Den gezielten Desinformationen zum Klimaschutzgesetz können starke Argumente und fundierte Nachrichten entgegengesetzt werden.
Die Vorlage zum Klimaschutzgesetz (indirekter Gegenvorschlag zur Gletscher-Initiative) hat zum Ziel, Bevölkerung und Wirtschaft unabhängiger von Öl- und Gasimporten zu machen. Sie stärkt den Klimaschutz, ohne Verbote und neue Abgaben. Wer in klimafreundliche Heizungen und innovative Technologie investiert, profitiert von staatlichen Fördergeldern. Wer in diesem Zusammenhang von Stromfresser-Gesetz spricht, diskreditiert Bundesrat, Parlament und Forschung. Diese unterstützen die Vorlage.
Noch sind wir zur Deckung unseres Energiebedarfs vom Ausland abhängig
Heute importieren wir drei Viertel unseres Energiebedarfs. Erdöl und Erdgas, die in der Schweiz verbraucht werden, stammen sogar vollständig aus dem Ausland. Diese fossilen Energieträger sind nicht unendlich verfügbar und belasten das Klima stark.
Um die Abhängigkeit vom Ausland und die Umweltbelastung zu verringern, wollen Bundesrat und Parlament den Verbrauch von Öl und Gas senken. Gleichzeitig soll mehr Energie in der Schweiz produziert werden.
Mit der Vorlage senkt die Schweiz schrittweise den Verbrauch von Erdöl und Erdgas. Ziel ist, dass die Schweiz bis 2050 klimaneutral wird. Die Vorlage sieht Massnahmen vor, um den Energieverbrauch zu reduzieren. Zudem werden Unternehmen unterstützt, die in klimafreundliche Technologien investieren.
Handeln statt palavern
Schweizer Wissenschaftler kämpfen seit Jahrzehnten für ein breiteres Verständnis in der Bevölkerung zur Klimathematik. So äusserte sich der 73-jährige Andreas Fischlin, ETH-Klimaforscher und Vizevorsteher beim Klimarat IPCC, im März 2023 im Tages-Anzeiger: «Die derzeitige fossile Infrastruktur (Heizungen, Verkehr) erlaubt uns nicht, die Klimaziele des Pariser Abkommens zu erreichen.»
Auch ETH-Klimaforscher Reto Knutti sieht in der Abstimmungsvorlage «ein wirksames und zahlbares Instrument, um den Zielen des Pariser Klimaabkommens deutlich näherzukommen» und zu einer «faktenbasierten Meinungsbildung beizutragen» (Tages-Anzeiger). Ein weiterer Fachmann, der ETH-Glaziologe Matthias Huss, wirbt für eine Annahme des Klimaschutzgesetzes. Wenn die Gegner der Vorlage behaupten, diese sei zu teuer, so antwortet ihnen der unermüdliche Forscher, der seit 15 Jahren unsere Gletscher vermisst: «Wir haben definitiv keine Zeit mehr, Jahrzehnte zu debattieren» (Tages-Anzeiger).
Unzureichende Reduktionsziele in der Wirtschaft
Am Beispiel des Zuger Grosskonzerns Holcim, grösster Zementproduzent der Welt, lässt sich erahnen, wie hürdenreich das angestrebte Ziel, eine Reduktion des CO2-Fussabruckes zu erreichen, sein wird. Zur Erinnerung: Um 1000 Kilogramm Zement herzustellen, stossen Holcims Anlagen 560 Kilogramm CO2 aus. Nun will er seinen Fussabdruck nach eigenen Angaben bis 2050 auf null bringen.
Im Februar 2023 haben Bewohnerinnen und Bewohner der indonesischen Insel Pari Klage gegen Holcim eingereicht und verlangen vom Konzern Schadenersatz wegen seiner Rolle beim Klimawandel. Für das Zuger Kantonsgericht dürfte sich das als brisanter Fall erweisen. Denn – als Folge des Klimawandels – wird der Meeresspiegel voraussichtlich ansteigen und diese wie auch andere Inseln überschwemmen. Wenn jetzt Politiker meinen, solche Klagen seien absurd, weil sie nicht in den Gerichtssaal, sondern in die Parlamente gehörten, so ist ihnen zu entgegnen, dass in eben diesen Parlamenten seit Jahren diskutiert, gestritten und behauptet wird, ohne dass das Problem wirklich an den Wurzeln gepackt wird.
Hat der Klimawandel Zerstörungen durch extremes Wetter häufiger und teurer gemacht? Ein Vertreter der Rückversicherungsbranche streitet das ab und argumentiert so: «Es gibt viele Treiber für die Zunahme der Schäden. Dazu zählen auch die Urbanisierung und das Wirtschaftswachstum» (Neue Zürcher Zeitung). Klimawandel, Urbanisierung, Wirtschaftswachstum? Rappenspaltung bei einer Diskussion, bei der im Hintergrund die gerichtlichen Klagemöglichkeiten stets unausgesprochen eine wichtige Rolle spielen.
Kryptowährungen: Klimakiller Nr. 1
Während die Welt noch über allfällige Verantwortlichkeitsklagen streitet, stellt ein neuer Bericht fest: «Bitcoins verschlingen fast doppelt so viel Strom pro Jahr wie die ganze Schweiz.» Einigermassen perplex müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass 2022 mit Bitcoin-Transaktionen fast 115 Milliarden Kilowattstunden Strom verbrannt wurden.
Einst meinte man, Bitcoins sollten die Art und Weise, wie wir kaufen und verkaufen, revolutionieren. Heute fällt die Bilanz ernüchternd aus. Während sich das internationale Finanzsystem nur wenig verändert hat, hinterlassen Bitcoins einen zusätzlichen, enorm grossen CO2-Fussabdruck (Beobachter).
Formen der Desinformation
In der Schweiz flatterten im Mai 2023 die ENERGIE NEWS c/o SVP Schweiz in alle Haushalte. Früher nannte sich die von der SVP verbreitete Wahlpropaganda EXTRABLATT. Am Stil hat sich nichts geändert. «Das Stromfresser-Gesetz macht Leben und Wohnen im Alter für viele noch unbezahlbarer», wird etwa gewarnt. Man kann über diesen «Informations»-Stil geteilter Meinung sein.
Auch im Ausland machen Ölkonzerne seit bald 50 Jahren unehrliche Propaganda. Es wurde kürzlich bekannt, dass das US-Unternehmen ExxonMobil zwar in internen Studien immer wieder selbst den Zusammenhang zwischen der Erderwärmung und den fossilen Rohstoffen nachwies. Das Wissen drang jedoch nicht in die Öffentlichkeit, vielmehr behaupteten die Manager ganz andere Weisheiten. Man wisse nicht viel über die Klimaeffekte eines höheren Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre, äusserte sich 2015 der ExxonMobil-Chef Rex Tillerson, denn «die Modelle sind einfach nicht so gut».
Nun muss man wissen: Der damalige Chef des Ölkonzerns war der spätere US-Aussenminister unter Donald Trumps Präsidentschafts-Regime. Wir verdanken solche und weitere tiefe Einsichten in die intern erarbeiteten Klimaberichte des Unternehmens und die völlig anderslautenden öffentlich publizierten Informationen des Konzerns dem Fachmagazin «Science». Dieses bestätigt, dass die Genauigkeit der firmeninternen Untersuchungen in völligem Kontrast zu der öffentlichen Kommunikation stand.
Persönliche Betroffenheit
Ob sich Menschen beim persönlichen Klimaschutz angesprochen fühlen oder nicht – Tatsache ist, dass eine grosse Zahl von ihnen bereits wieder in die Ferien fliegt. Und sie kaufen grosse, energiefressende SUVs – mahnende Aufrufe zum Energiesparen mögen andere hören. «Wer nicht hören will, muss fühlen» gilt als Reminder gegenwärtig noch nicht wirklich. Diese beiden Lager werden sich auch bei der kommenden Abstimmung zum Klimaschutzgesetz gegenüberstehen. Ich persönlich zähle jedenfalls zu seinen Befürwortern.