Wie selbstverständlich steht er da, vom chaotischen Pariser Verkehr umkreist, auf dem weiten Platz der Concorde: der Obelisk - auf der majestätischen Achse zwischen Louvre und Triumphbogen, am unteren Ende der Champs-Elysées.
Er blickt von weitem auf die streng überwachte amerikanische Botschaft, grüsst die Madeleine im Norden und die Französische Nationalversammlung am anderen Ufer der Seine im Süden.
Ein Geschenk
Dieser mit Abstand älteste Stein im gigantischen Pariser Häusermeer - er stammt aus dem 13. vorchristlichen Jahrhundert - erweckt beim ersten Hinsehen den Eindruck, als sei er gleichzeitig mit den zwei umliegenden, monumentalen Gebäuden, in denen unter anderem das Hotel Crillon und der Internationale Automobilverband FIA untergebracht sind und gleichzeitig mit dem gesamten, geschichtsträchtigen Platz errichtet worden.
Doch mitnichten. Dieses 23 Meter hohe und 230 Tonnen schwere Geschenk von Mehmed Ali, dem Statthalter des osmanischen Reiches in Ägypten, war erst im Jahr 1836 auf dem Platz der Concorde aufgestellt worden, 6 Jahre nach Beginn einer Expedition und abenteuerlichen Reise von Paris nach Luxor und zurück. Der Obelisk war ein Geschenk als Dank und Anerkennung für die Arbeit französischer Experten und Wissenschaftler im Reich der Pharaonen, die es mit dem, Ende des 18. Jahrhunderts ausgebrochenen Ägypten-Booms nach Napoleons Feldzug an die Ufer des Nils gezogen hatte. Unter anderem hatte etwa Jean-Francois Champollion 1822 als erster die Hieroglyphen entschlüsselt.
Fast 3 Jahre unterwegs
Das französische Marinemuseum hat jetzt in einer Ausstellung erstmals die Geschichte dieses aussergewöhnlichen Transports in allen Details nachgezeichnet. Zeitgenössische Skizzen, reihenweise Originalpläne, Gemälde und zahlreiche Dokumente vermitteln einer Eindruck von der schier unglaublichen, fast drei Jahre dauernden Odysee und technologischen Glanzleistung, die darin bestand, den mächtigen Monolithen vom Oberlauf des Nils, 750 Kilometer von der Mittelmeerküste entfernt, ans Seine-Ufer nach Paris zu bringen - fast ausschliesslich mit menschlichen Kräften.
Vorbereitungen
„Man musste ein Team von über 100 Leuten zusammenstellen, Facharbeiter und Matrosen“, erzählt Alain Niederlinder, der Kurator der Ausstellung. „Dann wurde in Toulon ein eigenes Schiff gebaut – man hat es Luxor genannt – mit einem flachen Rumpf, mit Masten, die man umlegen konnte und allen möglichen anderen Besonderheiten. Einiges von dem, was man sich vorgenommen hatte, konnte jedoch nicht umgesetzt werden. Das extra gebaute Schiff sollte sowohl auf dem Atlantik, als auch im Mittelmeer, auf dem Nil und auf der Seine segeln können. Doch das war unmöglich und führte dazu, dass die französische Expedition sofort bei der Ankunft in Alexandria für den künftigen Rückweg nach Paris die Hilfe des ersten Raddampfers der französischen Marine angefordert hatte, weil sie merkte, dass sie sonst nie wieder wegkommen würde.
Vor Ort
Bis zur Rückreise sollten aber noch fast zwei Jahre vergehen. Mit Tonnen von Lebensmitteln, Werkzeug, Seilwinden, Flaschenzügen und Holz an Bord der Luxor, erreichte die Expedition Mitte August 1831, viereinhalb Monate, nachdem sie im Mittelmeerhafen Toulon in See gestochen war, den Zielort. Den Obelisken vor der Tempelanlage von Ramses II fanden die 121 Besatzungsmitglieder 400 Meter vom Nilufer entfernt vor, vier Meter tief im Sand eingegraben. Eine Holzgleitbahn musste gebaut, ein Lager mit Mühle, Backofen, Gemüsegarten und Krankenstation angelegt, tausende Kubikmeter Sand beseitigt und am Ende der Rumpf vom Bug getrennt werden, um das Monument laden zu können. Dafür brauchte man rund vier Monate. Dann galt es aber erst mal für das schwer beladene Schiff auf das nächste Nilhochwasser zu warten und das kam erst 7 Monate später. Trotzdem sass man bei der Fahrt flussabwärts immer wieder mal fest, am Ende noch drei Monate auf einer Sandbank an der Mündung des Nils, bevor man im Januar 1833, von Durchfall und anderen Krankheiten geschwächt, endlich den Hafen von Alexandria erreichte. Dort wartete der Raddampfer der französischen Marine auf die Luxor, um sie durch Mittelmeer und Atlantik bis zur Seine-Mündung nach Le Havre zu schleppen.
Zurück in Paris
Zu Weihnachten 1833, 2 Jahre und 9 Monate nach Beginn der Expedition, war das gute Stück endlich in der französischen Hauptstadt, wo dann unmittelbar langwierige Diskussionen darüber einsetzten, an welcher Stelle in Paris der Obelisk denn zu errichten sei.
Louis-Philippe, der so genannte Bürgerkönig, hatte von Anfang an an die Concorde gedacht. Es war gewissermassen der Versuch, ein wenig die Erinnerung daran auszulöschen, dass dieser Platz 40 Jahre früher noch der Platz der revolutionären Hinrichtungen war und dort auch die Köpfe der Könige gerollt sind. Ein 33 Jahrhunderte altes, ägyptisches Monument schien ihm für eine solche Befriedung der Geister perfekt geeignet zu sein.
Jour de Gloire
Erst knapp drei 3 Jahre nach Ankunft des exotischen Grossobjektes am rechten Pariser Ufer der Seine war es dann endlich so weit. Mehr als 300 Männer drehten am 25. Oktober 1836 an zehn Radwinden und brachten nach dreistündiger Arbeit gegen 14h30 den Obelisken in die Vertikale. „Man hatte den Obelisken schon auf eine Rampe geschafft, die 9 Meter hoch war“ erzählt der Kurator der Ausstellung. „Es gab auch ein Orchester mit hundert Musikern, das vor dem Marinehotel am Platz der Concorde die Arie „O Isis und Osiris“ spielte, während die Menschenmenge langsam den Platz füllte. Das war ein echtes Riesenereignis, seit Jahren schon hatte man in Paris darüber gesprochen und jeder wollte das sehen. Es war ein Wochentag, ein Dienstag und trotzdem kamen 200‘000 Menschen.“
Ganz nebenbei erfährt man in der Ausstellung auch noch, woran wohl kaum ein Pariser beim Vorbeifahren im Auto denkt, nämlich was die Inschriften auf dem Obelisken aus Luxor zu bedeuten haben. Ramses II selbst war höchstwahrscheinlich der Auftraggeber für diesen Monolithen gewesen, und die Hieroglyphen sagen im Groben, so die Experten, dass es sich bei den Inschriften um eine Mischung aus einer Hommage an den Gott Amun und einer Lobpreisung der Herrschaft von Ramses II handelt.
Zurückgegeben
Eigentlich hatten die ägyptischen Machthaber Frankreich zu Beginn des 19. Jahrhunderts ja noch einen zweiten Obelisken geschenkt – abgeholt worden ist der allerdings nie. Erst 1981 hat ihn Präsident Mitterrand – ein grosser Verehrer des Landes – offiziell wieder an Ägypten zurückgegeben.