FATCA erblickte als Wurmfortsatz des «Hiring Incentives to Restore Employment Act» am 18. März 2010 das Licht der Welt. Wer das damals überhaupt zur Kenntnis nahm, mag gedacht haben, dass es doch schön sei, dass die Amerikaner etwas gegen die Arbeitslosigkeit unternehmen wollen. In Wirklichkeit wurde hier eine Kontrollkrake geboren, ein Schnüffelmonster mit scharfen Klauen, dem sich alle Banken weltweit unterwerfen müssen. Alleine die Umsetzung der mit dem Kotau verbundenen Gesten kostet Milliarden. Kostet selbst die kleinste Schweizer Regionalbank Hunderttausende, grössere Banken Millionen Franken. Eine Erfindung von Orwell? Keineswegs, düstere Realität.
Was ist FATCA?
Die amerikanische Steuerbehörde IRS verfolgt weltweit alle, die US-Bürger, Doppelbürger, Besitzer einer Green Card (Niederlassungsbewilligung) sind oder jemals in den USA gearbeitet haben. Als neuste und schärfste Waffe in dieser Jagd dient FATCA. Die Strategie dahinter ist simpel. Die USA sind nach wie vor der wichtigste Finanzmarkt der Welt, der Dollar immer noch Leitwährung. FATCA beinhaltet, dass auf jedem Gewinn bei Kauf oder Verkauf von US-Wertschriften, auf Dividenden oder Zinsen eine Quellensteuer von 30 Prozent einbehalten und an den IRS abgeliefert werden muss. Falls der ausführende Finanzdienstleister, unabhängig davon, ob er das für sich selbst oder für einen Kunden tut, sich nicht «freiwillig» entschlossen hat, seine Geschäftstätigkeit FATCA zu unterstellen. Das gilt auch für die Transaktionen zwischen zwei Banken ausserhalb der USA, wenn eine der beiden nicht FATCA unterstellt ist. Das gilt auch für Beziehungen mit Kunden, die US-Steuerpflichtige sind, weltweit. Auch die müssen sich damit einverstanden erklären, dass die Bank ihre Daten an den IRS weitergibt.
Prinzip Virus
Das Teuflische an FATCA ist, dass es selbstverständlich ausserhalb der USA allen Finanzdienstleistern und Kunden freigestellt ist, sich diesem Gesetz zu unterwerfen. Nur: Welche Bank möchte schon gern einen Kunden, der nicht mit der Auslieferung seiner Daten einverstanden ist? Welche Bank möchte schon ihre Konkurrenzfähigkeit durch die Ablieferung von 30 Prozent Quellensteuer kaputt machen? Welcher Finanzdienstleister möchte schon mit einem anderen geschäften, der nicht bei FATCA mitmacht? Die fallen schnell aus dem sogenannten Interbanking-Geschäft, wo sich Banken gegenseitig kurzfristig Geld leihen. Und haben als Aussätzige, die nicht vom Virus infiziert sind, bald einmal Liquiditätsprobleme. Zudem müssen FATCA-Banken bei Geschäften mit solchen Ungehorsamen Steuerbüttel für die USA spielen, die 30 Prozent einbehalten und dem IRS abliefern. Alles Gründe, sich bei der Alternative "Schluck es, zahl es – oder geh zum Teufel" für die erste Variante zu entscheiden. Völlig freiwillig, ohne Zwang, einfach so als nette Geste Richtung Weltmacht USA.
It’s the law
Damit in den USA bei Bedarf auch Haftbefehle ausgestellt werden können, muss jeder Chefjurist eines Finanzdienstleisters mit seiner Unterschrift bestätigen, dass seine Bank alle Bestimmungen von FATCA erfüllt. Dabei handelt es sich, die Amis sind Formalisten, um mehrere hundert Seiten umfassende Gebrauchsanweisungen und Ausführungsbestimmungen, die periodisch ergänzt und erweitert werden. Erst im Sommer 2012 soll eine erste Endfassung des Gesetzes vorliegen, im Sommer 2013 geht’s dann richtig los. Da ja kein Jurist gerne eine Unterschrift leistet, bevor er weiss, wofür er sich damit behaften lässt, arbeiten weltweit viele Bankmitarbeiter fieberhaft daran, das Gesetz zu verstehen und seine Auswirkungen in den Geschäftsalltag zu integrieren. Dadurch entstehen alleine in der Schweiz Kosten in Multimillionenhöhe, wie die Wirtschaftssendung «Eco» letzte Woche berichtete. Aber «it’s the law», und wenn der Weltpolizist USA das sagt, duckt man sich lieber, bevor er die Navy Seals oder eine andere Killertruppe auf den Weg schickt.
Die wahren Gründe
Offiziell geht es den USA darum, an die angeblich 6 Millionen Steuerpflichtigen im Ausland heranzukommen, die keine Steuererklärung abgeben. Die zu erjagen, kostet den internationalen Finanzsektor mit der Umsetzung von FATCA zwar Milliarden. Aber so viel muss doch die Durchsetzung von Recht und Ordnung wert sein. Doch in Wirklichkeit geht es den USA natürlich um etwas ganz anderes: Ihre finanziellen Partikularinteressen weltweit durchzusetzen, unter völliger Missachtung allfälliger lokaler Gesetze. Denn die USA sind zwar noch militärische Weltmacht, aber finanziell und ökonomisch schwer auf dem absteigenden Ast. Also machen sie das, was untergehende Imperien gegen ihr Ende hin immer machen: Mit dem Knüppel winken und Tribute einfordern. Und das Ganze für Dummköpfe in wohlgesalbte Worte von Steuergerechtigkeit, Rechtsstaatlichkeit und den guten alten Satz einzukleiden: Wieso wollt ihr da nicht mitmachen, habt ihr etwa was zu verbergen? Auch hier lässt der Schweizer Staat seinen Finanzplatz schmählich im Stich. Oder hat man vom Bundesrat jemals ein Wort über FATCA gehört?
Blick in die Zukunft
Stellen wir uns vor, die Kreissparkasse Niederhugelshofen hat für mehrere hunderttausend Franken die Verordnungen von FATCA implantiert, wie man so schön sagt. Der verantwortliche Compliance Officer, lic. jur. Philipp Mörgeli, hat das mit seiner Unterschrift der IRS bestätigt. Und stellen wir uns vor, wie eines Morgens Mörgeli in seinen zitternden Händen ein Papier hält, auf dem eine Anklage gegen ihn persönlich und auch gleich gegen die Kreissparkasse steht, wegen Verstössen gegen FATCA, insbesondere Absatz 7.3.4 und folgende, sowie gegen die Ausführungszusatzbestimmungen 12/C/97, Seiten 415 bis 521, gerade vom Fedex-Boten überreicht. Das persönliche Erscheinen in zehn Tagen vor dem Obergericht in New York wird angeordnet. Während Mörgeli der Angstschweiss über die Stirne rinnt, malt er sich bereits die Zustände in einem normalen US-Knast aus. Und wünscht sich inständig, dass er aus diesem Alptraum erwachen möge. Aber so sehr er sich auch in den Arm kneift, es ist keiner.