Die Veränderung des Klimas ist nicht mehr eine Frage von mehr oder weniger einleuchtenden Zahlen. Umweltkatastrophen zeigen die Dramatik an. Und der aktuelle Bericht des Weltklimarats stimmt die Öffentlichkeit darauf ein, dass alles noch viel schlimmer kommen wird. Lässt sich noch irgendetwas gegen das Desaster tun?
Diese Frage wird vom Weltklimarat bejaht, aber von wem sollen die Veränderungen ausgehen? Als erstes denkt man an die ganz grossen Akteure, denen zugetraut wird, dass sie ganze Industrien umstellen könnten. Aber welche Rolle spielt dabei der einzelne Erdenbewohner? Hat sein Handeln irgendeine Relevanz?
Umweltverbände und andere Initiativen werden nicht müde, an die Verantwortung des Einzelnen zu appellieren. Er möge bitte seine Konsumgewohnheiten ändern, weniger Fleisch essen, weniger Auto fahren, weniger Wegwerfprodukte kaufen und anderes mehr. Skeptiker wiederum weisen darauf hin, dass der «Fussabdruck» des Einzelnen rein rechnerisch so gut wie keinen Einfluss auf die weitere Entwicklung des Klimas hat. Also ist sein Handeln von so geringer Bedeutung, dass man ihn von jeder Verantwortung freisprechen kann.
Das aber ist ein vulgärmaterialistischer Trugschluss. Denn das Handeln des Einzelnen bemisst sich nicht nur an physikalischen Effekten. Es geht weit darüber hinaus. Der Einzelne beeinflusst mit seinen Überzeugungen und seinen Lebensstilen andere in seinem Umfeld, und daraus können Trends entstehen. Die Veränderung von Lebensstilen und Konsumgewohnheiten hat auch Einfluss auf die grossen wirtschaftlichen Akteure. Und wenn eine Mehrheit ersichtlich bereit ist, für die Rettung zukünftiger Lebensmöglichkeiten hier und jetzt Einschränkungen hinzunehmen, dann merkt das schliesslich auch die Politik.
Diese Art des Einflusses jedes Einzelnen auf andere wird notorisch unterschätzt. Und es wird auch unterschätzt, wie Bewusstseinsveränderungen zunächst kleiner Gruppen sich weltweit ausbreiten können. Man denke nur an die weltweiten Protestbewegungen Ende der 1960er Jahre. Und das kleine Europa hat einst seine Lebensformen in fernste Weltgegenden transportiert – nicht unbedingt zum Vorteil der jeweiligen lokalen Kulturen.
Die Macht der Ideen ist grösser als die aktuellen physikalischen Messwerte. Darin liegt die Verantwortung des Einzelnen. Es ist eben nicht egal, wie er lebt und was er konsumiert. Er übt Einfluss aus, der sich addiert, damit Nachfrage beeinflusst und auf die grossen Akteure einwirkt. Und er kann ganz im Kleinen einen Beitrag dazu leisten, dass auch Politiker erkennen, dass die Wähler, die sie so eilfertig umwerben, mehr als blosse Konsumenten sind.