Noch dauert es rund ein Jahr, bis die USA am 3. November 2020 entweder Donald Trump wiederwählen oder sich für einen neuen Präsidenten entscheiden. Aller Aufregung, ob berechtigt oder künstlich, über ein allfälliges Amtsenthebungsverfahren zum Trotz, stehen die Chancen des Amtsinhabers nicht schlecht, vier weitere Jahre im Weissen Haus zu bleiben. Obwohl ihn weniger als 40 Prozent der Bevölkerung mögen und Wahlen jüngst in Kentucky und Virginia den Demokraten teils überraschende Erfolge beschert haben.
Aufgrund dieser Gewinne aber auf den Ausgang der Wahl in zwölf Monaten zu extrapolieren, ist verfrüht. Denn grundsätzlich hat sich seit 2016 im Lande nicht viel verändert und die Stimmung ist noch gereizter als damals. Dies nicht zuletzt wegen der Medien, die das zweigeteilte Land je nach politischer Färbung unterschiedlich informieren und die Ansichten der beiden Lager bestärken. Eine Herausforderung für die Presse wird auf jeden Fall die Art und Weise sein, wie sie über die öffentlichen Anhörungen zum Thema Impeachment berichten, die – vom Fernsehen direkt übertragen – seit Mitte Woche im US-Abgeordnetenhaus laufen.
Gleich bleibt 2020 auch das Wahlsystem, das in der Summe kleineren, republikanisch tendierenden Staaten gegenüber bevölkerungsreichen, eher demokratisch wählenden Staaten im Wahlkollegium überdurchschnittlich viel Einfluss verschafft. 2016 zum Beispiel waren im 538 Köpfe zählenden Electoral College die Stimmen der zehn bevölkerungsärmsten Staaten zweieinhalb Mal gewichtiger als jene der zehn bevölkerungsreichsten. Davon könnte Donald Trump erneut profitieren, selbst wenn er wie 2016 die Volkswahl verlieren sollte. Hillary Clinton erhielt damals landesweit 2,8 Millionen Stimmen mehr.
Zu früh ist es auch, rund drei Monate vor den Iowa Caucuses am 3. Februar 2020 über die Wahlchancen oder die Wählbarkeit einzelner demokratischer Präsidentschaftskandidaten zu spekulieren. Die Liste umfasst noch immer 16 Namen, unter denen sich aber vier vom restlichen Feld abgesetzt haben: Ex-Vizepräsident Joe Biden, Senatorin Elizabeth Warren, Senator Bernie Sanders und Bürgermeister Pete Buttigieg. Ausgeschieden ist Beto O’Rourke, der anfänglich als grosser Hoffnungsträger der Demokraten galt. Dem Texaner sind offenbar die Mittel ausgegangen.
Zu denken geben müssen den Demokraten die Ergebnisse einer Umfrage der «New York Times» und des Siena College in sechs traditionell umkämpften Bundesstaaten («swing states»), deren Stimmen Donald Trump 2016 mit knapper Mehrheit gewann und die ihm im Wahlkollegium am Ende die Mehrheit sicherten. Die Resultate, wie die aller Umfragen mit Vorsicht zu geniessen, zeigen, dass der Präsident in Michigan, Pennsylvania, Wisconsin, Florida, Arizona und North Carolina äusserst konkurrenzfähig bleibt.
Zwar liegt er zum Beispiel unter registrierten Wählern gegenüber Joe Biden im Schnitt um zwei Prozentpunkte zurück, dafür gegenüber Elizabeth Warren um zwei Punkte vorn. Mit Bernie Sanders liegt Donald Trump in den sechs «swing states» gleichauf, führt dort aber unter wahrscheinlich Wählenden. Experten zufolge müssen die Demokraten 2020 in mindestens drei dieser Staaten gewinnen, soll ihre Kandidatin oder ihr Kandidat ins Weisse Haus einziehen.
Ausserdem erwägt der frühere New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg, demnächst seine Kandidatur ankündigen. Dem 77-Jährigen ist dem Vernehmen nach Joe Biden als Kandidat zu schwach und Elizabeth Warren, welche die Einführung einer staatlichen Krankenversicherung und höhere Steuern für Reiche fordert, zu links. Bloomberg, der schärfere Waffengesetze und griffigere Massnahmen gegen den Klimawandel befürwortet, ist alles andere als ein Freund Donald Trumps, den er einen Hochstapler schimpft. Und an Geld mangelt es dem mehrfachen Milliardär ebenfalls nicht.
Derweil hat Hillary Clinton diese Woche in einem Radiointerview mit der BBC versichert, sie beabsichtige nicht, 2020 erneut zu kandidieren, obwohl «viele, viele, viele Leute» sie dazu drängen würden. Zwar pflege sie nie «nie» zu sagen, aber sie hege keine entsprechenden Pläne. Natürlich denke sie darüber nach, was für eine Präsidentin sie gewesen wäre, was sie anders gemacht hätte und was das für das Land und die Welt bedeutet hätte: «Wer immer das nächste Mal gewinnt, wird die grosse Aufgabe vor sich haben, alles zu flicken, was zerbrochen worden ist.»