Ein sich «feministisches Streikkollektiv» nennendes Grüppchen hat kürzlich den Triumph genossen, einen kleinen Shitstorm ausgelöst zu haben. Das wäre keiner weiteren Beachtung wert. Doch die Reaktionen der Angeprangerten sind es.
Was ist passiert? In der «Arena» über die mutierten Viren vom 22. Januar bei SRF suchte der Moderator Sandro Brotz (etwas krampfhaft) einen lockeren Schluss, indem er die Runde abfragte, was sie der neuen US-Vizepräsidentin zur Erheiterung oder Entspannung empfehlen würden. Der SP-Nationalrätin Yvonne Feri stellte er die Aufgabe, für Kamala Harris einen Musiktitel zum Relaxen auszusuchen. Sie entschied sich für das Tanzstück «Jerusalema», da Harris als dunkelhäutige Person ja den Rhythmus habe.
Damit machte sich Frau Feri gemäss einer lautstark propagierten Rassismusdefinition einer «positiven Zuschreibung», mithin einer besonders verwerflichen Spielart der Diskriminierung schuldig. Doch nicht nur auf sie, sondern auf alle im Studio Anwesenden ging die Keule nieder: Der Moderator und die gesamte Runde hätten sich durch ihr Schweigen zu Komplizinnen und Komplizen gemacht. So das Streikkollektiv.
Und was passierte dann? Hat Brotz sich schützend vor seinen Gast gestellt und das anonyme Kollektiv in die Schranken gewiesen? Nein, er hat sich demütig für sein Versäumnis, Yvonne Feri nicht gemassregelt zu haben, entschuldigt. Die Mitte-Nationalrätin Ruth Humbel, als Mitdiskutierende ebenfalls attackiert, redete sich damit heraus, es sei halt der Schluss der Sendung gewesen; da habe man nicht nochmals ein Thema aufgreifen können. Yvonne Feri ihrerseits übte sich in Selbstkasteiung und entschuldigte sich mit ihrer Nervosität in der Sendung.
In der Abwehr gegen Rassismus sind die Sensoren inzwischen so fein tariert, dass der Alarm bei jeglicher Form von Stereotypen – auch positiv besetzten – losgeht. Dahinter steht die weltfremde Vorstellung, Vorurteile könnten und müssten vollständig beseitigt werden. Dabei ist ein Vor-Urteil zunächst einmal bloss das, was vor dem genaueren Hinschauen und Nachdenken in den Köpfen automatisch aufploppt.
Es gibt keine zwischenmenschliche Kommunikation ohne solche Automatismen. Jede und jeder kennt sie, und die meisten Menschen lernen mit ihnen umzugehen. Einige Stereotype sind harmlos. Mit ihnen kann man spielen: Berner seien langsam, Schweizer verklemmt, Schwarze hätten den Rhythmus im Blut. Gerade mit letzterem spielen manchmal auch Schwarze – etwa mit dem Bonmot, wenn man mit einem Weissen Mitleid haben wolle, müsse man ihm beim Tanzen zuschauen.
Andere Vorurteile sind nicht harmlos und gehören gebannt. Sozial kompetente und einigermassen gebildete Menschen wissen zwischen harmlosen und nicht harmlosen Stereotypen zu unterscheiden.
Zurück zu den Reaktionen auf den Shitstorm. Öffentlich exponierte Personen wie TV-Moderatoren und Nationalrätinnen bekommen von ihren Kommunikationstrainerinnen gesagt, bei fäkalienhaltiger Luft habe man sich sofort zu ducken: Fehler eingestehen, Reue zeigen, Besserung versprechen. Folgen Exponierte nun aber diesem Rezept generell, so machen sie die Angreiferinnen in jedem Fall zu Gewinnerinnen. Auch Medien übernehmen diese Logik, wenn sie, wie im Fall Arena, ganz selbstverständlich über einen «Ausrutscher» der Diskussionsteilnehmerin berichten.
Mit den inflationären Rassismus-Verdikten, die immer häufiger gegen «positive Zuschreibungen» oder «kulturelle Aneignungen» erhoben werden, droht die zweifellos notwendige Diskussion aus dem Ruder zu laufen. Das Muster kennt man von jener identitätspolitisch befeuerten Denunziation sogenannter «Mikro-Aggressionen», die sich mittlerweile im historischen Fahrwasser von Inquisition und stalinistischen Schauprozessen bewegt. Deswegen ist es nicht nur ein persönlicher Entscheid, wenn unsinnig Angegriffene zu Kreuze kriechen. Wer sich so verhält, trägt nämlich dazu bei, den Ungeist normal zu machen.