Bauen, Leben auf dem Dorf, mit Fotografien von Ralph Feiner, Edition Frida Chur, 2023