Titelseite von «Blick»: Das ist der Todespilot. Daneben grosses Bild von Andreas Lubitz, der unauffällig in Düsseldorf lebte, die Ausbildung zum Piloten unterbrechen musste. Polizei im Elternhaus. Ermittler überzeugt: Der Absturz war Absicht! Ein Bild aus glücklicheren Tagen des Co-Piloten. Auf Seiten 2 und 3 Gruppenbilder von Trauernden, aus mittlerer oder etwas grösserer Distanz; Blick auf die Regierungsbank in Berlin während des Gedenkens. Aufzeichnung des Voice-Recorders, erzählt vom französischen Staatsanwalt. Kasten über drohende juristische Schwierigkeiten für Lufthansa. Seite 4: Warnung vor schnellen Urteilen.
«Tages-Anzeiger» und «20 Minuten» aus dem Haus Tamedia, aber auch «Neue Zürcher Zeitung»: Der TA nennt den Namen des Co-Piloten, die NZZ bezeichnet ihn als Andreas L. Alle drei Blätter zeigen kein Bild des Co-Piloten und keine identifizierbaren Nahaufnahmen trauernder Angehöriger. Also kein medienethisch verpöntes «Witwenschütteln». Die «Basler Zeitung» bringt auf Seite 3 ein Bild des Co-Piloten – wie übrigens auch die «Süddeutsche Zeitung». Alle diese Blätter rekonstruieren den Lebenslauf von L., halten sich aber mit gesundheitlichen Spekulationen und Schuldzuweisungen zurück.
«10 vor 10» zeigte ein mit Schleier überdecktes Gesicht von L. und nannte ihn Andreas L.
Unterschiedlich ist die Diktion zur Gewissheit der Absturzursache. Einige deuteten an, es «solle» sich um bewusste Steuerung des Co-Piloten gehandelt haben, der TA ist sich sicher über den «mutwilligen» (ein in diesem Zusammenhang seltsames Adjektiv) Flugzeugabsturz, die NZZ über die «absichtliche Herbeiführung».
Im grossen und ganzen herrscht nüchterne Prosa vor. Beim Publikum geben Namensnennung und Abbildung des Co-Piloten am meisten zu reden. Manche Experten nennen die in den USA üblichen Zweierbesetzungen des Cockpits als mögliche Konsequenz.
Mir scheint, die Erwähnung des Co-Piloten – sogar mit vollem Namen – sei hier gerechtfertigt, zumal sich der französische Staatsanwalt mit Quellenangabe des Voice-Recorders sehr präzis geäussert und offenbar auch die Regierungen in Paris und Berlin überzeugt hatte. Andreas Lubitz ist damit zu einer Person der Zeitgeschichte geworden, die man deutlicher als einen lebenden Verdächtigen, dem noch die «Unschuldsvermutung» zusteht, nennen darf.
A propos Schuld, genau und wörtlich: Die steht natürlich noch nicht fest, falls – etwa aufgrund einer psychiatrischen Krankheitsdiagnose – dem Verursacher die Zurechnungs- und Schuldfähigkeit ganz oder teilweise abgesprochen werden sollte. Wenn es ethisch vertretbar ist, den Namen zu nennen, ist es auch erlaubt, ein in der Form einigermassen neutrales, nicht herabsetzendes Bild zu zeigen, wie das Bundesgericht in anderem Zusammenhang vor Jahren bestätigt hat. Herabsetzend wäre gewiss die Foto der blutverschmierten Leiche des Co-Piloten.
Abgesehen davon ist auch die Privatsphäre der trauernden Eltern des Täters vor Zudringlichkeiten der Medien zu schützen. Und die der trauernden Angehörigen von Opfern sowieso. Hier waren einige Bilder grenzwertig, wenn man die Stellungnahme 2012/73 des Schweizer Presserats nach dem schweren Busunglück im Wallis als Massstab nimmt: Drei Boulevard-Redaktionen hatten damals ganze Porträtgalerien toter belgischer Schulkinder gedruckt – ohne Zustimmung der Eltern. Der Presserat gab belgischen Protesten recht und hielt fest, dass Fotos verstorbener Unfallopfer nur gezeigt werden dürfen, wenn die Angehörigen sie explizit freigeben. Den Co-Piloten freilich sehe ich in einer anderen geschichtlichen Kategorie.