Schon vor Jahren warnte der ehemalige Preisüberwacher Rudolf Strahm davor, dass die «Schlaumeier-Lösung» Versicherungs-Mäntelchen Ärger geben werde. Nun ist er da, und für viele Schweizer Finanzdienstleister war das mal wieder völlig «unvorhersehbar». Denn ihre Schlaumeierei war und ist ziemlich durchsichtig.
Die Ausgangslage
Kunde Stefan Steuerfrei möchte zwei Dinge. Keine oder möglichst wenig Steuern auf sein Vermögen und Erträge zahlen und keine zu komplizierten Konstrukte wie eine Panama S.A., eine Aktiengesellschaft nach panamesischem Recht, oder eine Holding oder einen Trust dafür hinstellen.
Das wäre ihm zu aufwendig, zu kompliziert, zu unsicher, da er Angst davor hat, dass ihn seine Rolle beziehungsweise sein Verschwinden als «beneficial owner», also als Besitzer und Nutzniesser, ihn in die Hand von Vermögensverwaltern und Treuhändern gibt. Sollten die ihn plötzlich nicht mehr kennen, würde er sich ja ins eigene Fleisch schneiden, unternähme er juristische Schritte gegen sie. Lieber was Sicheres wie eine Versicherung.
Der Trick
Da hätten wir etwas, sagen Schweizer Banken und Versicherungskonzerne schon seit Jahren. Da der Name Insurance-Wrapper, Versicherungs-Mantel, ein Geschmäckle bekommen hat, änderten sie natürlich nicht das Geschäftsmodell, sondern nur den Namen. Seither heisst das «Private Placement Life Insurance» (PPLI).
Die Idee ist einfach: Stefan Steuerfrei bringt sein bisheriges Anlagedepot in ein Versicherungs-Konstrukt ein. Unschlagbarer Vorteil: Kontoinhaber bei der depotführenden Bank ist die Versicherungsgesellschaft, der Name des Kunden verschwindet. Keine Gefahr bei Datenklau, keine Gefahr bei der immer mehr um sich greifenden freiwilligen Auslieferung von Kundennamen.
Das Volumen
Der grosse Schweizer Versicherungskonzern Swiss Life macht gerade Schlagzeilen, weil er einen Käufer für seinen Geschäftszweig mit vermögenden US-Kunden sucht. Das hat sicherlich nichts damit zu tun, dass Swiss Life einer der grossen Player im Geschäft mit Versicherungsmänteln ist. In Liechtenstein verwaltete er in diesem Konstrukt im Jahre 2005 lediglich 143 Millionen Euro. 2011 waren es bereits 9 Milliarden.
Das könnte natürlich Ausdruck eines zunehmenden Bedürfnisses nach Lebensversicherungen in unsicheren Zeiten sein. Andererseits fallen in Liechtenstein, im Gegensatz zur Schweiz, keine Verrechnungssteuern an, was aber auch reiner Zufall bei der Wahl des Aufbewahrungsorts sein kann.
Krake FATCA
Nun tritt aber Anfang 2014 aller Wahrscheinlichkeit nach das US-Schnüffelmonster FATCA in Kraft. Entsprechende Vereinbarungen wurden vom Schweizer Bundesrat in seinem vorauseilenden Gehorsam bereits unterzeichnet.
Swiss Life verwaltet weltweit in der Sparte Versicherungsgeschäft International 18 Milliarden Franken Vermögen, zum grössten Teil in solchen Mäntelchen. Das ist einerseits ein Klacks im Vergleich zur Gesamtverwaltung von 130 Milliarden Franken. Andererseits fällt bei solchen Konstrukten natürlich eine hübsche Latte von Gebühren, Kommissionen und Abgaben an. Zudem protestiert der Kunde eher selten, wenn er nur eine mehr als klägliche Rendite erhält.
Immer bis zum Ende
Genau wie beim Trauerspiel um zu Unrecht einbehaltene Retrozessionen, also Verkaufsprämien, bei denen auch zwei Bundesgerichtsurteile die meisten Banken nicht dazu motivieren, einbehaltene Vergütungen dem Kunden herauszurücken, ist schon seit Jahren bekannt, dass das Geschäft mit Versicherungs-Mäntelchen kräftig Ärger geben wird. Und im Gegensatz zu Retrozessionen ist der Gegner der Banken nicht der normalerweise hilflose einzelne Kunde, sondern die grösste Militärmacht der Welt, die Herrin des Dollar, die Wirtschaftsmacht USA.
Dass die bei Steuerfragen echt fuchsig wird, ist ja nicht erst seit gestern bekannt. Dass diese Macht rechtsimperialistisch auch die grösste Schweizer Bank in die Knie zwingt, ist auch nichts Neues. Dass da noch Multimilliarden-Bussen auf den Schweizer Finanzplatz zukommen, auch nicht.
Keine Vorsorge
Sind das alles Gründe, Versicherungs-Mäntel nicht mehr anzubieten? In der realen Welt eigentlich schon. Aber doch nicht in der Finanzwelt. Da verlangt man höchstens, ganz im Sinne der sogenannten «Weissgeldstrategie», dass Stefan Steuerfrei ein Papier unterschreibt, dass er nur ordentlich versteuerte Gelder in dieses Mäntelchen einzahlt. Sollte ihm selbst das zu blöd sein, kann er natürlich auch einen Unabhängigen Vermögensverwalter oder Treuhänder dazwischenschalten, der das gegen Gebühr für ihn übernimmt.
Aber wie auch immer, das dürfte den USA herzlich egal sein, denn sie verfolgen ja ungeniert auch Beihilfe zu Steuerhinterziehung. Und da nützt das mit treuem Augenaufschlag vorgebrachte Argument: «Aber Stefan Steuerfrei hat uns angelogen» überhaupt nichts. Genauso wenig wie das Argument: «Wir haben nicht gewusst, dass dieses Geld nicht versteuert war.» In beiden Fällen gilt: Gier und Dummheit wird bestraft.