Wer fürs Pragmatische votiert, kann der Zustimmung sicher sein. Solches Denken und Handeln gilt als vernünftig, realistisch und effizient, weil es angeblich nicht von weltfremden Theorien verleitet ist. Weit ausgreifendes Denken, so die populäre Sicht, verstellt bloss die Sicht auf wirtschaftliche und politische Gegebenheiten. Deshalb sei ein theoriefreies, allein an Tatsachen orientiertes Vorgehen ohne jeden «Ismus» allemal die beste Wahl.
Das Dumme an dieser naheliegenden Empfehlung ist nur, dass der vielgepriesene Pragmatismus just so ein «Ismus» ist: eine in der amerikanischen Philosophie des späten 19. Jahrhunderts entwickelte Denkschule, hoch theoretisch und komplex wie alles Philosophieren. Pragmatische Philosophie fokussiert auf die Deutung menschlich-gesellschaftlichen Handelns. Hier liegt ihre Stärke. Schwächen und Grenzen hat sie hingegen, wenn es darum geht, Werte, Ideen und Ziele zu diskutieren.
Die Hochschätzung des Pragmatischen in Politik und Wirtschaft dient denn auch oft dazu, Wertfragen und Zieldiskussionen vom Tisch zu bekommen. Was im populären Sinn «Pragmatismus» heisst, ist in Wahrheit dessen auf seine blinden Flecke reduzierte Schrumpfform. Die bekannte mangelnde Eignung pragmatischen Denkens für Grundsatzfragen ist umgedeutet zur platten Devise, über das Nächstliegende hinausschauen zu wollen, sei für die Katz.
Diese in Politik und Wirtschaft populäre Haltung verdient nicht Pragmatismus, sondern eher Durchwursteln genannt zu werden. Letzteres mag übrigens in bestimmten Situationen durchaus funktionieren; bloss nicht dann, wenn – wie so oft in Wirtschaft und Politik – die Probleme ihren Ursprung in der Unklarheit von Zielen haben.