Die französische «Libération» fragte sich, ob das Treffen «historisch oder hysterisch» zu werten sei. Beides trifft zu. Erstens war es zweifellos besser, dass sich die zwei Streithähne gesehen und angelächelt haben, statt weiter gegenseitige Beleidigungen über Twitter (Trump) oder – noch etwas altmodisch – über sein persönliches Staatsmedium (Kim) auszutauschen und sich mit Atomwaffen zu bedrohen. Letzteres hat bereits etwas Hysterisches an sich. Aber der vor kurzem noch undenkbare Gipfel könnte ein historischer werden, falls noch Resultate folgen. Bisher glauben allerdings Asienkenner nicht, dass Kim auf seine Atomwaffen – seinen einzigen Trumpf – verzichten kann. Sein Regime hat früher schon diesbezüglich gelogen. Die Dynastiediktatur in dritter Generation braucht diese Waffe auch zum eigenen Überleben im eigenen Land.
Kim brauchte aber auch den Gipfel mit Trump, und dies war gegenseitig. Trump hat sich in Singapur unsensibel wie immer als schlauen Geschäftsmann mit vielen Verhandlungstricks gelobt. Nachdem er das Nuklearabkommen mit Iran verwarf, der EU den Handelskrieg erklärte, den G7 sitzen liess und vordem schon das Klima-Abkommen aufgekündigt hatte, brauchte er für den Halbzeit-Wahlkampf in «America first» eine neue Bestätigung, ein grosser Staatsmann zu sein. Kim wollte Ähnliches, denn die internationalen Wirtschaftssanktionen helfen dem verarmten Land gar nicht.
So wurde der Gipfel mit Hollywood-Vorspann möglich. China, Nordkoreas Schutzmacht, scheint man vergessen zu haben (wird sich aber in Erinnerung rufen). Japans Bedenken hat man beiseitegeschoben, Südkorea (unentbehrlicher Geburtshelfer der Konferenz) in der Frage der Militärmanöver vor den Kopf gestossen. Dafür machte Trump Putin wieder schöne Augen. Man kann nicht gleichzeitig alle gegen sich haben. Aber wir können leider weder Trump noch Kim vertrauen.
Denn Geopolitik auf die eigene Hysterie oder Egomanie abstützen, wie dies der Republikaner Trump und der Maoist Kim tun, kann erhebliche Kollateralschäden zur Folge haben, die nicht ohne weiteres zu beheben sind. Auch EU-Staaten sind mit immer mehr extremistischen Parteien zunehmend von diesem neuen Stil betroffen. Für Demokratien eine schwierige Herausforderung.