Hottinger ist in der Nacht zum Dienstag an den Folgen einer vor vier Monaten schlecht verlaufenen und abgebrochenen Herzoperation in seiner Wohnung in Zug gestorben, erklärt sein Sohn Julian Thomas gegenüber Journal21.ch.
Hottinger, einer der weltbesten Nahost-Kenner, hat über 600 Artikel für Journal21.ch verfasst. Seit der Gründung unserer Internet-Zeitung vor achteinhalb Jahren war er mit dabei. Den letzten Text verfasste er am 21. Januar dieses Jahres. Thema war die Entwicklung im Sudan.
Hottinger sprach neben Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch und Italienisch auch sieben arabische Dialekte. Während Jahrzehnten reiste er durch alle arabischen und islamischen Länder. Er verfasste mehrere Bücher, seine Texte sind mehrfach preisgekrönt.
Hottinger hatte seit dem Herbst des vergangenen Jahres mit schweren gesundheitlichen Problemen zu kämpfen. Viele seiner jüngsten Texte für Journal21 verfasste er vom Krankenbett aus. Seine Passion für die Ereignisse im Nahen Osten war bis zum Schluss nicht zu zügeln. Im Dezember schrieb er uns, er sei notfallmässig ins Spital eingeliefert worden, könne leider deshalb nicht sofort einen Text liefern. Wenige Stunden später übermittelte er einen Artikel, geschrieben auf dem Laptop in der Notfallstation.
Hottinger feierte am 6. Dezember 2016 in einem Zürcher Zunfthaus zusammen mit Journal21 und 154 Gästen seinen 90. Geburtstag.
Dabei waren Freunde, Arbeitskollegen, Fans, Leute aus Politik, Wirtschaft, Kultur und den Medien: vor allem Leute, die begeistert sind von ihm.
Hottinger erzählte an seinem 90.Geburtstag, wie er seine Passion für die arabische Welt entdeckte. Zum ersten Mal reiste er vor 66 Jahren mit seiner Mutter nach Tunesien. „Damals wurde man vor dem Einstieg ins Flugzeug noch gewogen.“ Tunis, die Fremdheit des Ortes überwältigte ihn: „Sie verfolgte mich noch Jahre lang im Traum. Nacht für Nacht verirrte ich mich im Basar von Tunis, in all diesen Farben, diesen Gerüchen, und fand nicht mehr heraus“, erinnert er sich.
Hottinger hatte sich gegen eine akademische Karriere entschieden, obwohl er in Los Angeles eine Professur in Aussicht hatte. Doch Kalifornien sei ihm zu weit weg von Arabien gewesen und er habe keinen Büro-Job gewollt, erklärte er: „Das Leben im Nahen Osten hat mich mehr interessiert als die Geschichte oder die Philologie.“ Er habe nie die Illusion, irgendetwas verändern zu können. Hingegen suche er zu verstehen und natürlich auch zu erklären.
Bevor sich Hottinger für Journal21.ch engagierte, arbeitete er über dreissig Jahre lang als Korrespondent für die „Neue Zürcher Zeitung“ in Beirut, Madrid und Nikosia. Seine Bücher über die islamische und arabische Welt gehören zu den Standardwerken.
Wie wurden die Korrespondentenberichte damals übermittelt, als es noch keine Computer gab und die Telefone meist nicht funktionierten? „Es gab eine Weisung der ‚Neuen Zürcher Zeitung‘: Luftpostbrief – ausser bei Revolutionen und Regierungswechsel. Dann: Pressetelegramm. Man ging auf den Flugplatz, hatte auf den Brief schon Schweizer Briefmarken geklebt und fragte einen Schweizer Passagier, würden sie den Brief bei ihrer Ankunft in der Schweiz bitte einwerfen. Das ging manchmal lange. Man musste so schreiben, dass die Texte auch in einer Woche noch lesbar waren – oder manchmal in zwei.“
Sein Ausblick war unerfreulich. „Ich bin pessimistisch“, erklärt er, „nicht nur für den Nahen Osten, auch für Europa.“ Vielleicht werde es bei uns nicht ganz so schlimm wie dort unten. Doch: „Die Zeit der Prosperität ist vorbei, auch in Europa kann es schlimm werden.“
(J21/hh)