Noch sei es zu früh, erklären Trump-Apologeten, den Sieg Joe Bidens bei der amerikanischen Präsidentenwahl zu bestätigen. Noch würde das Ergebnis juristisch angefochten, was das gute Recht des Verlierers ist. Und nach wie vor insistieren eingefleischte Trumpisten ohne Grundlage, es habe am 3. November mehrere Fälle von Wahlbetrug gegeben.
Selbst Tote hätten gestimmt, hat auf dem TV-Sender Fox News etwa Moderator Tucker Carlson behauptet, eine Unterstellung, die er aufgrund gegenteiliger Fakten dementieren musste. Unerwähnt bleibt dagegen der Umstand, dass es laut einer Umfrage der «New York Times» unter den Wahlzuständigen aller 50 Bundestaaten nirgendswo zu auffälligen Unregelmässigkeiten gekommen ist: «Wahlverantwortliche landesweit finden keinen Betrug».
Ferner wird Kritik laut, es sei nicht Sache der Medien, den jeweiligen Sieger in einzelnen Staaten und aufgrund dieser Prognosen den Gesamtsieger verfrüht auszurufen. Das obliege allein staatlichen Instanzen. Was zwar stimmt, aber ausser Acht lässt, dass die grossen US-Fernsehsender, durch leidige Erfahrung gewitzigt, bei ihren Voraussagen grösstmögliche Vorsicht walten liessen und anders als in früheren Fällen keine einzige Prognose zurücknehmen mussten. Auch Fox News nicht, der zum Ärger des Weissen Hauses Arizona als erstes Medium Biden zuschlug.
Solches Vorgehen als Teil eines gezielten Wahlbetrugs seitens Biden-freundlicher Medien zu brandmarken, entbehrt jeglicher Logik. Das umso eher, als Donald Trump und seine Anhänger nur die Resultate in jenen Staaten anzweifeln, in denen die Republikaner, wenn zum Teil auch nur knapp, verloren haben. Gegen Wahlbetrug spricht ferner, dass die Grand Old Party im Abgeordnetenhaus Sitze gewinnen konnte und wohl die Mehrheit im Senat behalten wird, es sei denn, die Demokraten würden bei der Nachwahl in Georgia am 5. Januar 2021 beide ausstehenden Sitze erobern.
«Eine Niederlage der Demokraten im Sieg», umschreibt denn der «Economist» den Ausgang der Wahl: «Ausser Donald Trump war die demokratische Partei der grosse Verlierer des Urnengangs». Obwohl sie aufgrund der Voraussagen auf einen dreifachen Triumph hoffen konnte, habe die Partei im Repräsentantenhaus sechs Sitze verloren, das Weisse Haus lediglich knapp gewonnen und mutmasslich den Senat verloren: «Joe Biden kann sich keine grossen Hoffnungen machen, viele Gesetze zu verabschieden.»
Tönen so Biden-Verteidiger? Auf jeden Fall haben sich Amerikas Medien 2020 besser geschlagen als 2016, als sie laut «New York Times» Donald Trump unbezahlte Wahlwerbung im Wert von zwei Milliarden Dollar bescherten. Dieses Mal waren sie skeptischer, auch Umfragen und Statistiken gegenüber, obwohl sie es erneut nicht immer lassen konnten, statt näher auf Themen einzugehen, die das Land beschäftigen, die Wahl vor allem als Wettrennen («horse race») zu beschreiben.
Auch waren Berichterstatter häufig nicht vor «bothsiderism» gefeit, d. h. der Versuchung oder gar dem Zwang, gegensätzliche Argumente als gleichgewichtig darzustellen, selbst wenn auf der einen Seite eindeutige Lügen und auf der anderen Seite unbestreitbare Fakten standen. Vor der Herausforderung, falsche Gleichsetzungen zu vermeiden, stehen die Medien jetzt auch nach der Wahl. Obwohl Trumpisten auch jetzt nicht müde werden, ihnen wie bereits vor der Wahl pauschal Parteilichkeit vorzuwerfen.
«Wie ist über etwas zu berichten, was im schlimmsten Fall die Basis für einen versuchten Staatstreich ist und im besten Fall einer unverfrorenen Lüge gleichkommt, die die amerikanische Demokratie nachhaltig beschädigen könnte?», fragt die Medien-Kolumnistin der «Washington Post». Sie zitiert eine Gruppe von Politologen und Medienwissenschaftlern, die der Presse raten, innerhalb eines Rahmens zu berichten, der sich an demokratischen und nicht an parteipolitischen Vorgaben orientiert. Was bedeute, kein Sprachrohr für parteiische Kommentatoren zu sein, die falsche Behauptungen in die Welt setzten.
Als Richard Nixon 1962 zwei Jahre nach seiner Niederlage gegen John F. Kennedy in der Präsidentenwahl in den USA auch die Gouverneurswahl in Kalifornien verlor, liess er die Presse wissen, sie würde ihn künftig vermissen: «Ihr werdet nicht mehr auf Nixon herumtrampeln können, denn, Gentlemen, das ist meine letzte Pressekonferenz.» Sechs Jahre später war «Tricky Dick» zurück, als amerikanischer Präsident, und wurde 1972 wiedergewählt, nur um 1974 über Watergate zu stürzen.
Donald Trump werden die Medien kaum vergessen. Auch Trumpismus als politische Bewegung wird nicht so rasch verschwinden. Noch weiss man zwar nicht, was der Wahlverlierer künftig tun wird, ob er sich schmollend, twitternd und Golf spielend nach Florida zurückzieht, ob er, vielleicht online, in Konkurrenz zu Fox News ein eigenes Medienprojekt verfolgt oder ob er in der republikanischen Partei weiterhin als starker Mann fungiert und 2024 erneut als Präsidentschaftskandidat antritt. Sicher ist wohl, dass Donald Trump traditionelle und soziale Medien auch künftig ungemein beschäftigen, irritieren und verwirren wird.
Die Faszination für alles Trumpsche darf allerdings nicht auf Kosten einer kritischen Berichterstattung über die neue Regierung in Washington DC gehen. Wie für jeden neuen Amtsinhaber im Weissen Haus ist Joe Bidens Vertrauensvorschuss begrenzt, und eher früher als später ist auch er nicht mehr nur an seinen Worten, sondern auch an Taten zu messen. Je früher Donald Trump seine Niederlage eingesteht, desto rascher können sich die Medien darauf einstellen, ohne Fehl und Tadel über den neuen Präsidenten zu berichten. Weniger atemlos, dafür abgeklärter.