Mit Hunderten von Millionen Dollar ausgerüstete Lobbyorganisationen führen in den USA lautstark ihren hinterhältigen Kampf gegen die Klimaforscher dieser Welt. «Die Erderwärmung findet nicht statt», heisst eine ihrer absurden Kampfansagen. Diese Lüge wird auch vom Committee for a Constructive Tomorrow verbreitet, wobei allein schon der einlullende Name dieses von Erdölkonzernen mitfinanzierten PR-Stosstrupps eine gewaltige Desinformation darstellt. Auch in unserem Land sind ähnliche Stimmen zu hören. Feststeht für die neutrale Fachwelt: Das langfristig schwerwiegendste Problem unserer Zeit ist die globale Erwärmung.
Die grosse Eisschmelze
«Das nächste Jahrhundert dürfte er kaum erleben», prognostiziert ein ETH-Glaziloge. Er – gemeint ist der Titlisgletscher, der jährlich ein bis zwei Meter an Dicke verliert von seinen verbleibenden vierzig bis fünfzig Metern. Jetzt prüfen die Engelberger, den Gletscher im Sommer künstlich zu beschneien. Bereits dieses Jahr investieren sie zudem eine Million Franken in ein Kühlsystem, das die Eisgrotte künstlich herabkühlen soll. Neuralgische Stellen des Gletschers werden mit Vlies abgedeckt. Derweil macht sich der Marketingchef der Titlisbahnen Gedanke über die Zeit nach dem Gletscher.
In der Arktis steigt die Temperatur zweimal so schnell wie im globalen Durchschnitt: seit 1951 um 1.5° C. gegenüber 0.7° C. weltweit. Als Folge des Schmelzens arktischer Gletscher sagte das IPCC ein Ansteigen der Weltmeere um 59 cm voraus, allein für dieses Jahrhundert. Angesichts des Albedo-Effekts dürfte diese Schätzung zu konservativ sein. Erst in letzter Zeit lokalisierten nämlich die Forscher den Hauptgrund für die drastische Eisschmelze. Aperes Land und das Wasser der Meeresoberfläche sind dunkel gefärbt, während Schnee und Eis natürlich hell sind. Dunkle Oberflächen aber absorbieren mehr Wärme als helle, die lokale Erwärmung steigt dadurch, und ein eigentliches Perpetuum mobile wird in Gang gesetzt. Die Küstenlinie von Alaska verliert zurzeit 14 Meter jährlich. Interessierte können das und noch viel mehr nachlesen im Special Report des Economists «The Arctic».
Im tropischen Teil der Anden sind seit 1970 die Gletscher um 30 bis 50 Prozent geschrumpft. Der Rückgang sei «beispiellos in den vergangenen 300 Jahren», hat ein internationales Forscherteam aus Südamerika kürzlich berichtet.
Keine Entwarnung
Neueste Messungen ernstzunehmender Klimaforscher deuten an, dass die Klimaerwärmung in den letzten zehn Jahren flacher verläuft als die Voraussagen es suggerierten. Dies soll an dieser Stelle nicht unterschlagen werden. Ehrlicherweise können die Forscher für diese vorläufigen Werte auch keine plausiblen Gründe finden. Es gibt jedoch keine Entwarnung. Die Kohlenstoffdioxyd-Emissionen steigen weiter; seit 1997 haben sie um 50 Prozent zugenommen. Und eine andere aktuelle Studie, die 131 Jahre umfasst, zeigt, dass die Monate mit rekordhohen Temperaturen weltweit immer öfter vorkommen. 80 Prozent dieser Hitzespitzen sind durch den Menschen verursacht, erklären die Forscher.
Auch in der Schweiz kennen wir das Phänomen. Gewaltige Unwetter mit «Jahrhundert-Überschwemmungen» finden mittlerweile beinahe jährlich statt. Dass ganze Berghänge in den Alpen ins Rutschen geraten auch in Gegenden ausserhalb der offiziellen Gefahrenzonen, versetzt die betroffenen Bewohner in Angst und Schrecken. Der auftauende Permafrost ist für die Direktoren notabler Winterkurorte seinerseits zum Schreckensszenario mutiert: Die Masten der Bergbahnen bewegen sich langsam talwärts, unabhängig davon, ob dies voraussehbar war oder nicht.
Ist Klimaschutz sinnlos?
Seit zwanzig Jahren scheitern die Versuche, den Ausstoss von Treibhausgasen zu reduzieren. Es war zu erwarten, dass deshalb Stimmen laut werden, die die Klimaschutzpolitik als Fiasko darstellen würden. Einer dieser Exponenten, der Däne Björn Lomburg, meint die Gründe dafür gefunden zu haben: Die Alternativenergien fassten nicht Fuss, da sie zu teuer wären. Der wahre Grund dahinter: Die Wirtschaft konsumiere fossile Energien nicht, um die Umweltschützer zu ärgern, sondern weil diese Energien das Wirtschaftswachstum trügen.
Diese Milchbüchleinrechnung suggeriert: Teure Energie gleich geringes Wachstum. Auch wenn diese Gleichung vordergründig zuträfe und lehrbuchökonomisch sogar begründbar wäre – sie ist eine Bankrotterklärung. Das Wohlergehen der Weltbevölkerung allein auf Wirtschaftswachstum zu reduzieren, ist eine zu einfache Weltsicht.
Dass in all den Studien zudem behauptet wird, die Öffentlichkeit sei nicht bereit, höhere Energiekosten zu bezahlen, ist eine unbewiesene These. Als in den 1970er-Jahren die Weltmarktpreise für Erdöl explodierten, konnte in keinem Land festgestellt werden, dass die Konsumenten nicht bereit waren, diese hohen Preise auch zu bezahlen.
Eine Energiesteuer?
Desillusioniert muss heute akzeptiert werden, dass die weltweite Verpflichtung gemäss Kyoto-Protokoll, die Treibhausgase zu reduzieren, bisher nichts als heisse Luft geblieben ist. Ziel nicht erreicht. Klimaexperten, Politiker, Aktivisten und engagierte Menschen suchen deshalb nach neuen Wegen.
In der Schweiz wurde eine Volksinitiative eingereicht, die eine staatsquotenneutrale ökologische Steuerreform anstrebt. Die Grünliberale Partei (GLP) versucht auf diesem Weg einer Energiewende näher zu kommen: «Energie- statt Mehrwertsteuer» heisst die Parole. Ohne die Gesamtsteuerbelastung zu erhöhen, würden gleichzeitig Chancen und Wettbewerbsvorteile für den Werk- und Denkplatz Schweiz entstehen.
Klimaexperten könnten sich vorstellen, dass die weltweite Einführung einer CO2-Steuer (Emissionssteuer, eine Art Zoll auf Produkten, die bei der Herstellung viel CO2 produzieren) die Lösung sein könnte. Beispielsweise würden Produkte wie Stahl, Papier und Zement damit belastet.
Beide Vorschläge dürften es schwer haben, jemals realisiert zu werden. Die Wirtschaft wird sich dagegen wehren, da sie prinzipiell alles ablehnt, was ihre Produkte verteuert.
Radikale Forschungsziele
Können neue Lösungen eine Klimakatastrophe verhindern, fragt sich der Ökonom und Soziologe Jeremy Rifkin? Er plädiert für eine dringend nötige dritte industrielle Revolution. Die Idee: So viele Häuser wie möglich (es gibt deren 100 Millionen in der EU) in kleine grüne Kraftwerke verwandeln. Diese würden aus nachhaltigen Quellen mehr Energie produzieren, als sie verbrauchen. Ein solcher ökologischer Umbau würde gleichzeitig Millionen neuer Arbeitsplätze schaffen.
Ökonomen des CCC (Copenhagen Consensus on Climate) sind der Ansicht, dass die beste langfristige Strategie darin bestünde, erheblich mehr Geld in die Entwicklung grüner Technologien zu investieren, damit diese radikal billiger würden. Vorgeschlagen wird eine weltweite Steigerung um das Zehnfache auf 100 Milliarden Dollar jährlich. Als Beispiel ziehen sie die Computerentwicklung seit 1950 heran. Den Durchbruch verdankten wir Fortschritten in Forschung und Entwicklung, die zu neuen Innovationen führten. Grüne Energie könnte letztlich so billig werden, dass jeder sie am Ende haben wollte.
Die gewaltigen Chancen für die Weltwirtschaft bei der Anpassung an den Klimawandel sind Hoffnung für viele. Gesamtnachfrage und Beschäftigung würden steigen, davon ist zum Beispiel auch Joseph Stiglitz, Nobelpreisträger für Ökonomie, überzeugt.
Was bleibt: Selbstverantwortung
Wir tun uns schwer mit der Klimadiskussion. Auf der einen Seite die Klimawandel-Leugner mit ihren Diffamierungen und grossmundigen Statements wie «die Klimakatastrophe findet nicht statt – es kommt zu einer Abkühlung» (Fritz Vahrenholt). Auf der anderen Seite engagierte Klimaphysiker wie der Berner Thomas Stocker, einer der 1’400 Gutachter aus der Wissenschaft, die seit Jahren die ganze vielfältige Indizienkette des Klimawandels beurteilen.
Es liegt an uns allen, im persönlichen Umfeld klimaschonend zu handeln. Die Selbstverantwortung kann an keine Institution ausgelagert werden.