Vor noch nicht langer Zeit ging die Elitendebatte so: Es braucht nach einer Periode allzu weitgehender und optimistischer Demokratisierungspostulate wieder Menschen, die Verantwortung übernehmen und sich als Eliten verstehen wollen. Deshalb: Hochbegabtenförderung, Eliteuniversitäten, globale Jobmärkte und freie Bahn den Besten.
Heute tönt es anders: Die abgehobenen Eliten an Amerikas West- und Ostküste haben die Lage der Mittel- und Unterschichten der USA nicht erkannt und das politische Geschäft Trumps nicht verstanden. Das Stichwort Globalisierung – Mantra der Eliten – ist auch in Europa zum Menetekel geworden, zur scharfen Waffe in den Händen der Le Pens, Wilders, Petris und Grillos. Selbst die vor den eisigen Winden des Weltgeschehens noch immer ziemlich geschützte Schweiz hat mit der Versenkung der USR III so etwas wie einen Aufstand gegen die Eliten gewagt. Jedenfalls gilt das Nein als Ausdruck verlorenen Vertrauens in die globale Wirtschaft sowie deren Zudiener und Herolde in Politik und Verbänden.
Bei beiden Ausschlägen des Zeitgeistes ist der Elitenbegriff eher Vehikel denn Inhalt. Füllt man ihn positiv, so steht er für eine Avantgarde, der kreative Energien und die Schaffung wirtschaftlicher, kultureller, gesellschaftlicher Fortschritte zugetraut werden. In seiner pessimistischen Fassung hingegen meint er die durch eine tiefe Kluft von der Mehrheit getrennte Schicht der Profiteure. Offensichtlich herrscht dieses zweite Verständnis von „Elite“ gegenwärtig vor.
Politische Entscheidungen stehen demgemäss vorwiegend im Zeichen der Negation: Kampf gegen Missstände, Abwehr von Bedrohungen, Korrektur von Fehlsteuerungen. Dass es in der Gestaltung der Gesellschaft auch um Freiräume und Lebenslust geht, sollte darob nicht vergessen gehen.