Sie hat einst Bundeskanzler Kiesinger öffentlich geohrfeigt und wurde mit ihrem Mann Serge als Nazijägerin weltweit bekannt. Ihre Nominierung durch die Partei „Die Linke“ ist jedoch eine Groteske.
Als die Nachricht nach Frankreich drang, dass Beate Klarsfeld in Deutschland zur Bundespräsidentenwahl für „ Die Linke“ antritt, da rieb sich so mancher eher zwei Mal die Augen, fragte sich, was das sollte und warum die Verantwortlichen der Linkspartei nicht wenigstens bei ihrer französischen Schwesterpartei „ Le Parti de Gauche“ des Präsidentschaftskandidaten Mélenchon angerufen haben, um sich zu erkundigen, wofür Beate Klarsfeld heute in Frankreich steht und wie sie wahrgenommen wird - kurzum: was denn aus ihr geworden ist.
Gleichzeitig rauften sich all jene die Haare, die seit Jahren und Jahrzehnten etwa im Deutsch-Französischen Jugendwerk, in den abertausenden Städtepartnerschaften, in deutsch- französischen Kommissionen, Arbeitsgruppen, Kulturprojekten und allen möglichen anderen bi-nationalen Einrichtungen tätig sind. 2013 wird man die 50 Jahre des deutsch-französischen Vertrages mit dem gehörigen Pomp zelebrieren – und doch weiss man östlich und westlich des Rheins manchmal offensichtlich so wenig voneinander, dass so etwas wie die Kandidatur von Beate Klarsfeld für die Linke doch tatsächlich passieren konnte.
Die zwei Gesichter der Beate Klarsfeld
Die Kollegen aus der „Parti de Gauche“ hätten denen von der deutschen Linken auf Anfrage natürlich gesagt, dass Beate Klarsfeld in Frankreich vor allem aus einem Grund geschätzt wird. Sie hatte vor fast 30 Jahren den früheren Gestapochef von Lyon, Klaus Barbie, aufgespürt und vor ein französisches Gericht gebracht. Geschätzt wird sie auch als jene, die ihrem Mann Serge über Jahre hinweg bei dem bewundernswerten Werk assistiert hat, die namentliche Liste von über 70‘000 deportierten Juden aus Frankreich zu erstellen. So wurde jedem der Ermordeten nach Jahrzehnten zumindest wieder eine Identität gegeben. Diese Liste wurde zuerst als Buch veröffentlicht und dann in beeindruckender Weise in Stein gemeisselt – im Innenhof der Pariser Holocaust-Gedenkstätte.
Doch die französische Kollegen hätten die deutsche Linke im gleichen Atemzug auch davon unterrichtet, dass die heute 73-jährige Beate Klarsfeld seit langem schon zum grossbürgerlichen Pariser Establishment gehört, in einem der nobelsten Viertel der Hauptstadt wohnt, wenn überhaupt, dann überwiegend in konservativer Umgebung noch in Erscheinung tritt und sich in Frankreich niemand vorstellen kann, welche Werte - abgesehen vom Antifaschismus - eine Beate Klarsfeld und Die Linke heute verbinden könnten. Denn es zeugt von einer gehörigen Portion Unkenntnis, wenn der Linke-Chef Klaus Ernst als Begründung für ihre Kandidatur anführte, neben Antifaschismus und Gerechtigkeit stehe Beate Klarsfeld auch für soziale Verantwortung und Aufbegehren gegen herrschende Verhältnisse. In Frankreich aber wüsste niemand zu sagen, wann sich Beate Klarsfeld in den letzten Jahren, ja Jahrzehnten zu Themen geäussert hätte, die mit sozialer Verantwortung in Zusammenhang stehen und vor allem wann sie jemals gegen herrschende Verhältnisse aufbegehrt hätte!
Das Schweigen der Beate Klarsfeld
Dabei hätte es an Gelegenheiten aufzubegehren in Frankreich gerade in den letzten Jahren wahrlich nicht gemangelt. Doch gegen von Ministern und Präsident sozusagen staatlich verordnete Fremdenfeindlichkeit oder die Jagd auf Roma, zu der Nicolas Sarkozy im Sommer 2010 blasen liess, wartete man auf die protestierende Stimme einer Beate Klarsfeld vergeblich. Besser gesagt: niemand wartete eigentlich auf ihre Stimme, weil in Frankreich niemand auf den Gedanken gekommen wäre, Beate Klarsfeld könnte gegen etwas protestieren, das aus dem Mund von Nicolas Sarkozy kommt. Nicht einmal gegen den Vorschlag des Staatspräsidenten, eingebürgerten Ausländern in bestimmten Fällen die Staatsangehörigkeit wieder abzuerkennen . Dabei erinnerte dieses Ansinnen ja sogar an die Zeit des Vichy-Regimes, als die in den 20er- und 30er-Jahren eingebürgerten zentraleuropäischen Juden ihre französische Staatsbürgerschaft wieder verloren. Beate Klarsfeld und ihr Mann hätten doch gerade in diesem Fall besonders sensibel sein müssen – doch man hörte kein Wort von ihnen. Andere in Frankreich haben auf Grund der ausländerfeindlichen oder antisozialen Politik der letzten Jahre, die gelegentlich selbst die Prinzipien der Republik mit Füssen trat, z.B. den Orden der Ehrenlegion verweigert oder unter Protest zurückgegeben. Nicht so Beate Klarsfeld.
Die Klarsfelds und Sarkozy
Sie hat erst letzten Herbst zusätzlich zu ihren zwei Ehrenlegionen strahlend und gemeinsam mit ihrem Sohn Arno noch einen weiteren Verdienstorden aus den Händen von Präsident Sarkozy akzeptiert. Die Zeremonie im Elysée-Palast glich einem Familientreffen. Denn Beate Klarsfeld gehört seit einem Jahrzehnt im weitesten Sinn zum Umfeld von Nicolas Sarkozy, vielleicht, weil sie in der französischen Öffentlichkeit ganz überwiegend nur in Personalunion mit ihrem Mann, Serge Klarsfeld, oder ihrem Sohn Arno wahrgenommen wird.
Sohn Arno, im Nebenberuf Rechtsanwalt, lange Zeit vor allem Protagonist in der Pariser Schickimicki-Szene, in der er eine Zeit lang auch an der Seite der die Männer verschlingenden Carla Bruni vor den Paparazzi defilierte, bevor er dann mit 37 zum Militärdienst nach Israel aufbrach und auch die Staatsbürgerschaft dieses Landes annahm – Sohn Arno also unterstützt Nicolas Sarkozy seit fast zehn Jahren blindäugig und mit grossem Engagement. Dafür wurde er seit fast ebenso langer Zeit als Autor von dünnen , belächelten Expertenberichten oder zuletzt als nicht näher benannter Berater von Premierminister Fillon beschäftigt, ohne dass jemand sagen könnte, was er in diesen Jahren denn gearbeitet hat und wozu der Premierminister einen solchen Berater braucht. Vor wenigen Wochen dann – ohne dass auch da einsichtig wäre, auf Grund welcher Kompetenzen –wurde Sohn Arno gar zum Präsidenten des „Französischen Amtes für Einwanderung und Integration“ ernannt. Wo er auch gleich für gehörigen Skandal sorgte, indem er kundtat, die Roma in Europa seien an ihrer Situation weitgehend selbst schuld. Die Mutter hat ihn dafür - zumindest öffentlich - nicht getadelt.
Beate Klarsfeld und Israel
Beate Klarsfeld gehört ausserdem zu denjenigen, die – wie inzwischen der ganz überwiegende Teil der jüdischen Gemeinde Frankreichs - die israelische Politik gegenüber den Palästinensern ohne Wenn und Aber verteidigen – was nicht gerade die Position der Partei „Die Linke“ ist. Beate Klarsfelds Haltung in dieser Frage führte unter anderem so weit, dass sie sich letztes Jahr, als die deutsche Organisation „Aktion Sühnezeichen/Friedendienste“ ihre 5- jährige Arbeit in Frankreich feierte, weigerte, gemeinsam mit Stéphane Hessel an einer Podiumsdiskussion teilzunehmen. Der Grund? Der 94-Jährige prangert die Situation im Gazastreifen, wie auch in seiner Schrift „Empört Euch“, seit Jahren immer wieder an und diskutiert in Frankreich regelmässig öffentlich mit Pro-Palästinensern. Stéphane Hessel, der seine Teilnahme an besagter Podiumsdiskussion zugesagt hatte, wurde wieder ausgeladen und wird, selbst Jude, von der jüdischen Gemeinde Frankreichs bis heute mehr oder weniger als Verräter beschimpft.
In Frankreich jedenfalls kann niemand verstehen, warum sich Beate Klarsfeld auf diese Kandidatur für „Die Linke“ eingelassen und jüngst, politisch gewaltig naiv, sogar auch noch geäussert hat, sie würde sich freuen, wenn Präsident Sarkozy sie für diese Kandidatur beglückwünschen würde.
Wäre dies eine Provokation gewesen, könnte man noch darüber schmunzeln, so aber ist es nur ein erschütternder Beweis dafür , wie wenig weit eine Beate Klarsfeld über den Tellerrand ihrer französischen Welt, in der sie lebt, hinauszusehen in der Lage ist. Man durfte den Eindruck haben, dass der Partei „Die Linke“ erst wirklich bewusst wurde, wen sie sich da eingehandelt hatte, als Beate Klarsfeld vor der Hauptstadtpresse in Berlin offiziell als Kandidatin vorgestellt wurde – eine derart peinliche Pressekonferenz mit einer Kandidatin, die kaum zu einer kohärenten Aussage in der Lage war und die grössten Selbstverständlichkeiten vom Blatt ablesen musste, haben altgediente Hauptstadtjournalisten schon lange nicht mehr erlebt. Sie gipfelte am Ende in der Antwort Beate Klarsfelds auf eine Journalistenfrage nach ihrer Beziehung zu Nicolas Sarkozy. „Natürlich unterstützen wir Nicolas Sarkozy“ – sagte Beate, ihre zwei französischen Orden der Ehrenlegion gut sichtbar am Revers tragend und sprach im Namen des Familienclans Klarsfeld. Wie gesagt: Die Linke hätte sich diese und andere Peinlichkeiten ersparen können durch einen einfachen Anruf in Frankreich.
Sich ein Denkmal setzen
Geltungsbedürfnis und der verständliche Wunsch nach Anerkennung, auch von deutscher Seite, für ihre hartnäckige, jahrzehntelange Arbeit bei der Verfolgung ehemaliger Naziverbrecher dürften bei dieser reichlich grotesken Kandidatur eine ganz entscheidende Rolle gespielt haben. Sonst hätte Beate Klarsfeld nicht schon 2009 gesagt, nachdem die Partei „Die Linke“ sie damals vergeblich für den deutschen Verdienstorden, das Bundesverdienstkreuz, vorgeschlagen hatte, dieser Vorschlag sei eine wunderbare Sache, Die Linke habe den Mut, den andere deutsche Parteien bisher nicht hatten, nämlich Serge und sie zu ehren. Heute nun, als wären Bundesverdienstkreuz und Bundespräsidentenamt ein und dasselbe, sieht Beate Klarsfeld in ihrer Nominierung offensichtlich vor allem eine Ehrung und sonst nichts.
In Deutschland haben die Partei „Die Linke“ und ein Teil der Öffentlichkeit Tage, ja Wochen gebraucht, bevor sie verstanden haben, dass Beate Klarsfeld von Politik und den grossen gesellschaftlichen Themen unserer Zeit so gut wie keine Ahnung hat und es ihr in erster Linie wohl darum ging und geht, sich selbst ein Denkmal zu setzen. Der Partei „Die Linke“ und sich selbst hat sie mit dieser Groteske allerdings keinen guten Dienst erwiesen und nebenbei auch noch das Amt des deutschen Bundespräsidenten lächerlich gemacht.
Beate Klarsfeld hat aber vor allem ihre einmalige, von allen anerkannte, verdienstvolle Arbeit mehrerer Jahrzehnte mit dieser Posse von Präsidentschaftskandidatur unter einem Schwall von Eitelkeit begraben. Dafür tut sie einem, trotz allem, fast leid.