Auch die Aussenminister Brasiliens, Lettlands, Marokkos, Mexikos, der Niederlande, Polens, der Türkei und Vietnams werden am ersten Konferenztag das Wort ergreifen. Dieser Andrang von Prominenz zeigt, dass der Menschenrechtsrat (MRR) trotz häufiger Kritik weiterhin als nützliches Gremium wahrgenommen wird. In der Tat ist der MRR nach dem Sicherheitsrat und der Generalversammlung das drittwichtigste politische Organ der UNO.
Der Rat besteht aus 47 Staaten, die nach einen geographischen Proporz von der Generalversammlung für jeweils drei Jahre gewählt werden. Die westlichen Mitglieder sind dabei zwangsläufig in der Minderheit, was aber nicht bedeutet, dass sie alle Abstimmungen verlieren. Oft stimmen afrikanische, lateinamerikanische und asiatische Staaten für Anträge des Westens. In den meisten Fragen wird versucht, einen Konsens zu erreichen, denn nur ohne Gegenstimme angenommene Resolutionen haben eine gewisse Durchschlagskraft.
“Der Menschenrechtsrat ist ein Unfug“
Die Kritiker werfen dem MRR vor allem zwei Dinge vor: Dass sich unter seinen Mitgliedern etliche Regierungen befinden, die selber die Menschenrechte grob verletzten, und dass sich der Rat vorwiegend mit den Praktiken Israels in den besetzten Palästinensergebieten beschäftigt. Manche finden es auch unerträglich, dass sich alle UNO-Mitglieder, darunter auch so unfehlbare Demokratien wie die Schweiz, einer periodischen Prüfung ihres Umgangs mit den Menschenrechten stellen müssen. So schrieb die „Basler Zeitung“ Ende Dezember: „Der Menschenrechtsrat ist ein Unfug. Die Schweiz sollte sich mit den anderen westlichen Demokratien zusammentun und dem Treiben ein Ende bereiten. Der Rat gehört abgeschafft.“
Dieser Wunsch wird nicht so bald in Erfüllung gehen. Seit in Washington Barack Obama waltet, legen die USA grössten Wert auf ihre Mitgliedschaft im MRR. Sie haben sogar eine spezielle Botschafterin ernannt. Der Auftritt des deutschen Bundespräsidenten vor dem MRR zeigt, dass auch unser nördlicher Nachbar aktiv bleiben will. Die 13 Sitze der westlichen Gruppe und der Osteuropäern sind stark umkämpft. Die Schweiz eroberte zuletzt einen Sitz auf Kosten des Mitbewerbers Schweden.
Kein Regime liebt es, an den Pranger gestellt zu werden
Die Chancen, im MRR etwas zu bewegen, haben sich dieses Jahr verbessert. Den Vorsitz führt Polen. Russland, China und Kuba, die den harten Kern der Menschenrechtszweifler bildeten, gehören dem Rat nicht mehr an. Sie können sich aber für 2014 um ihre Wiederwahl bemühen.
Die stets aufs Neue erhobene Forderung rechtskonservativer Kreise in den USA und in Israel, den UNO-Menschenrechtsrat abzuschaffen und durch einen Rat der Reinen zu ersetzen, ist realitätsfern. Sie erinnert an den einst vom israelischen Aussenminister und späteren Premier Yitzhak Schamir eingebrachten Vorschlag, eine „UNO der Demokratien“ zu gründen. Die selbsternannten Guten sollten dort über die Bösen richten.
Es ist aber gerade die Universalität der UNO, die es ermöglicht, weltweit Missstände abzuschaffen. Kein Regime liebt es, auf einem internationalen Forum wegen Verletzungen der Menschenrechte an den Pranger gestellt zu werden. Auch wenn es einer Verurteilung entgeht, so schadet schon allein die Wiedergabe der Debatten durch die Medien dem Ansehen und der Kreditwürdigkeit des beschuldigten Landes.
Skandalös versagte der Rat im Bürgerkrieg in Sri Lanka
Man kann durchaus feststellen, dass sich die allgemeine Menschenrechtslage im Laufe der letzten Jahrzehnte verbessert hat, obwohl weiterhin schwarze Löcher bestehen. Skandalös versagte der MRR 2009 in der Schlussphase des Bürgerkriegs in Sri Lanka, als die Regierungstruppen schätzungsweise 40‘000 Zivilisten töteten und an die 300‘000 Tamilen in Lager sperrten. Ein westlicher Resolutionsentwurf wurde von der Ratsmehrheit abgelehnt. Mit Hilfe einer unheiligen Allianz gelang es der Regierung Sri Lankas, sich selber einen Persilschein auszustellen.
Israel hat einen festen Platz auf der Tagesordnung, ist aber bei weitem nicht das einzige Land, mit dem sich der MRR beschäftigt. Erst vergangene Woche lieferte eine vom MRR geschaffene Untersuchungskommission ihren Bericht über die Kriegsverbrechen in Syrien ab. Um die Menschenrechtslage in Nordkorea, Iran und Belarus im Auge zu behalten, wurden trotz des Protests der betroffenen Regierungen Sonderberichterstatter eingesetzt. Bei den Wahlen für Sitze im MRR fielen neben anderen die Kandidaturen Irans, Sudans und Simbabwes durch.
Periodische Prüfung aller Mitglieder
Eine wichtige Neuheit des 2006 anstelle der diskreditierten Menschenrechtskommission geschaffenen MRR ist die periodische Prüfung aller 193 UNO-Mitglieder („Universal Periodic Review“). Bei diesen Hearings legen die Regierungen und die Nicht-Regierungs-Organisationen ihre Berichte vor. Dass dabei auch Vereine wie jene der Schwulen, Lesben und Transsexuellen zu Wort kommen, muss jede Regierung hinnehmen. Eine Expertengruppe erstellt anschliessend eine Zusammenfassung und Empfehlungen.
Nicht einmal die Nordkoreaner haben es gewagt, sich diesem Verfahren zu entziehen. Sie trabten erst kürzlich in Genf an. Einen gefährlichen Präzedenzfall schuf Mitte Januar Israel, indem es die Sitzung boykottierte. Alle Ratsmitglieder einschliesslich der USA missbilligten diesen Schritt, den andere Staaten als Vorwand benutzen könnten, ebenfalls auszuscheren.
Dem polnischen Botschafter Remigiusz Henczel als Ratsvorsitzenden gelang es schliesslich, einen Eklat abzuwenden. Auch die arabischen Hardliner und Pakistan stimmten einem Beschluss zu, die Prüfung Israels auf spätestens Oktober zu verschieben. Bis dahin sollte in Jerusalem eine neue Koalitionsregierung im Amt sein.