Beflügelt vom Erfolg des Atomabkommens engagiert sich der iranische Aussenminister Javad Zarif nun unermüdlich in Sachen Syrien. Seit zwei Wochen bereist er die Hauptstädte der Welt und sondiert Verhandlungsoptionen. Auch die Uno nimmt einen neuen Anlauf mit ganz neuen Ansätzen - weg von einer grosser Friedenskonferenz hin zu effektiven Arbeitsgruppen. Für die Islamische Republik ist Baschar Assads Stellung nicht verhandelbar. Jedenfalls noch nicht.
„Syrien ist das goldene Glied der Widerstandskette, Baschar Assad hält heute fester denn je die Stellung und er bleibt der Held des Schlachtfeldes.“ Das klingt wie die billige Huldigung eines Vasallen, möchte man meinen, wie Propagandasprüche, die täglich so oder ähnlich von den offiziellen Medien in Damaskus verbreitet werden: Daher sollte man sie getrost überhören und sich der syrischen Realität zuwenden. Schön wäre es.
Der Berater weist den Weg
Der Autor ebenso wie Ort und Zeit, an denen diese Sätze geäussert wurden, sind so bemerkenswert, dass dies jede aufkeimende Hoffnung, eine politische Lösung für den blutigen Konflikt in Syrien zu finden, schon im Ansatz zunichte macht. Die Sätze mögen kaum diplomatisch klingen - sie sind aber ernst gemeinte Diplomatie. Denn sie stammen von Ali Akbar Velayati, dem aussenpolitischen Berater des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei.
Velayati war und ist dabei viel mehr als nur ein einfacher Berater. Bis 1987 war der in den USA ausgebildete Kinderarzt 16 Jahre lang Aussenminister der islamischen Republik Iran, länger als jeder vor und nach ihm. Offizielle Webseiten zählen 37 wichtige Positionen auf, die er momentan bekleidet. Und immer, wenn der Revolutionsführer eine persönliche Botschaft an befreundete und weniger befreundete Führer der Welt überbringen lassen möchte, ist das die Aufgabe des siebzigjährigen Doktors und nicht die des amtierenden Aussenministers. Für solche und noch andere wichtige Missionen steht ihm stets ein Flugzeug zur Verfügung. Velayati verbindet eine langjährige Bekanntschaft mit Hans Dietrich Genscher, dem ebenfalls langjährigen ehemaligen deutschen Aussenminister, manche sagen gar, eine Vertrautheit oder Freundschaft.
Oberflächlicher Propagandist
Velayati gilt zwar als diplomatisches Sprachrohr Khameneis. Doch er verwandelt sich, wenn es sein muss, auch schnell in einen einfachen und oberflächlichen Propagandisten. So konnte man ihn am vergangenen Sonntag in Teheran erleben. Im prunkvollen Konferenzsaal des iranischen Funk- und Fernsehsenders im Norden der Hauptstadt waren an diesem Tag die Chefs von 250 TV- und Radiostationen aus 25 islamischen Ländern versammelt. Auch Prediger und politische Persönlichkeiten aus dem Ausland wie etwa Nuri Al Maleki, der ehemalige irakische Ministerpräsident, befanden sich unter den Gästen. Die Redner debattierten darüber, wie man den „heldenhaften Kampf“ der syrischen Armee unterstützen, der „zionistischen Propaganda“ entgegenwirken und die drohende Teilung der Länder der Region verhindern könne. Für die versammelten Radio- und Fernsehmacher gab es bei diesen Themen keinen Platz für Abwägung und Diplomatie. Deshalb schaltete auch Ex-Aussenminister Velayati seinen Sprachduktus um - so, wie die Anwesenden es von ihm erwarteten.
Dass er sich als profaner Assad-Anhänger ausgab, hat mit dem Ereignis zu tun, das die Stimmung des Tages prägte, an dem die erhoffte Verlängerung einer zweitägigen Feuerpause um die syrische Stadt Zabadani gescheitert war. Dieser lokale, aber nichtsdestotrotz einmalige Waffenstillstand war drei Tage zuvor vom Iran mit viel Mühe vermittelt worden, und er sollte ein Lackmustest für einen möglichen Dialog der Feinde sein, ein winziger Schritt auf einem langen und schwierigen Marsch.
Zarif und Syrien
Es hört sich zwar widersprüchlich an, doch die martialischen Töne aus Teheran könnten als Vorspiel einer vagen Hoffnung auf einen politischen Prozess verstanden werden, von dem dieser Tage in verschiedenen Hauptstädten der Welt die Rede ist. Beflügelt vom Erfolg des Atomdeals hat sich der iranische Aussenminister Javad Zarif mit beispiellosem Engagement des Themas Syrien angenommen. Denn er weiss, dass der Iran nach dem historischen Atomabkommen als ein Teil der Lösung und nicht mehr wie vor einem Jahr als Teil des Problems angesehen wird.
Seit drei Wochen ist Zarif deshalb ununterbrochen in unterschiedlichen Hauptstädten unterwegs, von den arabischen Golfstaaten bis Beirut und Damaskus, von Moskau bis Pakistan und Indien. Bei all diesen Besuchen steht das Thema Syrien an erster Stelle. Zarif wäre auch gern am 3. August in Doha, der Hauptstadt von Qatar, dabei gewesen. Doch er konnte und durfte nicht, denn dort fand ein Aussenminister-Gipfel der arabischen Golfstaaten statt, bei dem auch die Aussenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, zugegen waren. Auch dort ging es ausschliesslich um Syrien.
Moskau bewegt sich
Russland versucht neuerdings, die arabischen Golfstaaten zu einer Zusammenarbeit mit Syrien bei der Bekämpfung des „Islamischen Staats“ zu bewegen, offenbar nicht ohne Erfolg. Eine Woche nach dem Gipfel in Doha meldeten mehrere arabische und russische Webseiten, der Chef des berüchtigten syrischen Geheimdienstes General Ali Mamluk und der saudische Verteidigungsminister Prinz Mohamad bin Salman hätten sich in Riad getroffen.
An dem Treffen soll auch der saudische Geheimdienstchef Saleh Al-Humaidan teilgenommen haben. Am selben Tag gab Russland im Uno-Sicherheitsrat seine Zustimmung zu einer Resolution, die die Verantwortlichen für die Chemiewaffenangriffe vom April 2014 in Syrien ausfindig machen soll. Und am vergangenen Montag ging die russische UN-Delegation in New York noch weiter und votierte gar für Friedensgespräche. Sie stellte sich damit hinter einen Vorschlag des UN-Sondergesandten Staffan de Mistura. Doch keines der 15 Mitglieder des Sicherheitsrat will mit dieser Resolution eine neue grosse Friedenskonferenz.
Kleine Arbeitsgruppen statt grosser Konferenzen
De Mistura ist überzeugt, dass die Zeit für eine weitere Konferenz noch nicht gekommen ist. Deshalb will er zunächst vier innersyrische Arbeitsgruppen unter der Schirmherrschaft einer internationalen Kontaktgruppe einrichten, um herauszufinden, ob sich unter den Syrern ein Konsens zu wichtigen konkreten Themen finden lässt. Eine Arbeitsgruppe soll sich um den Komplex der humanitären Katastrophe kümmern, die zweite soll Fragen von Militär und Sicherheit behandeln, eine dritte Arbeitsgruppe soll sich die Staatsfunktionen vornehmen und die Frage beantworten, ob und wie man den Staat wieder in Gang setzen kann. Und natürlich gibt es die wichtige Arbeitsgruppe für konstitutionelle Fragen und die Zukunft des politischen Systems. Und genau hier taucht in der Resolution das Wort „Übergang“ auf: ein Übergang weg vom Regime Baschar al-Assad, hin zu exekutiven Vollmachten für eine Übergangsverwaltung.
Was die Zukunft Assads angeht, darüber schweigt die Resolution. Alle, die in- und ausserhalb Syriens in diesen Konflikt involviert sind, sollen in den Arbeitsgruppen mitwirken, der Iran eingeschlossen - ausgenommen sind nur die Al-Nusra-Front und der „Islamische Staat“. In welcher Arbeitsgruppe und mit welchen Vorschlägen und Beiträgen der Iran auftauchen wird, ist zwar ungewiss, doch schon jetzt trommelt die Islamische Republik für Assad, öffentlich und sehr laut.
„Moskau wichtigster Nutzniesser des Atomdeals“
Nach dem Berater Velayati empfing am nächsten Tag auch Khamenei selbst die Fernsehmacher aus den islamischen Ländern: eine Gelegenheit, verbündeten Medienleuten und dem iranischen Publikum zu sagen, wohin die Reise nach dem Atomdeal geht. Die USA wollten Syrien zerstückeln, den Irak teilen und so ihre Hegemonie in der Region zementieren, erklärte Khamenei. Deshalb bleibe Amerika - trotz des Atomabkommens - das Sinnbild der Feindschaft. Er werde mit allen Mitteln die wirtschaftliche, kulturelle oder politische Rückkehr der Amerikaner in den Iran verhindern. Wohin er sich orientieren will, erfuhr man von Irans Aussenminister, der sich in Moskau aufhielt. Russland werde der wichtigste Nutzniesser des Atomabkommens sein, Baschar al-Assad könne auf seine Verbündeten Russland und Iran zählen, so Zarif.
Einen Tag später meldete die iranische Nachrichtenagentur Fars, die Lieferung des russischen Flugabwehrsystems S-300 an den Iran stehe kurz bevor. „Schon nächste Woche wird der Vertrag in Moskau unterschrieben“, zitiert die Agentur den iranischen Verteidigungsminister Hussein Dehghan.
Mit freundlicher Genehmigung IranJournal