Zum hundertsten Todestag Louis Douzettes (1834–1924) wird in seiner Heimatstadt Barth an der Vorpommerschen Ostseeküste eine Werkschau ausgerichtet. Douzettes Stil hat sich von einem epigonalen Romantizismus zu einer realistischen Naturmalerei entwickelt.
Aus dem langen Leben des in seiner Heimat populären Malers sind rund 1’700 Werke bekannt, und da er vor allem in jüngeren Jahren vielfach «auf Bestellung» gearbeitet hat, dürften der Kunstgeschichte viele seiner Bilder unbekannt geblieben sein. Douzette, Sohn eines Malermeisters, lernte im väterlichen Betrieb, bekam früh Zeichenunterricht, wurde erst zum Stubenmaler und nach zusätzlicher Ausbildung zum Dekorationsmaler. Doch er wollte Künstler werden und trat ein in die Manufaktur des Landschaftsmalers Hermann Eschke. Sein erstes eigenes Bild, eine Monscheinlandschaft, gelang so gut, dass Eschke es mit der Bemerkung honorierte, er wünschte es selbst gemalt zu haben.
Mondschein verkaufte sich gut bei der bürgerlichen Kundschaft, und so perfektionierte denn Douzette seine koloristischen Fertigkeiten in der Wiedergabe «romantischer» nächtlicher Szenen, die in Mondlicht getaucht sind. So erwarb er sich den Ruf eines Mondscheinmalers. Die Häufung von stimmungsschwangeren Bildern im frühen Douzette’schen Werk macht das Verdikt des Kitschs fast unvermeidlich. Aber eben nur fast: Das Raffinement der Effekte und Stimmungen ist dann eben doch beeindruckend, so dass man sagen kann, er habe das Kitschbedürfnis seiner Kundschaft mit immerhin solider Malkunst bedient.
Die Käufer konnten von solchen Bildern gar nicht genug bekommen. Douzette hätte auf dieser Schiene noch lange weitermachen können. Doch er wollte Künstler sein, Neues schaffen. 1878 unternahm er die erste Paris-Reise. Dort lernte er die Kunst der Schule von Barbizon kennen, die seit 1830 mit der neuen Bildgattung des Paysage intime (vertraute Landschaft) die Malerei aus den von den Kunstakademien geprägten Konventionen löste und eine Hinwendung zur vorgefundenen Wirklichkeit vollzog.
Die Barbizon-Maler fanden ihre Sujets im Wald von Fontainebleau, skizzierten unter freiem Himmel und fertigten die Bilder anschliessend anhand solcher Studien im Atelier – eine Vorstufe der Plein-air-Malerei. Indem die «akademischen» Bildthemen wegfielen, verstand die neue Kunstdoktrin sich als «realistisch», und es war nur konsequent, dass nun auch die soziale Realität – etwa der armen Landbevölkerung – ungeschönten Ausdruck fand und entsprechend Skandal machte. So geschehen 1857 mit dem berühmten Bild «Ährenleserinnen» von Jean-François Millet.
Ein Revoluzzer war Louis Douzette nicht. Mit Bildern Auseinandersetzungen zu provozieren, war für ihn undenkbar. Sein menschliches und künstlerisches Ideal war die Harmonie. Nachdem er lange und erfolgreich in Berlin gearbeitet hatte, übersiedelte er 1895 in die Region, die er seit den späten 1850er-Jahren immer wieder besucht hatte, um im Stil der Paysages intimes zu malen: die vorpommersche Ostseeküste mit Darss, Zingst, Vilm und Hiddensee. Wohnsitz nahm er in der Hafenstadt Barth, in der er schon seine Kindheit und Jugend verbracht hatte. Douzette war dreissig Jahre vor der Künstlerkolonie Ahrenshoop (heute im Kunstmuseum Ahrenshoop) einer der Ersten, die auf der Halbinsel Darss malten.
Wie ärmlich das Leben der Bauern und Fischer dort war, das verschweigen Douzettes Bilder zwar nicht willentlich, aber sie zeigen es auch nicht. Zu den Figuren wahrt er meist Distanz, sie sind nicht individualisiert, sondern bloss als Bäuerin, als Hirte, als Bootsmann erkennbar. Douzettes Realismus war nicht sozialer, sondern ästhetischer Art. Er zeigt eine Naturwelt, beschäftigt sich mit Farbeffekten von schattigen Wäldern oder weitem Himmel. Dabei wird seine Malweise zunehmend freier (Bild ganz oben). Der Pinselstrich macht den Prozess des Malens erkennbar. Schliesslich wird das Farbenspiel dominant: die fahlen Töne der Sandstrände und Dünen, die Spiele des Lichts im Wasser, die Schatten unter den Strandkiefern, das vom Wind gewellte Gras der Wiesen.
Louis Douzette ist ein Maler von regionaler Bedeutung geblieben, obschon einzelne seiner späten Bilder sich neben den Landschaften eines Camille Corot oder Gustave Courbet keineswegs verstecken müssen. Dass er dauernd mit dem sechzig Jahre älteren Caspar David Friedrich verglichen wird, ist von der Motivik seiner frühen Bilder her naheliegend. Auch der Vergleich der späten Arbeiten mit dem Impressionismus leuchtet ein. Doch mit solchen Referenzen macht man Douzette zu einem Maler, der den Entwicklungen der Kunst stets ein halbes Jahrhundert hinterherhinkt. Damit würde man ihm nicht gerecht. Douzette ist, obschon er auch gereist ist, der Maler seiner Herkunftsregion geblieben. Er ist vielleicht deshalb in seiner Wirkung eingeschränkt. Zumindest das Spätwerk hat das Zeug für eine grössere Resonanz. Douzettes Qualität zeigt sich in seiner Offenheit für neue Einflüsse, die ihm eine Entwicklung zum wirklichen Künstler ermöglicht hat.
Vineta Museum Barth: Louis Douzette
bis 25. September 2025
Fotos: J21/UM