Denn die Sprache hat ihre eigene Dynamik, die sich nicht einfach abstellen lässt. Eines der heikelsten Probleme besteht darin, dass sie auch dann Vorurteile begünstigt, wenn dies unter gar keinen Umständen gewollt ist.
In einem Schwimmbad in Düsseldorf kam es in diesen Wochen zu einem ernsten Zwischenfall. Mehrere hundert Jugendliche haben dort eine Familie bedroht und die daraufhin anrückende Polizei mit Gegenständen beworfen. Wer die Jugendlichen waren, stand ebenso wenig in den Meldungen wie die Nationalität der betroffenen Familie.
Ein Lehrer schrieb daraufhin einen ausführlichen Leserbrief. Darin äusserte er zwar Verständnis dafür, dass nach dem Pressekodex des Deutschen Presserates die ethnische Zugehörigkeit von Tätergruppen nur dann genannt werden soll, wenn ein „öffentliches Interesse“ an dieser Information bestehe. Genau dieses machte der Lehrer im Fall der Übergriffe in dem Schwimmbad geltend. Wenn man nicht erfahre, dass es sich bei den Jugendlichen um Nordafrikaner handelte und die bedrohte Familie türkischstämmige Deutsche seien, liesse sich der Konflikt nicht nachvollziehen.
Denn, so der Lehrer, Schwimmmeister berichteten wiederholt, dass Jugendliche aus Nordafrika „den Spielregeln unserer Gesellschaft nur wenig Respekt entgegenbringen“. Auf diese „Spielregeln“ legen wiederum jene grossen Wert, die sich erfolgreich in unsere Gesellschaft integriert haben. Bei dem Vorfall im Schwimmbad ging es darum, dass die Jugendlichen rücksichtslos über die Badetücher der anderen Gäste getrampelt waren.
Von einer sachlichen Zuordnung zum Stereotyp ist es nur ein Schritt. Dem möchten die Medien mit ihrem „Pressekodex“ Einhalt gebieten. Konterkariert wird diese gute Absicht durch die sozialen Netzwerke, die genau jene Informationen verbreiten, die die Medien verschweigen. Dadurch verlieren diese an Glaubwürdigkeit, wie die Auseinandersetzungen um die Kölner Silvesternacht gezeigt haben.
Der Witz besteht nun darin, dass die Bildung von Stereotypen nicht mit bestimmten Ethnien verbunden ist, sondern grundsätzlich erfolgt, wenn von anderen Volksgruppen die Rede ist. Man stelle sich vor, in Düsseldorf hätten sich australische Jugendliche daneben benommen. Sind die Australier nicht die Nachkommen von Strafgefangenen? Und wenn es bayerische Jugendliche gewesen wären, so würde man an „zünftige“ Wirtshausschlägereien denken. Keine Ethnie, kein Volk ist vor abwertenden Stereotypen durch andere gefeit.
Stimmt etwas mit unserer Sprache nicht? Zumindest begünstigt sie den Transport von Vorurteilen. Die Wurzeln dürften aber tiefer liegen. Denn jede Gruppe neigt dazu, sich gegen andere scharf abzugrenzen. Das ist ein Teil ihrer Identität. Dagegen kann die Sprachkosmetik nur wenig ausrichten.