Der brutale Überfall auf die Ukraine hat uns erschüttert. Der Ruf nach Aufrüstung der Schweizer Armee ist jedoch nicht die geeignete Antwort. Besser wäre es, den Frieden vorzubereiten. Die Schweiz als Entwicklungspartner der Ukraine hat es versäumt, auf die Brisanz des ukrainisch-russischen Sprachenkonflikts hinzuweisen. Sie hätte die Möglichkeit gehabt, ihre Erfahrung als mehrsprachiges Land auch in der Ukraine fruchtbar zu machen und dadurch friedensfördernd auf die gespannte Lage einzuwirken.
In der Folge des abscheulichen Angriffs Putins und seiner Armee auf die Ukraine scheint es auf den ersten Blick richtig, dass die Staaten in Europa ihre Ausgaben fürs Militär erhöhen. Selbstverständlich hat die Ukraine das Recht, sich mit allen Mitteln zu verteidigen und dem unmenschlichen Angreifer ein starkes Signal zu geben.
Wir sind jedoch in einer anderen Situation als die Ukraine. Sind wir uns bewusst, dass jeder Krieg Zerstörung, Tote, Verletzte und unsägliches Leid mit sich bringt und viele Demütigungen hinterlässt? Diese sind oft Ursache eines weiteren Krieges. Wir sollten daher mit den anderen demokratischen Ländern mit geeigneten Mitteln für den Frieden arbeiten. Aus Erfahrung wissen wir, dass reiche wie arme Staaten immer die finanziellen Mittel finden, um Waffen zu kaufen. Für Friedensprojekte hingegen ist es überaus schwierig, Geld aufzutreiben, obschon es sich im Vergleich zur milliardenschweren Aufrüstung um Brosamen handelt.
Was kann den Frieden vorbereiten? Die Ukraine ist im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit eines der Schwerpunktländer der Schweiz. Unsere Behörden haben es unterlassen, im Rahmen dieser Projekte die Ukraine wegen ihrer Sprachengesetze entschieden zu kritisieren. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde Russisch als offizielle Sprache gestrichen; es blieb einzig die ukrainische Sprache. Nur im Osten und im Süden blieb Russisch als regionale Sprache anerkannt, obgleich rund 30 Prozent der Bevölkerung russischer Muttersprache sind und diese Sprache von vielen Menschen auch in den anderen Landesteilen gesprochen wird. Nach dem Jahr 2014 wurde Russisch nicht einmal mehr als regionale Sprache gebilligt. Im Jahr 2019 wurde dann mit einem neuen Gesetz die russische Sprach praktisch verbannt. Wolodimir Selenskyj, damals noch nicht Präsident und selber russischer Sprache, kritisierte seinerzeit diese nationalistische Wende heftig.
Ein wesentliches Kennzeichen unsers Landes sind die verschiednen offiziellen Sprachen, doch es scheint, dass sich die Schweiz nicht mit Nachdruck für die Anerkennung der russischen Sprache eingesetzt hat. Auch die Staaten der Europäischen Union haben sich nicht für das Russische zur Wehr gesetzt. Man kann zwar verstehen, dass die Ukraine die erzwungene Russifizierung durch die Sowjetunion als Demütigung erlebt hatte, die Wunden hinterlassen hat. Aber der Quasi-Ausschluss des Russischen war nicht nur eine ungerechte Bestrafung der Ukrainer russischer Sprache, es war zudem eine dreiste Herausforderung an die Adresse Präsident Putins und der Bevölkerung Russlands.
Nicht allein mit Bezug auf die Sprache könnten die Schweiz und die anderen demokratischen Länder den Frieden vorbereiten; es gibt noch weitere Bereiche. Hier zwei Beispiele, mit denen das friedliche Zusammenleben gefördert werden könnte: die ungleiche der Verteilung der Ressourcen mildern und die Gleichstellung von Mann und Frau stärken.
Das wären nützlichere Investitionen als das Aufrüsten der Armeen.