Die Bilder dieses Winters von grünen Skigebieten mit schmalen weissen Pistenstreifen aus Kunstschnee sind zum Menetekel des Versagens geworden. Wir sollten nicht – wir müssen handeln. Der Klimawandel lässt sich nicht länger schönreden.
Noch immer gibt es Medien, Politiker und Politikerinnen, die das Thema verharmlosen. Sie liegen falsch. Doch auch Klima-Aktivisten dürfen keine Gesetze brechen. Auch sie liegen falsch. Beides ist kontraproduktiv.
Der Mensch ist kurzsichtig
Im Fernsehen sagte ein sichtlich frustrierter Reto Knutti einst: «Der Mensch ist ein bisschen dumm, faul, kurzsichtig und egoistisch.» Knutti ist Professor an der ETH Zürich und Mitglied des von 195 Staaten getragenen Weltklimarates IPCC. Er beantwortete im Herbst 2021 in der «Sonntagszeitung» Fragen zu diesem, wie er sagt, «gesellschaftspolitischen» Problem. Knutti stört sich am kurzfristigen Denken und an den politischen Grabenkämpfen, die vom Thema ablenken.
Knutti nennt drei vordringliche Massnahmen, um den Klimawandel zu bekämpfen: erstens das Ende von Verbrennungsmotoren, zweitens die massive Verteuerung des Fliegens, das nur noch mit synthetischem Treibstoff erlaubt ist, drittens die rasche Ersetzung der Öl- und Gasheizungen. Dabei betont er selbstkritisch, dass in der Vergangenheit bei diesen Diskussionen die menschliche Psychologie wohl viel zu wenig berücksichtigt wurde. Statt uns zu fragen, ob wir netto Null bis 2050 schaffen, sollten wir uns fragen, was wir heute tun können, um wenigstens in die gute Richtung zu gehen.
Skifahren und Schneekanonen
Wenn Klimatologen davon überzeugt sind, dass die Schneefallgrenze weiter ansteigen wird, dann müssten wir uns wohl zuerst fragen, ob es immer noch Sinn macht, die Winter- respektive Skisaison von November bis März zu planen. Denn die Schneefallgrenze ist innert hundert Jahren um 400 Meter angestiegen und das wird entsprechend so weitergehen. Auch der Gletscherrückgang ist messbar, wir reden von rationalen Zahlen. Jene Personen, die von Klimahysterie reden, kennen die nachweisbaren Daten offensichtlich nicht.
Wenn Verantwortliche von Skidestinationen heute argumentieren, sie wären ein Skidorf und hätten das immer so gemacht, sie lebten davon und ihre Kunden wollten das so, dann kann man sie ja verstehen. Der tatsächlichen Entwicklung machtlos zuschauen zu müssen, ist nicht einfach. «Aber wenn es auf die Hänge regnet, regnet es» (NZZ am Sonntag). Die Natur ist eben stärker. Die Idee vieler Verantwortlicher im Skitourismus, man könne das Problem schon irgendwie lösen, ist typisch kurzfristiges Denken.
Ob da die künstliche Beschneiung an den Skiorten Sinn macht? «Je früher wir beginnen, desto besser sind Ressourcen verteilt», sagt zum Beispiel der Verantwortliche von Arosa/Lenzerheide im Gespräch mit der NZZ. Man hat dort drei Speicherseen gebaut und 500 Wasserschächte in den Boden getrieben. Schon heute entfällt ein Drittel des Stromverbrauchs der Seilbahnen auf die Beschneiung. Ein pikantes Detail des Gesprächs: «Diese Seen werden zwischendurch aufgefüllt.»
Zu wenig Schnee, zu wenig Wasser, zu hohe Temperaturen, zu teure Energiekosten – das alles wird nächstes Jahr nicht besser. Vielleicht müssten sich die Verantwortlichen langsam Gedanken darüber machen, ob ihre Marketingideen und Millioneninvestitionen zukunftskompatibel seien.
Klima-Aktivisten und das Gesetz
Klimaaktivisten kleben sich auf Strassen fest, blockieren mit Sitzstreiks den Verkehr und Rettungsfahrzeuge oder verschmieren kostbare Gemälde in Galerien mit Kartoffelstock: Dürfen sie das? Die Antwort ist: Nein. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Mit solchen Aktionen schaden sie zudem ihrem eigenen Ziel, das sie so vehement beschäftigt. Denn nicht alles, was legitim scheint, ist legal.
Es ist zu einfach, wenn man diesen jungen Menschen jetzt rät, sich zukünftig an die Gesetze zu halten: zu demonstrieren, schreiben, reden, aufzurufen. Vielmehr sollten wir uns alle fragen, warum sie diese unakzeptablen Handlungen begangen haben. Wie anders sollen diese Aktivisten ihre Sorge ins Volk tragen? «Renovate Switzerland» probiert es mit einer konkreten Forderung an den Bundesrat, dieser soll eine landesweite Offensive starten für die energetische Sanierung von Häusern. Da geht es um Sachpolitik statt symbolischem Protest, schon mal ein begrüssenswerter Anfang. Doch dann müsste der Bundesrat darauf reagieren, was er bisher nicht getan hat.
Besonnene Menschen könnten im Dialog versuchen, Aktivisten davon zu überzeugen, dass es falsch ist, wenn sie absichtlich Gesetze brechen. Denn solange diese Leute antworten, es sei ihnen bewusst gewesen, dass die meisten Leute sie hassen würden wegen ihrer illegalen Methoden, solange schaden sie sich selbst und ihrem Anliegen. Da macht auch Julia Steinberger, Professorin für ökologische Ökonomie an der Universität Lausanne, die sich bei einer Blockade-Aktion in Bern auf die Strasse klebte, keine Ausnahme.
Diese engagierte und bestens ausgebildete Frau wollte in ihrer Verzweiflung nicht mehr länger im Büro sitzen und Aufsätze schreiben. Sie ist überzeugt, dass «die grösste Gefahr für die Existenz der Menschheit vom Klimawandel ausgeht» (Tages-Anzeiger), und beruft sich auf eine universitätsinterne Arbeitsgruppe, die feststellte, «der zivile Ungehorsam werde in der philosophischen und politikwissenschaftlichen Literatur als legitimes demokratisches Ausdrucksmittel anerkannt». Diese engagierte Person sollte uns beeindrucken. Ich jedenfalls verstehe sie, wenn ich auch ihre Aktion nicht billige.
Uno-Klimagipfel in Ägypten: kein Ruhmesblatt
Nicht einmal über den Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energien konnten sich die Staaten einigen. Nach erbitterten Kämpfen beschloss man, Energien mit niedrigen Emissionen nicht auslaufen zu lassen – welche damit gemeint waren, darüber wurde nicht gesprochen.
Nicht zum ersten Mal wird in der NZZ dieses Resultat – ja, das Problem Klimaerwärmung – kleingeredet. So hiess es in einem Gastkommentar von Björn Lomborg, «dass der Klimawandel keine Katastrophe sei». Wochen später lesen wir in der NZZ: «Der Abschied vom 1,5-Grad-Ziel wird weh tun. Doch er kann ein Stoss in die richtige Richtung sein: weg von Panikreaktionen, hin zu einem Management des Klimawandels.»
Die Reaktion kam postwendend, von Johannes Binswanger, Professor für Business Economics and Public Policy, und Paolo Piacquadio, Professor für Angewandte Ökonomie an der Universität St. Gallen. Ihre Meinung ist eindeutig, ihr Kommentar auf Lomborgs selektive Lesart von Daten: «Hinter den mit grosser Sicherheit präsentierten Zahlen Lomborgs verstecken sich ethisch fragwürdige Werturteile.» Beide meinen, es sei nicht verantwortbar, aufgrund von sehr unsicheren Voraussagen für Nichtstun zu plädieren. «Dabei werden direkte Opfer ignoriert und wir zerstören die Natur irreversibel.»
Greta Thunbergs «Klima-Buch»
«Die Zeit» hat im Oktober 2022 aus Anlass der Buchpräsentation ein langes Gespräch mit Thunberg geführt. Dabei gibt sich diese dialogfähig und präzisiert, das Ziel ihres Buches sei es, «alle Informationen zu sammeln, die wir haben, (…) denn es kommt mir nicht vor, als würden wir die Bedeutung des Klimawandels wirklich verstehen». Auf die Frage, ob wir unseren Wohlstand und den Kapitalismus für die ungemütliche Situation verantwortlich machen können und ob sie Sozialistin sei: «Alle gegenwärtigen Ideologien, inklusive Kapitalismus, sind gescheitert (…), aber wir haben gerade auch kein anderes politisches System, das das Beste für Menschen auf diesem Planeten täte. Nein, ich bin keine Sozialistin, denn alle politischen Systeme haben versagt und können die Klimakrise nicht bewältigen.»
Das Beispiel zeigt, dass es auch mit sachlichen Diskussionen geht. Der Klimawandel sollte keine Bühne sein für ideologisch gefärbte Meinungen oder Plädoyers für das «Management des Klimawandels».
Wir haben eine Chance verpasst
Abschliessend die Worte von Thomas Stocker, dem renommierten Klimaforscher und Professor für Klima- und Umweltphysik an der Uni Bern: «Es gibt noch eine Chance – nämlich, wenn die Politik und die Gesellschaft einsehen, dass sie versagt haben – ein Mahnmal, dass das nicht mehr passieren darf. Nur dann haben wir eine reelle Chance, wenigstens deutlich unter einer Erwärmung um zwei Grad zu bleiben» (Tages-Anzeiger).