In knapp zwei Monaten stehen in Frankreich wichtige Regionalwahlen an. Die regierenden Sozialisten, die in den letzten fünf Jahren zwanzig von einundzwanzig der französischen Regionen verwaltet haben – nur das Elsass war den Konservativen erhalten geblieben –, müssen am 6. und 13. Dezember die nächste, mittlerweile dritte Wahlschlappe in Folge befürchten, seit Präsident Hollande vor dreieinhalb Jahren in den Elyséepalast eingezogen ist. Zumal die Linke aus Sozialisten, Grünen, Kommunistischer Partei und der Linksfront von Jean-Luc Mélenchon gespalten wie nie in dieses Rennen geht.
In keiner der dreizehn neu aufgeteilten Regionen des Landes gibt es eine gemeinsame Liste der vier Formationen. Angesichts des permanenten Erstarkens der rechtsextremen Nationalen Front ist das in der Tat ebenso unverständlich wie katastrophal.
Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis hat nun, sozusagen im letzten Moment, eine Art Referendum unter Linkswählern ins Leben gerufen, das an diesem Wochenende per Internet und an rund 2’500 Wahlurnen auf Märkten oder in Vereinslokalen über die Bühne geht und bei dem Sympathisanten der Linken auf die Frage antworten sollen: «Sind Sie angesichts der Rechten und der extremen Rechten für die Einheit der Linken und der Grünen?» Ein Unterfangen für das er bis hinein in die eigenen Reihen bislang vor allem Spott geerntet hat.
Rhetorische Abstimmungsfrage
Man könnte die Sympathisanten der Linken ja auch darüber befragen, ob sie dafür seien, dass jeden Tag die Sonne scheint, ulkte dieser Tage ein französischer Altsozialist, und die ehemalige Ministerin der Grünen, Cécile Duflot, plädierte für die Frage: «Sind sie für oder gegen Krieg».
Die Stimmabgabe jedenfalls gestaltete sich angesichts dieser blutleeren Frage für die letzten treuen Parteisoldaten reichlich mühsam. Bei weitem nicht alle in der Partei stünden diesem Referendum wohlwollend gegenüber, klagte ein Altsozialist im französischen Südwesten, und viele liessen sich erst bitten, um überhaupt an dieser Befragung teilzunehmen.
Auf einem Markt in Paris waren die Reaktionen mancher potentieller Wähler eher wütend. Die Partei hätte lieber dafür sorgen sollen, dass die Versprechungen eingehalten werden, die François Hollande 2012 gemacht habe, das mit der Einheit sei doch nichts anderes als ein politischer Coup, die Sozialisten betrieben doch nichts anderes als eine rechte Politik, polterte ein Passant.
Kein Wunder, dass sich manche Kreisverbände der sozialistischen Partei im Land sogar schlicht und einfach weigerten, auf Märkte zu gehen oder Wahlurnen aufzustellen.
Dieses improvisierte Referendum des Chefs der Regierungspartei PS ist schlicht eine Lachnummer und sagt viel aus über die Hilflosigkeit der Partei von Staatschef Hollande. Zumal die gestellte Frage rein rhetorischer Natur ist. Niemand wird am Ende gegen die Einheit der Linken stimmen, die de facto jedoch einfach nicht mehr existiert.
Zerstrittene Linke
Die Regierungsmehrheit für Präsident Hollande im französischen Parlament ist im Lauf der letzten drei Jahre spektakulär gebröckelt, die Grünen haben die Regierung verlassen, und selbst in der sozialistischen Fraktion umfasst die Gruppe von Aufmüpfigen gegen den sozialliberalen Regierungskurs rund zwanzig Prozent der Abgeordneten.
Dem entsprechend gehen die verschiedenen Parteien der Linken mit getrennten Listen in den ersten Durchgang der Regionalwahlen vom 6. Dezember. Die Grünen haben sich in manchen Regionen sogar mit der Linksfront und den Kommunisten zusammengetan. Daran wird dieses Referendum nicht das geringste ändern. Das ganze Unternehmen des sozialistischen Parteichefs ist ein durchsichtiger Kommunikationscoup und scheint vor allem darauf abzuzielen, den schwarzen Peter den Grünen und der Linksfront zuzuschieben.
«Diese Spaltung», so betonte Jean-Christophe Cambadélis im Vorfeld, «ist unverständlich und spielt der Rechten und der extremen Rechten in die Hände. Diese Abstimmung ist eine Möglichkeit, sich an die gesamte Linke zu wenden und zu sagen, wir haben die französischen Regionen bisher gemeinsam regiert; nur weil es Meinungsverschiedenheiten auf nationaler Ebene gibt, müssen wir die Regionen noch lange nicht der Rechten überlassen.»
Absehbare neuerliche Blamage
Dass dem aber letztlich so sein wird und die Linke fast alle der bisher zwanzig von ihr verwalteten Regionen verlieren wird, daran ändert auch diese Maskerade von Referendum nichts. Grüne, Kommunisten und Linksfront müssen sich allerdings fragen lassen, warum sie nicht einmal in den beiden Regionen, in denen die Nationale Front die Nase vorne haben könnte, zu einer Einheitsliste mit den Sozialisten bereit waren. Es sind dies die Region Provence Alpes Côte d'Azur zwischen Nizza, Marseille und Avignon und die ehemalige linke Hochburg des Nordens rund um Lille.
Wenn nach dem 13. Dezember in zwei von dreizehn französischen Regionen die Namen der Präsidentinnen lauten werden: Marion Maréchal Le Pen, Enkelin des Parteigründers Jean-Marie Le Pen, und Marine Le Pen, dessen Tochter und Parteichefin der Nationalen Front – dann wird das Wehklagen wieder gross sein. Man wird von einem weiteren politischen Erdbeben sprechen und für die Präsidentschaftswahlen 2017 das Schlimmste befürchten. Eine Einheitsliste der Linken gleich im ersten Durchgang hätte diese Wahrscheinlichkeit zumindest geringer halten können.