Die Adresse des Museums der Nachrichten und des Journalismus könnte nicht Prestige trächtiger sein: 555 Pennsylvania Avenue, Washingtons Parademeile, mit Blick auf das Kapitol und den National Mall. Die Webseite Tripadvisor zählt das Newseum, happigen Eintrittspreisen zum Trotz, zu den fünf besten Sehenswürdigkeiten der US-Hauptstadt. Hollywood nutzt den architektonisch eigenwilligen Stahlbau mit seiner 17 Meter hohen Glasfassade, dem „Fenster zur Welt“, als Schauplatz für hochkarätige Filmpremieren. Auch Heiraten und Konferenzen finden im Hause statt.
Doch dem 447 Millionen Dollar teuren Privatmuseum geht es nicht besser als dem Journalismus, den es so aufwändig, enthusiastisch und flächendeckend feiert: Das Newseum hat einen Fünftel des Personals entlassen müssen und ächzt heute unter 307 Millionen Dollar Schulden.
Ein neuer CEO, der 54-jährige Jeffrey Herbst, ein als erfolgreicher Geldsammler bekannter Politologe, soll’s nun richten und den Schuldenberg abbauen helfen: „Ich glaube, das Newseum steht im Mittelpunkt einer Reihe von Debatten, die wir derzeit in den USA und weltweit führen, was die Meinungsfreiheit, das Wesen religiöser Freiheit und die Zukunft des Journalismus angesichts technischer Umwälzungen betrifft.“
Eines von 200
Obwohl es jedes Jahr mehr Besucher anzieht und unter Schulkindern sehr beliebt ist, gehört das Newseum, das die unabhängige Stiftung Freedom Forum finanziert, nicht zu den bestbesuchten Destinationen seiner Art in Washington DC. In der amerikanischen Hauptstadt gibt es, grosszügig gezählt, nicht weniger als 200 Museen unterschiedlicher Bedeutung und Herkunft.
Machten 2013 rund 850‘000 Leute an der 555 Pennsylvania Avenue Halt, so haben von der US-Regierung unterstützte, kostenlose Museen jüngst ungleich mehr Eintritte pro Jahr verzeichnet. Das Museum of Natural History zählte acht Millionen Besucher, das Air and Space Museum sieben und die National Gallery of Art vier.
Glorifiziertes Metier
Für einen ausländischen Journalisten ist ein Besuch im siebenstöckigen Newseum, was die Einheimischen ein „guilty pleasure“ nennen: ein leicht anrüchiges Vergnügen. Und ein „ego boost“, eine Egostärkung dazu. Denn zum einen schämt sich einer fast, sein Metier so glorifiziert und heroisch präsentiert sehen, wie das eben nur die Amerikaner können. Mit einer Verneigung vor den Gemeinplätzen Hollywoods, mit vielen Flaggen, hehren Worten und anschwellender Musik.
Der Medienkritiker Jack Shafer nannte das Museum 2008 bei dessen Eröffnung einen „Taj Mahal des Journalismus“, ja sogar ein „vergoldetes Desaster“. Das Newseum, monierte der Autor, reduziere den Journalismus auf „Schock und Ehrfurcht einflössende Rundum-Videoshows, auf Disneyland-ähnliche interaktive Programme und auf Ausstellungsgegenstände, die virtuell zeigen, was direkt erfahren werden kann und soll.“
"Selbstverherrlichung"
Zum andern erinnert das Newseum den Besucher daran, was Medien alles leisten und bewirken können, wenn sie wollen und dürfen. Obwohl solcher Verdienst zum Wohle der Gesellschaft eher die Ausnahme als die Regel ist. So vermischen sich Stolz und Skepsis des Besuchers zu einem seltsamen Gebräu, in dem mal die eine, mal die andere Ingredienz überwiegt. Und doch verlässt er das Gebäude wie früher das Kino nach einem guten Western: mit geschwellter Brust und unerklärlich optimistisch.
Nicht viel anders erging es Alan Rusbridger, dem legendären Ex-Chefredaktor des „Guardian“, 2008 beim Besuch in Washington DC. Er fand das Newseum „ziemlich aufregend“, obwohl etwas zu selbstverliebt: „Es leidet unter Selbstverherrlichung, Wichtigtuerei und Eitelkeit, Züge, die zum Journalismus gehören wie zu jedem anderen Metier oder zu jeder anderen Profession.“
„Great Hall of News“
Das Museum, so der Brite, sei zwar überwiegend Amerika-zentrisch und mitunter auch beliebig: „Falls aber beabsichtigt war, die Leute nachvollziehbar über die Ideale von seriösem Journalismus, den ersten Zusatzartikel zur US-Verfassung (Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit) und die Pressefreiheit im Allgemeinen aufzuklären, dann gelingt das meines Erachtens ziemlich gut.“
Und was, unter anderem, zeigt das Newseum, auf einer Ausstellungsfläche von rund 60‘000 Quadratmetern? Da ist, von den Besitzern der „New York Times“ gesponsert; die „Great Hall of News“ mit einem 30 Meter hohen Bildschirm, über den ständig die letzten Nachrichten flimmern. Rupert Murdochs News Corp. ist die „News History Gallery: The Story of News“ zu verdanken, eine Schau mit Hunderten teils bemerkenswerten, teils banalen Gegenständen und Erinnerungsstücken aus der Geschichte der Presse.
Watergate, 9/11, DDR
So ist etwa die Tür zu sehen, durch welche die fünf Einbrecher am 17. Juni 1972 ins Hauptquartier der Demokratischen Partei im Watergate Hotel in Washington DC eindrangen, um eine Abhöreinrichtung neu zu justieren. Und sich dabei auf frischer Tat ertappen liessen. Die Affäre, von der „Washington Post“ aufgedeckt und unter dem Titel „All the President‘s Men“ verfilmt, sollte am 9. August 1974 zum Rücktritt von Richard Nixon führen.
Eine weitere der insgesamt 15 Galerien zeichnet den Ablauf der Anschläge vom 11. September 2001 nach, inklusive eines verschmorten Sendemasts, der auf einem der über 400 Meter hohen „Twin Towers“ in Manhattan in den Himmel ragte. Im Newseum steht auch, zusammen mit einem Wachtturm aus der DDR, ein längerer Abschnitt der Berliner Mauer: „Eine Barriere, die Informationen nicht stoppen konnte“.
Journalists Memorial
Eine andere Galerie wiederum ist jenen Fotografen gewidmet, die seit 1942 den Pulitzer Preis gewonnen haben, mit 1000 prämierten Aufnahmen, 300 Video- und 400 Audio-Clips. Eine Ausstellung, von Time Warner gesponsert, evaluiert den Stand der Pressefreiheit in 190 Ländern weltweit.
Und da ist schliesslich das „Journalists Memorial“, ein Tribut an all jene Journalistinnen und Journalisten, die in Ausübung ihres Berufes gestorben sind. Auf Glasscheiben, zwei Stockwerke hoch, sind 2‘291 Namen von getöteten Medienvertretern eingraviert. Die Liste der Gefallenen wird jedes Jahr, verbunden mit einer Zeremonie, nachgeführt. Unter den ausgestellten Erinnerungsstücken ist auch der Ausweis eines Korrespondenten des „Wall Street Journal“, den der Besucher im Nahen Osten flüchtig gekannt hat.
Es ist der als „ungültig“ deklarierte amerikanische Pass von Daniel Pearl, den militante Islamisten am 23. Januar 2002 in Karatschi entführten und mutmasslich sechs Tage später enthaupteten. Man hatte sich Ende Februar 1999 anlässlich der Berichterstattung über die iranischen Lokalwahlen in Teheran getroffen – ein harmloser Einsatz im Gegensatz zu Pearls mutigen Recherchen in Pakistan auf den Spuren der Attentäter von 9/11. Daniel Pearls Frau Mariane, eine französische Journalistin, hat über die Entführung und Ermordung ihres Mannes durch al-Qaida ein Buch geschrieben, das verfilmt worden ist. Sein Titel: „A Mighty Heart“.