Schon wieder könnte man rufen: "Voltaire, komm' zurück, die Gallier sind verrückt geworden". Denn man kann es drehen und wenden wie man will: in dieser französischen Republik ist es in den letzten Jahren mit den Grundfreiheiten, im besonderen mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung, merklich bergab gegangen. Der Staat, die politisch Machthabenden und die Ordnungskräfte nehmen sich im von Präsident Sarkozy erzeugten Klima von Law and Order und Repression Dinge heraus, die sie sich vor 10 Jahren schlicht nicht getraut hätten zu tun.
Da haben sie sich in den letzten Wochen doch tatsächlich indirekt an Georges Brassens vergriffen, an einem Stück französischem Kulturgut, am Text eines Autors, der für Millionen Franzosen bis heute ein Monument des französischen Chansons ist - dieser "minderen Kunst", wie Brassens Kollege, Jacques Brel, es einmal formuliert hatte. Es ist als hätten Vertreter des Staates da kleinliche Rache geübt an diesem eingefleischten Anarchisten und Freidenker, der die Solidarität, die Freundschaft und die so genannten kleinen Leute besang, den Kleingeist der Kleinbürger und die Konformisten zum Teufel wünschte, alles, was nach Militär und Armee roch, verabscheute, schon mit seinem ersten Chanson, " Le gorille" in den 50-er Jahren gegen die Todesstrafe ansang und einer der ersten war, der in seinen Texten die Sexualität thematisierte.
Marktfrauen schlagen Polizisten - mit ihren gigantischen Brüsten
Eines seiner Chansons, ebenfalls aus den frühesten Jahren, trägt den Titel "L'Hecatombe " - Das Massensterben. Es ist jetzt, über ein halbes Jahrhundert nach seinem Entstehen, doch tatsächlich rund 30 französischen Bürgern zum Verhängnis geworden.
Zunächst einem jungen Mann, der im Jahr 2009 an einem Wochenende des Nachts ein wenig betrunken in der Hafenstadt Cherbourg die Fenster geöffnet hatte und 3 Polizisten des Weges kommen sah, sich spontan an das besagte Chanson erinnerte und es aus voller Kehle den patroullierenden Ordnungskräften entgegenschmetterte.
Nun kommen in dem Chanson die Gendarmen in der Tat nicht sonderlich gut weg, werden von vorne bis hinten lächerlich gemacht, in einer breughelschen Szene, in der Marktfrauen des zentralfranzösischen Städtchens Brive-la Gaillarde zunächst wegen ein paar Zwiebeln aneinandergeraten, dann aber, als die Gendarmen anrücken, um den Streit zu schlichten, sich wie selbstverständlich gegen die Ordnungsmacht verbünden und vereint auf sie einprügeln, die Gendarmen zwischen ihren kräftigen Schenkeln ersticken, sie mit ihren gigantischen Brüsten Ko schlagen, ein Beobachter die "gendarmenmordenden Marktweiber" mit hip hip hurrah Rufen ermutigt, welche am Ende, nachdem die Blauen genügend abbekommen haben, einfach wieder an ihre Arbeit gehen. Das Chanson endet mit den Zeilen: "Man wagt es ja kaum zu sagen, so niedertächtig ist: sie hätten den Gendarmen sogar die Dinger (die Hoden) abgeschnitten, glücklicherweise hatten die keine. "
Den drei Gendarmen in Cherbourg gefiel dieser Brassens jedenfalls ganz und gar nicht, sie nahmen den angetrunkenen jungen Mann am Fenster mit auf die Wache. Er wurde angeklagt und letzten Mai fand sich doch tatsächlich ein Richter, der ihn zu 200 Euro Strafe und 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilte.
So viel Subversion darf in Sarkozys Frankreich nicht sein
Im südfranzösischen Toulouse, wo die Spuren der Ende der 30er-Jahre geflüchteten spanischen Anarchisten noch nicht völlig verblasst sind und ein gewisser rebellischer Geist, vermischt mit der Tadition von Rugby und Cassoulet noch weiter weht, rieben sich darauf hin rund 30 Bürger die Augen und sagten sich: dies kann wohl nicht sein - packten ein paar Gitarren ein und zogen vor ein Polizeikommissariat der Stadt, um die Erfahrung zu machen: es kann sehr wohl sein.
Kaum hatten sie einige Minuten lang Brassens und ein paar andere rebellische Chansons gesungen, wurden sie eingekreist und eingesackt, fanden sich allesamt für mehrere Stunden im Inneren des Polizeikommissariats wieder - ob sie dort weiter gesungen haben, ist nicht bekannt. Allesamt sind sie aber für die kommenden Tage erneut vorgeladen, wegen "Beleidigung der Nation und ihrer Ordnungskräfte", wie es heisst.
Polizisten in Ärmelschonern oder aber die kurz Geschorenen der jungen Generation unter Frankreichs Ordnungshütern, die selbstverständlich nicht einmal wissen, wer Brassens denn überhaupt war, befanden also, sowohl in Cherbourg als auch in Toulouse, dieses mehr als 50 Jahre alte Chanson über Polzisiten, die von Marktfrauen eine Trachtprügel verabreicht bekommen, sei ihren sensiblen Ohren nicht zuzumuten, so viel Subversion dürfe im Frankreich des Jahres 2011 nicht unbestraft bleiben.
"Einen Voltaire verhaftet man nicht"
Als ein Jean Paul Sartre in diesem Land in der 68er-Zeit linksradikale Tageszeitungen herausgab und sie damals auch eigenhändig verteilte, soll ein Berater Präsident De Gaulle vorgeschlagen haben, den Philosophen doch verhaften zu lassen. De Gaulles Antwort: "Einen Voltaire verhaftet man nicht!" Doch das waren eben andere Zeiten, als Frankreichs Regierende nicht nur die Macht, sondern auch eine gewisse Souveränität und so etwas wie Kultur hatten.
Diejenigen aber , die Gesetze und das nötige geistige Klima geschaffen haben, welche derart lächerliche Verhaftungen möglich machen, möchte man gerne zumindest dazu verdonnern können, in die hoch gelobte Brassens-Ausstellung ins Museum der "Cité de la Musique" im Pariser Kulturpark La Villette zu gehen. Dort erweist die Nation dem subversiven Barden Georges Brassens noch bis zum Sommer die Ehre.
Wenn man blöd ist, ist man blöd
Brassens selbst, auf dem Friedhof der Seefahrer im südfranzösischen Sète, wird sich angesichts all dessen nicht unbedingt in seinem Grab umdrehen. Er wird vielleicht genüsslich an seiner Pfeife ziehen, höhnisch und resigniert zugleich schmunzeln und sich sagen: was soll ich noch tun? Ich habe doch in so vielen meiner Chansons die "Connerie", die Dummheit und den Blödsinn gegeiselt, offensichtlich hat es nichts genutzt. Und dann wird er vielleicht noch die Melodie eines anderen seiner Chansons summen, dessen Refrain da lautet : ... quand on est con, on est con !
Paroles / Lyrics: Georges Brassens HÉCATOMBE
Au marché de Brive-la-Gaillarde A propos de bottes d'oignons, Quelques douzaines de gaillardes Se crêpaient un jour le chignon. A pied, a cheval, en voiture, Les gendarmes mal inspirés Vinrent pour tenter l'aventure D'interrompre l'échauffourée.
Or, sous tous les cieux sans vergogne, C'est un usage bien établi, Dès qu'il s'agit de rosser les cognes Tout le monde se réconcilie. Ces furies perdant toute mesure Se ruèrent sur les guignols, Et donnèrent je vous l'assure Un spectacle assez croquignol.
En voyant ces braves pendores Être à deux doigts de succomber, Moi, je bichais car je les adore Sous la forme de macchabées De la mansarde où je réside J'exitais les farouches bras Des mégères gendarmicides En criant: "Hip, hip, hip, hourra!"
Frénétique l'une d'elles attache Le vieux maréchal des logis Et lui fait crier: "Mort aux vaches, Mort aux lois, vive l'anarchie!" Une autre fourre avec rudesse Le crâne d'un de ses lourdauds Entre ses gigantesques fesses Quelles serre comme un étau.
La plus grasse de ses femelles Ouvrant son corsage dilaté Matraque à grand coup de mamelles Ceux qui passe à sa portée. Ils tombent, tombent, tombent, tombent, Et selon les avis compétents Il paraît que cette hécatombe Fut la plus belle de tous les temps.
Jugeant enfin que leurs victimes Avaient eu leur content de gnons, Ces furies comme outrage ultime En retournant à leurs oignons, Ces furies à peine si j'ose Le dire tellement c'est bas, Leur auraient même coupé les choses Par bonheur ils n'en avait pas. Leur auraient même coupé les choses Par bonheur ils n'en avait pas.