Die Argumentation der Gegner ist veraltet, verlogen und homophob.
Journal21.ch will die Jungen vermehrt zu Wort kommen lassen. In der Rubrik «Jugend schreibt» nehmen Schülerinnen und Schüler des Zürcher Realgymnasiums Rämibühl regelmässig Stellung zu aktuellen Themen.
Sophie Paschen wurde im Jahr 2006 geboren. Sie besucht die fünfte Klasse des Realgymnasiums Rämibühl im altsprachlichen Profil und interessiert sich für Psychologie.
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Eine Gesellschaft mit unglücklichen Kindern. Der unwiederbringliche Verlust von Traditionen und Werten. Die Negierung der einzigen Verbindung, aus der Leben entstehen kann und darf. Die Gewissheit, dass von nun an ganze Generationen zu ihrem Leidwesen vater- oder mutterlos aufwachsen müssen. Das sind die Argumente, die von den Gegnern der «Ehe für alle» vorgebracht werden.
Das klingt dramatischer, als es ist: Wer die «Ehe für alle» befürwortet, möchte in erster Linie bloss die gleiche Behandlung aller Menschen, inklusive jener, die sich nicht unbedingt zum anderen Geschlecht hingezogen fühlen oder deren Geschlecht nicht dem des Geschlechtsorgans entspricht. Diese Differenzen wurden weder von den betroffenen Personen frei gewählt noch beim Aufwachsen von ihrem Umfeld beeinflusst. Nach wie vor haben zu viele Menschen aufgrund der gesellschaftlichen Ungleichheit grosse Schwierigkeiten, zu ihrer sexuellen Ausrichtung zu stehen und sich so zu verhalten, wie sie es möchten.
Das Ziel der «Ehe für alle» besteht darin, dass Menschen mit unterschiedlicher Sexualität genauso wenig diskriminiert werden wie die der Mehrheit Angehörigen. Ein Schritt in diese Idealvorstellung besteht darin, allen bezüglich der Heirat die gleichen Rechte zu geben. Menschen, die sich in den Augen anderer «schwul verhalten», werden auf der Strasse noch immer angestarrt, beleidigt und zusammengeschlagen.
Solange das Gesetz homosexuelle (und weitere aus der LGBTQ+ Community) Paare nicht als gleichwertig ansieht, wie sollen es dann die Täter tun? Die gesetzliche Ungleichheit bestätigt diese Menschen in ihrer diskriminierenden Gesinnung und ihren kriminellen Handlungen. Unabhängig davon sorgt die Eingliederung in die Gesellschaft bei den betroffenen Personen für dringend benötigte Erleichterungen.
Hier setzt die Initiative an: Das Ziel der «Ehe für alle» besteht schlicht darin, alle Sexualitäten gleich zu behandeln. Die Traditionen, die das Nein-Komitee zur Ablehnung vorbringt, schränken die Menschenrechte ein. Sie beruhen auf mittelalterlichen Vorstellungen und veralteten Werten. Zu behaupten, die Verbindung zwischen Mann und Frau sei die einzig natürliche, ist längst überholt.
Bereits Platons Ideenlehre beschreibt, dass man eine Idee oder ein Bildnis von beispielsweise einem Pferd hat. Wenn man ein Pferd sieht, vergleicht man es mit dieser Idee, woran man erkennt, dass es sich um ein Pferd handelt. Trotzdem ist keines der Pferde gleich. Einem fehlt vielleicht ein Bein, ein anderes ist grösser, und wieder ein anderes hat eine andere sexuelle Orientierung. Nun könnte man sicherlich argumentieren, dass es für die Evolution unpraktisch sei, wenn sich ein männliches Pferd zu einem anderen männlichen Pferd hingezogen fühlt. Aber genauso problematisch wäre es, wenn dem Pferd ein Bein fehlen würde.
Auf den Menschen übertragen: Das Bild eines verletzten Menschen löst keine Gefühle der (Evolutions-)Bedrohung aus. Eine von der Mehrheit abweichende sexuelle Orientierung wirkt aber auf viele nach wie vor so gefährlich, dass man sie abwertet und es zu Beleidigungen und körperlichen Übergriffen kommt.
Das wichtigste Argument der Gegnerseite ist das Wohlergehen des Kindes, das beeinträchtigt sei, wenn es mit zwei Müttern oder zwei Vätern aufwachse. Unterschlagen wird hingegen, wie viele traditionelle Elternpaare sich scheiden lassen und wie angespannt das Klima in einer solchen Konstellation sein kein. Eine traditionelle Paarkonstellation ist kein Garant für glückliche Kinderaugen. Scheidungen, Todesfälle, Armut oder Krankheiten: All das kommt vor und wird von der Gesellschaft akzeptiert, ohne dass der Staat Gesetze «für das Wohl der Kinder» erlassen würde. Nur gerade bei gleichgeschlechtlichen Paarbeziehungen soll das gemäss dem Nein-Komitee anders sein.
Die Informationsbroschüre «Regenbogenfamilien» von Pro Familia erklärt anhand einer Studie, wie das Wohlergehen eines Kindes von der «Beziehungsqualität und dem Klima in der Familie, nicht dem Geschlecht oder der sexuellen Orientierung der Eltern» abhängt. Das einzig Unterschiedliche zu einer heterosexuellen Beziehung der Eltern könnte sein, dass die Eltern beeinträchtigt oder diskriminiert werden und daher unglücklicher sind. Aber genau das möchte man mit dieser Kampagne ja verhindern.
Das Argument, das Wohl der Kinder schützen zu wollen, ist nicht nur unzutreffend, sondern es dient auch dazu, Homophobie zu verstecken. Da man heutzutage mit Homophobie glücklicherweise in weiten Teilen der Gesellschaft nicht mehr gut ankommt, Homophobie jedoch dennoch der Grund für das Referendum ist, braucht man ein anderes Argument. So entsteht der Vorwand, das angeblich bedrohte Wohl der Kinder verteidigen zu wollen.
Es überrascht, wie weit gewisse Kreise gehen, um Gleichberechtigung unter dem Deckmantel des bedrohten Kindeswohls verhindern zu wollen. Die «Ehe für alle» ist wichtig: Sie trägt dazu bei, die gesellschaftliche Eingliederung von Menschen mit den unterschiedlichsten Sexualitäten voranzubringen. Weder schränkt sie das Wohl des Kindes ein, noch sorgt sie für eine vater- oder mutterlose Gesellschaft. Stattdessen setzt sie veraltete Traditionen und homophobe Denkweisen ausser Kraft und bringt die Schweiz einen Schritt weiter ans Ende der patriarchalen Gesellschaft. Liebende Paare aller Richtungen, die zu lange unterdrückt wurden, bekommen die Möglichkeit, ihre Kinder mit Akzeptanz, Selbstbewusstsein und Liebe grosszuziehen. Es gibt keinen vernünftigen Grund, dagegen zu sein.
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Verantwortlich für die Betreuung der jungen Journalistinnen und Journalisten von «Jugend schreibt» ist der Deutsch- und Englischlehrer Remo Federer ([email protected]).
Weitere Informationen zum Zürcher Realgymnasium Rämibühl unter www.rgzh.ch