
Noch haben Amerikas Demokraten nach ihrer krachenden Wahlniederlage bei der Präsidentenwahl ‘24 nicht zu einer wirksamen Opposition gegen Donald Trump gefunden. Die Partei zeigt sich nach wie vor uneinsichtig und zerstritten, während sie, vor allem unter Jungen und Minderheiten, auffällig an Beliebtheit einbüsst.
Ben Rhodes, stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater unter Präsident Barack Obama, nimmt in einem aktuellen Meinungsbeitrag für die «New York Times» kein Blatt vor den Mund: «Der reichste Mann der Welt macht Teile der Regierung kaputt. Ein ehemaliger Wochenend-Moderator von Fox-News leitet das Pentagon. Es besteht das Potenzial für Korruption in grossem Ausmass. Die globale Ordnung ist dabei, sich aufzulösen. Verbündete werden gedemütigt und Diktatoren umarmt. Drohungen mit territorialer Ausdehnung werden so lange wiederholt, bis sie nicht mehr lustig oder phantasievoll sind. Alles fühlt sich extrem an. Und doch gibt es keine Massenproteste, keine Gegenwehr von Unternehmen oder aus der Kultur, kein Tageslicht zwischen den Republikanern und nur einen schwachen Impuls von den Demokraten.»
Kein Zufall wohl, dass sich der Autor die Kritik an den Demokraten für den Schluss der Kolumne aufspart. Denn mehr als zwei Monate nach Donald Trumps Amtsantritt erscheint die demokratische Partei grossenteils wie gelähmt und orientierungslos. Denn Pressekonferenzen vor geschlossenen Ministerien, bemüht originelle Auftritte Einzelner in den sozialen Medien oder das Hochhalten von Schildern wie «FALSCH» oder «MUSK STIEHLT» während der Rede des Präsidenten zur Lage der Nation genügen nicht, um in der Bevölkerung den Eindruck zu erwecken, dass da ein mutiger Widerstand gegen die autoritäre Politik des Weissen Hauses erwächst.
Passive Parteigranden
Und schon gar nicht trägt die weitgehende Passivität der Parteigranden dazu bei, verlorenes Vertrauen der demokratischen Basis zu gewinnen. Deren Warnungen vor der Wahl, Joe Biden sei mit 81 Jahren zu alt, um noch einmal Präsident zu werden, waren ungehört geblieben. «Die harte Wahrheit ist, dass die Demokratische Partei in ihrer derzeitigen Form nicht in der Lage ist, die erforderliche Opposition anzuführen», diagnostiziert Ben Rhodes. «Angesichts des unerbittlichen Angriffs von Donald Trump hat die Partei den Kontakt zu einer Wählerschaft verloren, die sie als Sinnbild für das sieht, was sie an der Politik hasst: eine polarisierte Kultur, Auslandsverpflichtungen und eine Wirtschaft, in der es sich nicht so anfühlt, als reiche es, zur Mittelschicht zu gehören, um über die Runden zu kommen.»
Noch aber sind die Bedenken der demokratischen Wählerschaft an der Parteispitze nicht angekommen. «Wer immer sagt, wir bräuchten einen frischen Start mit einer neuen Botschaft liegt falsch», sagte vor wenigen Wochen Ken Martin nach seiner Wahl zum neuen Vorsitzenden des Democratic National Council: «Wir haben die richtige Botschaft.» Auch sein Vorgänger Jaime Harrison hatte zuvor wenig Einsehen gezeigt, als er über ein Treffen mit Parteispendern berichtete, die Zweifel an der Kandidatur von Kamala Harris geäussert hatten: «Bei allem Respekt, Ihr seid sind nicht einmal würdig, um ihr die Schuhe zu binden.»
Nicht kämpfen, nur gewinnen
Solches Denken sieht sich bestätigt durch James Carville, den 80-jährigen früheren Berater von Präsident Bill Clinton: «Ohne einen klaren Anführer, der unserer Opposition eine Stimme geben kann und ohne Kontrolle eines einzelnen Regierungszweigs ist es für die Demokraten an der Zeit, sich auf eines der gewagtesten politischen Manöver in der Geschichte unserer Partei einzulassen: Dreht euch um und stellt euch tot!»
Carville begründet seinen Rat mit der historischen Erfahrung, wonach es der republikanischen Partei zwar allzu häufig gelinge, gute Wahlkämpfe zu führen und Wahlen zu gewinnen, danach aber schlecht zu regieren: «Lasst sie unter ihrem eigenen Gewicht zusammenbrechen und sorgt dafür, dass das amerikanische Volk uns vermisst.» Niemand werde sich darum kümmern, sagt der Politstratege, wie hart die Demokraten im März 2025 gekämpft hätten: «Es geht darum, wie wir 2026 (die Zwischenwahlen) gewinnen.»
Präsidenten schweigen
James Carvilles Rat scheinen auch drei frühere demokratische Präsidenten zu beherzigen. Weder Trumps Vorgänger Joe Biden noch Barack Obama oder Bill Clinton haben sich bisher zu Wort gemeldet, was die global Aufsehen erregende und national Wut auslösende Innen- und Aussenpolitik des Weissen Hauses betrifft. Es ist, meint Politologe Larry Sabato von der University of Virginia, als wollten vor allem Clinton und Obama ihre Hände in Unschuld waschen – unter Umständen aus Angst, selbst ins Visier Trumps und seiner MAGA-Angriffsmaschinerie zu geraten.
Barack Obama mit seinen über 130 Millionen Followern hat sich seit dem 20. Januar via X über alles Mögliche geäussert, nur nicht über den jetzigen Amtsinhaber im Weissen Haus. Auch Joe Biden, von Donald Trump wiederholt öffentlich beleidigt, hat bisher geschwiegen und auf X unter anderem ein Bild seiner geliebten Amtrak-Bahn gepostet. Nur Hillary Clinton reagierte sarkastisch auf die Meldung, wonach es aus den USA keine Cyber-Attacken gegen Russland mehr geben solle: «Wollten wohl Putins Gefühle nicht verletzen.»
Wachsender Unmut der Basis
Anders sehen das einzelne demokratische Volksvertreter, die überzeugt sind, dass passiver Widerstand gegen Donald Trump nicht genügt: «Jeder, der nur sagt, ‘Die Botschaft stimmt, wir haben sie nur nicht rübergebracht’, ist äusserst naiv, was unsere Probleme betrifft», meint etwa der demokratische Abgeordnete Seth Moulton (Massachusetts): «Es ist einfach eine Ausrede, um nichts tun zu müssen und den Status quo aufrecht zu erhalten. Viel Glück mit dieser Taktik!» Auch Senator Chris Murphy (Connecticut) ist überzeugt, dass es nicht genügt, nur zynisch oder apathisch zuzuwarten: «Die Vorstellung, dass wir uns zurücklehnen und sie (die Republikaner) kollabieren lassen sollten, ist lächerlich. Sie werden ihr Projekt als etwas Legitimes definieren, wenn wir sie nicht als korrupt definieren.»
Auch an Parteiversammlungen der Demokraten äussern Wählerinnen und Wähler zunehmend ihren Unmut über den Kurs der Parteispitze, wie ihn etwa Senator Chuck Schumer (New York) verkörpert. Der langjährige Politiker hat vor kurzem in einem Akt vorauseilenden Einlenkens den Republikanern im Kongress ermöglicht, ein umstrittenes Budget zu verabschieden, das Einsparungen beinhaltet, die es Kritikern zufolge Donald Trump erleichtern werden, Steuersenkungen für Reiche umzusetzen.
Landesweites Malaise
«Sie hassen uns. Sie hassen uns», hat unlängst ein demokratischer Abgeordneter einen Kollegen zitiert, der ihm unter Tränen über seine Erfahrungen anlässlich einer Town Hall berichtete, an der ihn Aktivisten wütend als Donald Trump gegenüber zu wenig hart kritisiert hatten. Derweil wurde eine demokratische Parteiversammlung in Illinois nach 45 Minuten von der Polizei aufgelöst, nachdem pro-palästinensische Teilnehmende die Veranstaltung wiederholt mit heftiger Kritik gegen die Nahost-Politik Joe Bidens gestört hatten.
«Jeder demokratische Amtsinhaber, der glaubt, sich auf seinen Lorbeeren ausruhen zu können und der Wählerschaft nicht beweist, dass er wie ein Löwe kämpft, macht einen Fehler», folgert denn der demokratische Abgeordnete Jared Huffman (Kalifornien). Inzwischen beginnt sich auch an republikanischen Parteiversammlungen teils lauthals Protest zu regen gegen die von Elon Musk selbstherrlich verordnete Auflösung von Ämtern, Institutionen und Ministerien sowie gegen die Einsparung von Sozialleistungen etwa im Gesundheitsbereich oder bei den Armeeveteranen. «Alles, was ich weiss, ist, dass die meisten Leute stinksauer und verängstigt sind und sie dieses Chaos und die unverblümte Korruption von Trump und Musk hassen», sagt der demokratische Abgeordnete Greg Landsman (Ohio).
Sinkende Umfragewerte
Sorgen punkto Zustimmung müssten der demokratischen Parteiführung auch jüngste Umfragewerte bereiten. Einer aktuellen CNN-Befragung zufolge sehen lediglich noch rekordtiefe 29 Prozent aller Amerikanerinnen und Amerikaner die Partei in positivem Licht. Das tun auch nur noch 63 Prozent aller Demokratinnen und Demokraten sowie parteinaher Unabhängiger. Zu Beginn der Amtszeit von Joe Biden 2021 waren es noch 81 Prozent gewesen. Jüngste Befragungen zeigen ferner, dass sechs von zehn demokratischen Wählerinnen und Wählern wollen, dass die Partei aktiver gegen Donald Trump und die Republikaner kämpft. Noch 2017 waren 74 Prozent der Wählerschaft der Meinung gewesen, ihre führenden Politikerinnen und Politiker sollten trotz Trump mit der republikanischen Partei zusammenarbeiten, um «eigene Prioritäten zu fördern». Heute sehen sich moderate Liberale innerhalb der demokratischen Partei zunehmend von kämpferischen Aktivisten bedrängt oder gar verdrängt.
Weiter nicht optimistisch stimmt der Umstand, dass die Demokraten bei der Präsidentenwahl im vergangenen November 20 Prozent weniger junge Wählerinnen und Wähler haben gewinnen können – ein Rekordverlust im Vergleich zu anderen Wählersegmenten; Afroamerikaner (-16 Prozent), Hispanics (-15 Prozent), Leute ohne College-Abschluss (-8 Prozent) und Frauen (-5 Prozent). Auf jeden Fall hat sich die Hoffnung der Partei nicht bewahrheitet, wonach Amerikas demografische Entwicklung ihr nachhaltige Vorteile bescheren würde.
Derweil tut sich auch parteiintern eine Altersschere auf. Die demokratische Fraktion im Senat hat ein Durchschnittsalter von 65 Jahren, jene im Abgeordnetenhaus eines von 58 Jahren. Wobei der Kongress in Washington DC im Vergleich zur Gesamtbevölkerung eh schon deutlich überaltert ist: Parlamentsmitglieder sind im Schnitt 21 Jahre älter als Angehörige der Bevölkerung.
Der Generationengraben
Die demokratische Repräsentantin Alexandria Ocasio-Cortez aus New York, eine der offensten und populärsten Vertreterinnen ihrer Partei, ist 35-jährig. Ihr politischer Stil ist ein anderer als jener ihrer 84-jährigen Parteikollegin Nancy Pelosi oder ihres 74-jährigen Kollegen Chuck Schumer, die beide seit Jahrzehnten scheinbar unverrückbar im Kongress sitzen. Auch ihre Art, mit der Wählerschaft zu kommunizieren, unterscheidet sich deutlich von jener älterer Parteiangehöriger, denen soziale Medien zum Teil völlig fremd sind. Sie habe, klagte jüngst eine junge demokratische Abgeordnete, einem älteren Kollegen erklären müssen, was ein Podcast sei.
Umso lebendiger und kämpferischer als Alterskollegen ist der unabhängige Senator Bernie Sanders (Vermont), der 2016 und 2020 selbst als US-Präsident kandidiert hat. Der 83-Jährige tourt zusammen mit Ocasio-Cortez unter dem Motto «Fighting Oligarchy» durch die Lande und zieht wie kürzlich in North Las Vegas (Nevada) bei seinen Auftritten Tausende an.
Esel gegen Elefant
Noch immer ist es Sanders’ Ziel, das «korrupte» politische System zu entlarven, das von grossen Geldgebern dominiert wird, und «das Volk» aufzufordern, gegen die Mächtigen zu kämpfen. «Wirklichen Wechsel kann es nur geben, wenn gewöhnliche Leute an der Basis gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit aufstehen und zurückschlagen», sagte der Politiker in Sin City: «Ich glaube aus tiefster Überzeugung, dass die Menschen in Amerika nicht wollen, dass eine Handvoll Milliardäre das Land regiert.»
Das Symbol der demokratischen Partei ist der Esel, den Karikaturist Thomas Nast während seiner Tätigkeit für «Harper’s Weekly» zwischen 1862 und 1886 populär gemacht hat. Gegenspieler des Esels in Nasts Zeichnungen ist der republikanische Elefant. Nast, obwohl stolzer Republikaner, verschonte keine der beiden grossen Parteien mit seinem beissenden Witz und zeichnete sowohl den Esel als auch den Elefanten häufig als Biester am Rande des Abgrunds, knapp vor dem Absturz. Seine Karikaturen, welche die amerikanische Politik als wilde, ungezähmte Menagerie zeigen, sind eineinhalb Jahrhunderte später noch immer aktuell. Nur dass derzeit der Elefant den Esel mächtig in den Hintern kickt, ohne dass der dem Elefanten ebenso kräftig auf den Rüssel tritt.