Pünktlich zum Termin der Unabhängigkeitserklärung der PLO Mitte November 1988 und zum 29. November 2012 – dem 55. Jahrestag der UN-Teilungsresolution – soll Machmud Abbas‘ Plan vereitelt werden, bei den Vereinten Nationen den „non-state observer“-Status zu beantragen.
Wie der militante Flügel von „Hamas“ an der Charta festhält, wonach „jede Dreingabe eines Teils von Palästina auch eine Aufgabe des Glaubens“ sei, verwahrt sich Benjamin Netanjahu aus der unterstellten Abhängigkeit der „Bewegung des Islamischen Widerstandes“ von Iran gegen einen zweiten Holocaust. Von den finanziellen Belastungen ganz zu schweigen, zählen die Todesopfer, die Verwundeten und die Ängste in der Bevölkerung nicht, denn schließlich soll es ums Ganze gehen: um die Niederringung jeder Aussicht auf nationale Koexistenz.
Jabari, um Vernunft bemüht
Der Tod von Achmed Al-Jabari passt in das Kalkül beider Seiten, die Empörung auf den Straßen Gazas täuschen darüber nicht hinweg. Der Kommandeur des militärischen Arms von „Hamas“ gehörte zu jenen Politikern, die seit geraumer Zeit um Vernunft bemüht waren.
In Israel wurde er als Architekt der Freilassung des Gefreiten Gilad Shalit im Oktober 2011 gefeiert, der jetzt einen dauerhaften Waffenstillstand aushandeln wolle. Der Journalist Shlomi Eldar hat in seinem jüngsten Buch „Hamas kennenlernen“ berichtet, wie die israelische Politik über Jahre hinweg jedem politischen Annäherungsversuch eine Absage erteilte. Inzwischen hütet sich „Hamas“, im innerpalästinensischen Poker die Trumpfkarten aus der Hand zu geben.
"Ich kenne keine Parteien mehr"
Wie üblich zeigte sich die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton tief besorgt, und dem britischen Außenminister William Hague fiel nichts anderes ein, als „Hamas“ die Hauptverantwortung zuzuweisen – nicht erstaunlich, nachdem er dem palästinensischen Gang nach New York eine Abfuhr erteilt hatte. Sein deutscher Amtskollege Guido Westerwelle warnte vor einer „neuen Spirale der Gewalt“. Der UN-Sicherheitsrat zeigte sich uneins. Als die US-Administration in Ägypten um Vermittlung bat, räumte sie ein, dass ihr Einfluss auf Israel null und nichtig ist. Der Ministerpräsidenten ließ sein Dankeschön ausrichten.
Im Ausland glaubte man sich darin einig, dass Netanjahus rhetorisches Säbelrasseln im Vorfeld der neuen Eskalation dem Wahlkampf geschuldet sei. Dabei wurde übersehen, dass sie nach dem Motto des deutschen Kaisers Wilhelm II. „Ich kenne keine Parteien mehr“ den nationalen Konsens nur noch einmal bestätigen sollte, obwohl es dazu nicht der Parlamentswahlen am 22. Januar 2013 bedarf.
Abbas, mit leeren Händen
Kaum mehr als 200 Gegendemonstranten kamen am Abend des 15. November in Tel Aviv zusammen. Die Dynamik des Krieges hat sich kreislaufartig verselbständigt und lässt die Brückenbauer mit ihrem Slogan „Wir wollen keine Feinde sein“ ins Leere laufen.
Während Ende September 2011 die palästinensische Bevölkerung in der Westbank auf den Straßen tanzte, als Abbas vor der UN-Vollversammlung den Antrag auf Mitgliedschaft begründete, wird der Präsident diesmal – wenn ihm die israelische Regierung die Ausreise genehmigt – mit leerem Gepäck nach New York fliegen. Die Europäische Union hat bereits für eine Verschiebung plädiert. Abbas bleibt nur der Versuch des diplomatischen Durchmarschs, den er politisch nicht gewinnen kann, der aber vielleicht zu Hause seinem Prestige guttut.
"Besser wäre es, den Juden zu helfen"
In asymmetrischen Kriegen bei erhöhter militärischer Schlagkraft von irregulären Milizen versagt die deutsche Staatsräson. Aus Anlass seines 70. Geburtstages brachte Daniel Barenboim die Zusage Angela Merkels im Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in zwei Sätzen auf den Punkt: Es sei „alles andere als Luxus, wenn man sich weigert, die dumme Politik von Herrn Netanjahu zu unterstützen, so, wie Deutschland es macht, immer noch aus einem historischen Schuldgefühl heraus. Besser wäre es, den Juden zu helfen bei den Problemen, die sie heute mit den Arabern haben.“ Immerhin haben es Gaza und Jerusalem geschafft, dass außer Syrien der Nahostkonflikt wieder auf die Tagesordnung der internationalen Diplomatie zurückkehrt.