22 solcher Begegnungen hat er niedergeschrieben. *) Der Teufel zeigt sich verkörpert in Menschen, genauer in dem, was sie tun oder unterlassen zu tun. Viele dieser Begegnungen finden in der Sprechstunde des Neurologen statt, andere ereigneten sich in den Spitälern, wo der Arzt sein Handwerk lernte.
Gutachten, die nach Unfällen erstellt werden müssen, um die Versicherungen zum Zahlen zu bringen, locken den Teufel hervor. Es geht dabei meist um grössere Summen Geld. Der Teufel macht sich angesichts dieser Tatsache auf allen Seiten bemerkbar: bei Geschädigten, die von dazu bestellten Vertrauensärzten und Juristen zurückgewiesen werden, aber auch bei Unversehrten, die ihre Versicherung melken wollen.
Menschen, die sich nicht wehren können
Es gibt auch geradezu unerklärliche Fälle von Nachlässigkeit, von Ignoranz, von gedankenloser Routine, die Menschenopfer fordern. Manche der Opfer sind noch zu retten, andere unrettbar verloren.
Der Arzt begegnet dem Leibhaftigen auch in der Form von Machtausübung über Mitmenschen und Untergebene, die sich nicht wehren können. Der Reiz einer jeden seiner Erinnerungen liegt in der glasklar umrissenen Eigenart eines jeden Falls. Es geht um konkrete, reale Menschen in einer Gegenwärtigkeit, die der Arzt packend zu schildern versteht – und der Teufel sitzt drin.
Es gibt ihn wirklich, wie im Lauf des Buches, Fall auf Fall, immer deutlicher wird. Wenn es ihn wirklich gibt – gibt es auch sein Gegenteil? Gott begegnet der Arzt nicht. Aber immerhin einem Heiligen, der in einer Hölle wirkt, unversehrt und unversehrbar.
Das uns allen Gemeinsame
Gegen Ende des Buches ziehen sich die Fäden zusammen. Das ist der Grund, weshalb der Verfasser empfiehlt, seine Geschichten in ihrer Reihenfolge zu lesen. Ein Horizont tut sich auf, der vom Einzelfall auf das gemeinsame Schicksal übergeht. Wie genau, muss man nachlesen, der Überraschungseffekt ist wesentlich, daher keine Vorausnahmen. Hier bloss eine Andeutung: ein Titel gegen Ende des Bändchens spricht vom Untergang des Weissen Mannes. Damit ist der Übergang markiert von Einzelnen ins Allgemeine, genauer: in das uns allen Gemeinsame.
Und nachdem der erzählende Teil des Buches abgeschlossen ist, gibt es noch einen „Fakten Check“. Der erhärtet neben dem Einzelnen auch das Allgemeine, was uns alle sehr dringend angeht und auch des Teufels ist. Das, was wir verdrängen, nicht wahrhaben wollen, weil wir nicht handeln wollen, weil handeln so unbequem wäre und ausserdem nur funktioniert, wenn wir uns alle weltweit gemeinsam dazu entschliessen könnten. Es ist das, was wir noch immer verharmlosend als den „Klimawandel“ ansprechen.
*) Lukas Fierz: Begegnungen mit dem Leibhaftigen, Reportagen aus der heilen Schweiz, Verlag tredition Gmbh, Hamburg 2016