Der Maler Max Ernst hat sich eine Zeitlang einen Spass daraus gemacht, Bilder so klein wie möglich zu malen. Eine ganze Ausstellung passe nun in eine Streichholzschachtel, resümierte er.
Billig, einfach, schnell
Beim Ausstellungskonzept, das der Verleger Gerhard Steidl für die Werke Robert Franks entwickelt hat, geht es zwar nicht um Miniaturisierung, sondern im Gegenteil um etwas Monumentales. Denn die Bilder von Robert Frank werden per Acryl-Inkjet auf Bahnen von Zeitungspapier gedruckt.
Diese Bahnen sind bis zu 4 m lang und werden in den Ausstellungsräumen zum Teil in dieser Länge an die Wände gehängt. Der Witz besteht nun darin, dass die ganze Ausstellung zwar nicht in eine Streichholzschachtel passen würde, jeder Kurator sie aber bequem als Papierrolle unterm Arm mit sich führen könnte.
Der Start dieser Ausstellung war am 22. November in der Akademie der Bildenden Künste in München. Sie endet dort am 21. Dezember und wird ab Mai 2015 im Museum Folkwang in Essen gezeigt. Und dann geht es erst richtig los: eine Welttournee mit 50 Städten in 30 Ländern.
Ironisch liesse sich anmerken, dass die Versicherungskosten für das ganze Unternehmen gegen Null tendieren. Denn selbst wenn Bilder verloren gingen oder vandalisiert würden, wäre die Schadenshöhe mit dem Wert des Zeitungspapier gleichzusetzen – hinzu kämen geringe Druckkosten.
Ungewöhnlicher könnte ein Ausstellungskonzept kaum sein, und das ist ganz nach dem Geschmack von Robert Frank. Als Gerhard Steidl, der seit Jahren dessen Bücher verlegt und ihn regelmässig in Mabou auf der Kap-Breton-Insel in der kanadischen Provinz Nova Scotia, besucht, fragte, was er denn von diesem Konzept halte, antwortete er, dass ihm leider erst jetzt in seinem hohen Alter ein Konzept unterbreitet worden sei, das ganz seinem Geschmack entspreche: „Cheap, quick and dirty, that´s how I like it!“
Wer ist Robert Frank?
In München und an den anderen Ausstellungsorten werden allerdings nicht nur die Bilder an den Wänden gezeigt. Man sieht auch die zahlreichen Bücher Robert Franks und man kann zumindest Ausschnitte der inzwischen restaurierten Filme sehen. Zwar verbindet man mit dem Namen Robert Frank in erster Linie sein berühmtes Werk von 1958, „Die Amerikaner“, aber er selber hat sich davon immer wieder buchstäblich losgerissen, um dann in immer wieder neuen Anläufen darauf zurückzukommen und in den Auflagen, die wieder und wieder erschienen, die Bilder jeweils neu zu beschneiden.
Wer ist dieser Robert Frank, und wie sind seine Werke zu deuten? Es ist gar nicht so einfach, an Informationen über ihn heranzukommen. Denn in seinem berühmtesten Werk gibt es nur sparsamste Bildlegenden und einen Essays von Jack Kerouac. Da werden einige Schlaglichter geworfen, aber was Robert Frank, der als Sohn jüdischer Eltern unter misslichen Umständen während des Zweiten Weltkrieges in der Schweiz aufwuchs und in den fünfziger Jahren New York und Amerika entdeckte, um dort zu bleiben, antrieb,das findet sich doch nur sehr verstreut.
Um dem abzuhelfen, hat sich der Verleger Gerhard Steidl etwas einfallen lassen, das ebenso originell ist wie seine Ausstellungsidee: ein ausführlicher Katalog in Zeitungsform mit Texten von Jack Kerouac, Robert Frank und zahlreichen neueren Autoren. Jack Kerouac schildert ausführlicher und deutlich unterschieden von seinem damaligen Vorwort, wie er Robert Frank auf einer längeren Fahrt begleitet hat und beobachten konnte, wie dieser fotografiert. Schon nach den ersten Bildern, die Robert Frank in seiner Gegenwart gemacht hatte, war Kerouac klar, dass Robert Frank einen unglaublichen Blick für Zusammenhänge hat, die dem normalen Auge vollkommen entgehen. Er bezeichnet ihn als den „John Dos Passos der amerikanischen Fotografen“. Schlagartig sei ihm klargeworden, dass er es mit einem wirklichen Künstler zu tun hat.
Das richtige Wort, das richtige Bild
Und die Beiträge von Sarah Greenough dürften zum Besten gehören, was je über die Entstehung, die Intentionen und die Komposition von „The Americans“ geschrieben worden ist. Robert Frank wollte, wie sie resümiert, ganz ähnlich wie Walt Whitman, Jack Kerouac oder Allen Ginsberg eine Ode an Amerika schreiben. Aber wie schreibt man mit Bildern eine Ode, die genau das ausdrückt, was man gegenüber einem Land wie Amerika empfindet?
Wie findet man das richtige Wort? Für Robert Frank stellte sich diese Frage natürlich anders: Wie findet man das richtige Bild? Immer wieder wird erzählt, dass er für sein berühmtes Buch etwa 27'000 Fotos gemacht habe, von denen am Ende nur 81 den Weg ins Buch gefunden haben. Was für den Laien wie eine gigantische Verschwendung aussieht, erweist sich hier als das Ringen um den treffenden Ausdruck. Und Robert Frank sagt selbst: „Ich mache immer dieselben Bilder. Ich schaue immer nach draussen und versuche dabei, nach innen zu sehen, etwas Wahres zu erzählen. Aber vielleicht ist nichts wirklich wahr, ausser: Das, was dort draussen ist, und was dort draussen ist, ist immer anders.“
Das Ringen um den adäquaten bildnerischen Ausdruck erklärt auch, warum sich Robert Frank zeitweilig von der Fotografie ab- und dem Film zugewandt hat. Er wollte die Rolle des einsamen Beobachters verlassen und im Team das gestalten, was dann auf den seriellen Bildern des Films zu sehen sein soll. Auch hier war er natürlich ein Freund des wagemutigen Experiments, das den Zuschauern sehr viel abverlangt. Im Katalog findet man Statements, aus denen klar hervorgeht, wie schwer sich auch seine Freunde mit manchem taten.
Der Eigenwillige
Es ist sehr erstaunlich, wie nonchalant Robert Frank mit dem Medium des Bildes umgeht. Als junger Fotograf war er handwerklich perfekt und durfte schönste Erfolge in der Modefotografie in der Zeitschrift Haper´s Bazaar unter dem legendären Art-Director Alexey Brodovitch feiern. Die besten Fotografen Amerikas wie Edward Steichen und Walker Evans waren seine Förderer und Freunde. Schon früh stellte er im Museum of Modern Art in New York aus und arbeitete am Konzept für die Ausstellung „Family of Man“ mit.
Aber er war eben auch eigenwillig und ein Querkopf. Als Life ihm und Jack Kerouac zwar einen Vorschuss für einen Teil der Reise durch Amerika bezahlt hatte, die Geschichte am Ende aber ablehnte, reagierte Robert Frank mit Erbitterung und abfälligen Kommentaren. Mehr als eine kurze Phase war das aber nicht. Denn bei seiner lebenslangen Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten hatte und hat er stets auch einen Funken Witz im Auge.
Dies alles kann man in dem reich bebilderten Katalog nachlesen, der übrigens, wie es sich für eine Zeitungsausgabe gehört, für € 2.60 im Buchhandel zu beziehen ist.
Robert Frank, Books and Films, 1947-2014, herausgegeben von Alex Rühle. Eine Kooperation des Süddeutschen Verlages mit dem Steidl Verlag, 64 Seiten, Zeitungsdruck auf Recyclingspapier, ISBN 978-3-86930-938-5