Der katastrophale Fehler von Martin Schulz besteht darin, nicht zu begreifen, dass Details der Lohn- und Rentenpolitik nicht den gleichen Stellenwert haben wie politische Richtungsentscheidungen. Als ehemaliger Kanzlerkandidat und amtierender SPD-Vorsitzender hätte Schulz den Mut haben müssen, so etwas wie Richtlinienkompetenz, wie sie laut Gesetz allein dem Kanzler zusteht, für sich im Wahlkampf zu reklamieren. Aber er wollte nur lieb sein und es allen Genossinnen und Genossen recht machen.
Er stellte jede soziale Forderung seiner Parteigenossen mit Grundsatzfragen der zukünftigen Aussen- und Sicherheitspolitik gleich. Aber wo alles gleich wichtig ist, ist nichts mehr wichtig. Auch das Regieren nicht. Schulz gab die emsige Mutti, die einfach nur besser sein wollte als die amtierende Mutti. Aufregend ist das nicht.
Statt dessen hätte er das Projekt Europa stark machen müssen. Aber bei seinen Auftritten tat er so, als sei er nie Präsident des Europaparlaments gewesen, könne kein Englisch und kein Französisch und als seien die grossen Themen Europas wie der Brexit, der Zerfall Spaniens, die ungelösten Finanzkrisen und der Niedergang Amerikas unter Trump weitaus weniger brennend als die Tarifentwicklungen im öffentlichen Dienst und die künftigen Renten.
Ein Weckruf hört sich anders an: „Ich verstehe Ihre Sorgen, aber bitte schauen Sie über Ihren Vorgartenzaun hinaus.“ Wohin schaut Merkel? Wohin schaut Schulz? Sicher nicht auf weite Horizonte. Sie erinnern an den Panther von Rainer Maria Rilke, dessen Blick an den Stäben seines Käfigs einfach nur müde geworden ist.