Einer Nomination Donald Trumps zum Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei scheint nach den Vorwahlen in Iowa und New Hampshire nichts mehr im Wege zu stehen. Das Interesse verlagert sich nun auf die Nomination seines Stellvertreters oder seiner Stellvertreterin.
Doug Burgum, Chris Christie, Ron DeSantis, Larry Elder, Will Hurd, Asa Hutchinson, Perry Johnson, Mike Pence, Vivek Ramaswamy, Tim Scott, Francis Suarez – das sind, in alphabetischer Reihenfolge, jene Präsidentschaftskandidaten der republikanischen Partei, die bisher erfolglos versucht haben, Donald Trump als Spitzenkandidaten der Grand Old Party vom Thron zu stossen. Es ist, als wäre die amerikanische Politik ein Italo-Western mit Trump in der Hauptrolle: «Leichen pflastern seinen Weg.» Und als ob Selbstachtung für sie ein Fremdwort wäre, haben fast alle «losers», wie Trump seine Rivalen zu nennen pflegt, ihn inzwischen ihrer unverbrüchlichen Zuneigung versichert.
Nach den Caucuses in Iowa und der Vorwahl in New Hampshire dürfte spätestens nach der Vorwahl in South Carolina vom 3. Februar noch der Name Nikki Haley zur Liste der Verlierer stossen – wenn nicht ein Wunder geschieht oder höhere Gewalt ins Spiel kommt. Am Super Tuesday vom 5. März, wenn Wählerinnen und Wähler in 14 Staaten zur Urne gehen, wird wohl allein Donald Trump antreten, bevor ihn seine Partei am 18. Juli in Milwaukee (Wisconsin) endgültig zu ihrem Kandidaten für den Einzug ins Weisse Haus krönt – als Gegner des Demokraten Joe Biden in einem Duell, dessen Wiederholung die Mehrheit der Nation 2024 nicht mehr sehen möchte.
Laut einer aktuellen Umfrage von Reuters/Ipsos führt Donald Trump vor Joe Biden landesweit mit 40 zu 34 Prozentpunkten. Die übrigen Befragten wussten noch nicht, wen sie dereinst wählen wollen. 70 Prozent der Auskunftspersonen, unter ihnen fast die Hälfte Demokraten, waren sich einig, dass Joe Biden nicht mehr kandidieren sollte. Im Falle Donald Trumps waren dies 56 Prozent, unter ihnen rund ein Drittel Republikaner.
Drei Viertel der Befragten fanden, Biden sei zu alt, um zu regieren, was die Hälfte auch von Trump dachte. «Die Präsidentschaftswahlen fangen nun erst richtig an, und wir haben die beiden unbeliebtesten politischen Führer, die gegeneinander antreten werden», sagt Neil Newhouse, ein republikanischer Meinungsforscher: «Es ist eine Wahl des kleineren Übels.»
Trump malt schwarz
Donald Trump stört es derweil, dass Nikki Haley, die unter ihm Uno-Botschafterin war, nicht schon nach New Hampshire das Handtuch geworfen hat, sondern trotzig verkündet, sie wolle weiterkämpfen mit allem, was sie habe. Für den Ex-Präsidenten ist das Majestätsbeleidigung. Dies nicht zuletzt deshalb, weil er nun weiterhin parteiintern Wahlkampf führen muss, was unnötig Geld, Ressourcen und Zeit verschlingt und ihn daran hindert, sich bereits jetzt auf seinen Rivalen zu konzentrieren. In South Carolina führt Trump vor Haley mit 64 zu 19 Prozent.
Bei einem Wahlkampfauftritt Ende Woche in Manchester (New Hampshire) hatte der Ex-Präsident Trump Joe Biden vorgeworfen, die USA würden dieses Kerls wegen auf einen Weltkrieg zusteuern: «Wir werden einen 3. Weltkrieg haben, wenn dieser Kerl kandidiert.» Biden, so Trump weiter, sei aus vielerlei Gründen eine Bedrohung für die Demokratie: «Aber ihr wisst zweifellos, weshalb: Er ist in höchstem Masse unfähig.»
Und Donald Trump schilderte, von Orchestermusik untermalt, Amerikas angeblich schlimmen Zustand: «Wir sind eine scheiternde Nation. Wir sind eine Nation, die die höchste Inflation seit 50 Jahren hat, wo die Banken zusammenbrechen. … Wir sind eine Dritte-Welt-Nation. … Fake News sind alles, was man bekommt, und sie sind tatsächlich der Feind des Volkes. … Wir sind eine Nation, die in vielerlei Hinsicht zu einem Witz geworden ist. … Wir sind eine Nation, deren Wirtschaft in einer Kloake des Ruins zusammenbricht, deren Versorgungskette unterbrochen ist, deren Läden nicht gefüllt sind.»
Radikale Umbaupläne
Dem amerikanischen Malaise will Donald Trump mit einem forschen Plan begegnen, den die konservative Heritage Foundation unter dem Titel «Projekt 2025» letztes Jahr in Kooperation mit anderen Gleichgesinnten entworfen hat. Kernstück des Plans ist das 920-seitige Buch «Mandate for Leadership: The Conservative Promise», das einen Konsens definiert, wie wichtige Bundesämter zu führen sind.
So soll das Budget des Justizministeriums gekürzt, die Bundespolizei (FBI) und das Ministerium für Heimatschutz zerlegt und das Erziehungs- und das Handelsministerium abgeschafft werden, um die Verwaltung und den «deep state» zu schwächen, die Trumps Alliierte für viel zu einflussreich und vor allem auch für sozialistisch, wenn nicht kommunistisch halten.
Ein Vorschlag des Projekts würde dem neuen Präsidenten sogar erlauben, unmittelbar nach seiner Vereidigung den «Insurrection Act» von 1871 anzurufen, einen Gesetzesakt, der es ihm ermöglichen würde, die Armee gegen politische Gegner und Demonstranten einzusetzen. Ein anderer Vorschlag unter dem Titel «Schedule F» sieht vor, Zehntausende der rund 2,1 Millionen Bundesbeamten zu entlassen, um Platz für konservative Loyalisten zu schaffen. Bisher galten 4’000 Bundesbeamte als politische Mandatsträger, die ein neuer Präsident jeweils nach dem Einzug ins Weisse Haus auswechseln konnte.
Basis für Trumps Handeln wäre die «unitary executive theory», eine Lesart der Verfassung, die besagt, dass ein amerikanischer Präsident die Gewalt hat, die ganze Exekutive zu kontrollieren, einschliesslich Institution wie des Justizministeriums, die heute unabhängig fungieren. «Die Pläne, die von Mitgliedern von Trumps Sekte entwickelt werden, um das Justizministerium und das FBI in Instrumente seiner Rache zu verwandeln, sollten jedem, dem die Rechtsstaatlichkeit am Herzen liegt, einen Schauer über den Rücken jagen», warnt Michael Bromwich, ein ehemaliger Generalinspektor des Justizministeriums.
Die Warnung
«Das Projekt 2025 scheint eine ganze Reihe von Ideen zu enthalten, die darauf abzielen, dass Donald Trump als Diktator agieren kann, indem er viele der in unser System eingebauten Beschränkungen völlig aushebelt. Er will wirklich jede Vorstellung von Rechtsstaatlichkeit in diesem Land zerstören», sagt derweil Donald Ayer, der unter George H. W. Bush stellvertretender Generalbundesanwalt war: «Die Berichte über Donald Trumps Projekt 2025 deuten darauf hin, dass er sich jetzt darauf vorbereitet, eine Reihe von Dingen zu tun, die den grundlegenden Werten, nach denen wir immer gelebt haben, völlig zuwiderlaufen. Sollte Trump gewählt werden und einige der Ideen, die er offenbar in Erwägung zieht, umsetzen, wäre niemand in diesem Land mehr sicher.»
Noch aber ist es nicht so weit. Donald Trump beschäftigt auch noch die Frage, wen er an seiner Seite als Vizepräsidenten oder Vizepräsidentin haben möchte. Mike Pence, der ihm am 6. Januar 2021 beim Sturm auf das US-Kapitol die Gefolgschaft verweigerte, dürfte es nicht mehr sein. Trotzdem wird der 76-jährige Weisse wohl versuchen, seine Attraktion zu erhöhen, indem er einen Schwarzen, eine Frau oder jemand Jüngeren oder eine Kombination dieser Eigenschaften sucht.
Die Liste möglicher Kandidatinnen und Kandidaten ist lang. Da wären etwa die republikanischen Abgeordneten Elise Stefanik (New York) und Marjorie Taylor Greene (Georgia) , die Senatoren J. D. Vance (Ohio) und Tim Scott (South Carolina), die Gouverneurinnen Sarah Huckabee (Arkansas) und Kristi Noem (South Dakota), die Gouverneure Ron DeSantis (Florida) und Doug Burdum (North Dakota), Biotech-Unternehmer Vivek Ramaswamy, Ex-Fernsehmoderator Tucker Carlson, der frühere Wohn und Städtebauminister Ben Carson, oder Sarah Sanders, unter Trump Pressesprecherin im Weissen Haus. Definitiv aus dem Rennen ist wohl Trumps letzte überlebende Rivalin Nikki Haley.
Kampf um die Wechselwähler
Die Wahl des Vize oder der Vize ist deswegen bedeutsam, weil er oder sie im Falle eines Sieges von Donald Trump 2028 wohl gute Chancen hätte, in seine Fussstapfen zu treten. Alle Genannten halten sich allerdings noch züchtig bedeckt, denn Donald Trump mag es nicht, wenn jemandem ausser ihm zu viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Er berät sich aber mit Vertrauten und soll auch schon gescherzt haben, er wisse bereits, wenn er nominieren werde.
Trotzdem gibt es in Amerika am Ende noch Stimmen, die davor warnen, Donald Trump zu früh auf den Thron zu hieven. Sie argumentieren, der Ex-Präsident brauche im November die Stimmen einer Koalition, die viel breiter sein müsse als die eingefleischte Basis der MAGA-Anhänger, die ihm seine klaren Siege in Iowa und New Hampshire bescherten. Noch aber zeige Trump, argumentiert die News-Website Axios, keine Anzeichen, dass er sich im Verlaufe eines langen Wahlkampfes in einem Umfang mässigen oder ändern würde, der es ihm erlaubte, jene Wechselwählerinnen und Wähler zurückzugewinnen, die er 2020 verloren hat. Selbst falls er diese täte, blieben bei vielen Wählerinnen und Wählern Zweifel, was seine vier Straf- und zwei Zivilklagen und seine bombastischen öffentlichen Auftritte betrifft.
In New Hampshire hat Donald Trump am Dienstag rund drei Viertel der republikanischen Wählerstimmen gewonnen, während Nikki Haley nicht ganz zwei Drittel unabhängiger Stimmen auf sich zog. Etwas mehr als vier Fünftel aller «independents» und zwei Fünftel aller Wählerinnen und Wähler sagten laut CNN, sie würden Trump für nicht wählbar halten, wenn er wegen eines Verbrechens verurteilt wird. Und rund ein Drittel jener, die am 23. Januar an die Urne gingen, wären so mit einer Nomination Trumps so unzufrieden, dass sie am 5. November nicht für ihnen stimmen würden. Die Hoffnung stirbt zuletzt.