Nach den Niederlanden, Belgien Luxemburg soll Portugal als viertes EU-Land die aktive medizinische Sterbehilfe für unheilbar kranke Patienten mit unerträglichen Leiden erlauben. So will jedenfalls es die Mehrheit der 230 Abgeordneten des Parlaments, das in der letzten Woche fünf einschlägige Gesetzesentwürfe grundsätzlich billigte. Das deutsche Verfassungsgericht hat am Mittwoch durch einen Grundsatzentscheid ebenfalls den Weg zu einer gesetzlichen Sterbehilfe-Regelung geöffnet.
Keine eindeutige Links-Rechts-Front
Mit 128 Stimmen fand der Entwurf des in Minderheit regierenden Partido Socialista (PS) den grössten Rückhalt, aber auch die anderen vier Entwürfe – drei von linken Parteien, einer von der bürgerlichen Liberalen Initiative (IL) - sind nun Gegenstand der Detailberatungen im zuständigen Ausschuss. Im günstigsten Fall könnte das Parlament bis zur Sommerpause über einen endgültigen Gesetzesentwurf zu entscheiden haben.
In der Abstimmung gab es ausnahmsweise keine absolut eindeutige Front zwischen Links und Rechts. Einige sozialistische Abgeordnete stimmten gegen die legale Sterbehilfe oder enthielten sich. Umgekehrt scherten einige Vertreter des bürgerlichen Partido Social Democrata (PSD), die grösste Partei der Opposition, aus dem Nein-Lager aus. Gegen die straffreie «eutanásia» votierten geschlossen rechts der konservative Partido Popular (CDS-PP) und links die Kommunisten (PCP).
Wie entscheidet der Staatspräsident?
Noch am Sonntag vor der Abstimmung hatten Bischöfe und Pfarrer in Gottesdiensten eindringlich vor der Legalisierung des Todes auf Verlangen gewarnt – vergeblich. Erst nach der Abstimmung berichtete eine Zeitung über ein Problem, das die Initiatoren der Gesetzesentwürfe offenbar gar nicht bedacht hatten. Aus der Versicherungsbranche kamen Klagen über eine Unklarheit bezüglich der Frage, ob nach mit ärztlicher Hilfe herbeigeführten Tod auch Lebensversicherungen der Patienten fällig würden. Als Todesursache sollen deren Erkrankungen gelten und nicht die tödlichen Spritzen oder Pillen, liess eine sozialistische Abgeordnete mittlerweile wissen. Und sie räumte ein, dass noch einige Feinarbeit zu leisten sei.
Ein endgültiger Gesetzesentwurf bedarf der Unterschrift von Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa, der aus dem bürgerlichen Lager stammt. Gegner der Sterbehilfe hoffen, dass er sich quer stellt. Er könnte ein politisches Veto einlegen, dieses kann das Parlament aber seinerseits überstimmen. Er könnte das Gesetz aber auch vor der Unterzeichnung vom Verfassungsgericht prüfen lassen.
Für den recht populären Präsidenten wäre das womöglich die bequemste Lösung, um sich selbst aus der Affäre zu ziehen. Im Januar 2021 müssen die Portugiesen nämlich wieder an die Urnen, um ihren Präsidenten (oder eine Präsidentin) zu wählen. Obwohl «Marcelo» - er ist unter seinem Vornamen bekannt – noch nicht bekannt gegeben hat, ob er für eine zweite Amtszeit von fünf Jahren kandidiert, besteht kaum ein Zweifel daran, dass er dies tut. Laut Umfragen wäre ihm eine überwältigende Mehrheit sicher. Im Vorfeld dieser Wahl über das Reizthema der Sterbehilfe zu entscheiden, könnte rechts oder links aber Stimmen kosten und dem Sieg etwas Glanz nehmen.
Mögliches Volksreferendum
Die Gegner der Sterbehilfe im konservativen und katholischen Lager fordern die Abhaltung eines Referendums. In der letzten Woche hatten sich für eine entsprechende Petition schon mehr als 40 000 Unterzeichner gefunden. Wird die Marke von 60 000 erreicht, so muss sich das Parlament mit dem Thema befassen, obwohl die Anberaumung eines Referendums dann immer noch nicht zwangsläufig ist.