Seit Jahren führen Regierungen einen Kampf gegen Geldwäscherei. Am Anfang stand auch hier Amerika mit seiner fatalen Neigung, seine Lösungen der ganzen Welt aufzuzwingen. Am Anfang stand in Amerika zur Zeit des Kriegs gegen Drogen die Frustration, dass Strassendealer zwar leicht in Gefängnis zu bringen waren, die mittlere und höhere Ebene des Drogenhandels jedoch kaum je erfolgreich verurteilt werden konnte. Das lag vor allem am amerikanischen Strafprozessrecht, das in einem international nirgends vorkommenden Ausmass die Unmittelbarkeit der Beweise verlangt. Alles, aber auch wirklich alles muss vor den Geschworenen direkt belegt werden, was ausserordentlich schwierig ist, wenn die höhere Ebene – wie im Drogenhandel üblich – relativ diskret agiert und sich daher direkter Beobachtung entzieht. Hier setzten die Bestimmungen gegen Geldwäscherei an, denn irgendwann werden – so dachte man – diese höheren Akteure das angehäufte Geld zur Bank bringen müssen. Letztlich ging es um eine Ausdehnung des Hehlerei-Tatbestandes, der seit jeher auf das „Waschen“ von – meistens gestohlenen – Sachwerten ausgerichtet war, auf kriminell erworbene Vermögenswerte. Dies zu begründen fiel nicht schwer.
Kaum eingeführt, entwickelte sich die Geldwäscherei zum Wundermittel gegen alle möglichen Straftaten – auch der Bundesrat versprach seinerzeit dem Parlament, man werde hier alle profitorientierten kriminellen Aktivitäten „an der Achillesferse“ treffen. So wurde die Geldwäscherei nicht nur universell strafbar, sondern auch auf immer weitere Sachverhalte ausgeweitet, angefangen von der organisierten Kriminalität bis zur Wirtschaftskriminalität, der Korruption, dem Menschenhandel, dem Terror und neuerdings sogar Steuerdelikten. Parallel dazu wurden Meldeverfahren eingeführt und die Compliance-Abteilungen in den Banken und grösseren Firmen erlebten ein ungeahntes Wachstum. Gebracht hat es relativ wenig, weil die meisten kriminellen Aktivitäten nur unbedeutende Gewinne hervorbringen, die man problemlos bar wieder ausgeben kann und nicht zu „waschen“ braucht. Eine Ausnahme bildet die grosskalibrige Korruption, weil bestochene Entscheidungsträger in aller Regel die Schmiergelder nicht verprassen, sondern für spätere Investitionen oder ihre alten Tage ansparen möchten.
Inzwischen ist der Geldwäscherei-Tatbestand zum simplen Wundermittel gegen alles Böse auf dieser Welt geworden. Immer schneller dreht sich das Karussell der Kontrollen des Geldverkehrs mit immer fragwürdigeren Wirkungen. Es ist daher an der Zeit, innezuhalten und nach dem Nutzen und vor allem auch den Kosten zu fragen. Nicht vergessen sollte man, dass die steigenden Kosten der Geldwäschereibekämpfung von gewöhnlichen Bankkunden und nicht zuletzt den Pensionskassen bezahlt werden. Neben diesen ökonomischen entstehen auch gewichtige soziale Kosten.
Vor einigen Jahren habe ich an der Universität Zürich eine Masterarbeit (von Angela Nunes, vgl. NZZ 21.05.12) zu diesem Thema betreut. Alle Studierenden der Universität Zürich, die ihre voruniversitäre Ausbildung im Ausland absolviert hatten, wurden per Mail für eine Mini-Befragung kontaktiert. Dabei zeigte sich, dass ein erheblicher Anteil unter ihnen (von knapp unter zwanzig Prozent) beim Beginn ihres Studiums grössere Schwierigkeiten hatten, ein Bankkonto zu eröffnen. Je nach Herkunftsland werden sie als „riskante Kunden“ eingestuft werden, was aufwendige Abklärungen über ihren persönlichen und wirtschaftlichen Hintergrund in ihrer Heimat erfordert. Bei ihren kleinen Budgets sind sie als Kunden uninteressant und die meisten Banken verweigern daher die Eröffnung einer Bankverbindung zumindest in einer Anfangsphase. Lediglich die Postbank hat sich bisher als kulant erwiesen und viele unkompliziert als Kunden akzeptiert – die Frage ist nur für wie lange noch. Am meisten Schwierigkeiten haben übrigens nicht „US persons“, sondern Studierende aus Ländern in der dritten Welt mit terroristischen Verwicklungen.
Dabei sind Studierende in aller Regel höchst unproblematische Kunden, die sich zudem gut „verkaufen“ können und daher weit weniger als andere Migrantinnen und Migranten Mühe haben dürften, Bankangestellten ihre Situation zu erläutern. Wie viele es am Ende nicht schaffen, in der Schweiz eine Bankverbindung zu eröffnen, bleibt im Dunkeln. Für Ökonomen, Soziologen und Kriminologen war das nie ein Thema.
Da Kriminelle Geld meistens nicht waschen, sondern bar ausgeben, steht nun der Gedanke im Raum, das Bargeld „abzuschaffen“. Faktisch bedeutet dies, dass unsere Gesellschaft noch viel ungerechter würde, als sie es ohnehin ist. Zwar würde das Verschwinden von Bargeld die soziale Ungleichheit – etwa der Vermögens- und Einkommensverteilung – nicht unbedingt vergrössern, wohl aber würde sie viel stärker sicht- und fühlbar. Denn jedermann kann Bargeld erwerben und ausgeben, aber nicht jedermann bekommt Kredit und kann seine Geschäfte bargeldlos abwickeln. Schon bald nach dem Untergang des weströmischen Reichs verschwanden Geld und Geldwirtschaft, und zwar ironischerweise vor allem das Kleingeld (und weniger die grossen Münzeinheiten). Den kleinen Leuten im Alltag war es so nicht mehr möglich, Güter des täglichen Bedarfs anders als über eine höchst ineffiziente Tauschwirtschaft zu verkaufen oder zu erwerben. In unserer heutigen Zeit wäre dies ein fataler Rückschritt, und zwar ausschliesslich zulasten der sozial Schwächsten. Es steht viel mehr auf dem Spiel als nur die „Privacy“, so wichtig auch dieses Anliegen sein mag.