
Es ist nicht leicht, darüber keine Satire zu schreiben: Trumps Unterhändler Steve Witkoff verkündet nach seinem Besuch in Moskau im Fernsehen ohne Vorbehalt als pure Wahrheit, dass Putin ihm erzählte, er habe mit einem Priester für Trump gebetet, als ein Attentat gegen ihn verübt wurde. Kein Wunder, wird Putin von Trump und seinen Propagandisten als Kriegsherr in der Ukraine weiterhin mit Samthandschuhen behandelt.
Kurz nach der Rückkehr von seinem Treffen mit Putin in der vergangenen Woche hat Steve Witkoff, Trumps persönlicher Freund und neuer Verbindungsmann zu Russland, dem rechtskonservativen Fernseh-Agitator Tucker Carlson ein anderthalbstündiges Interview gegeben, in dem er seine Einschätzungen über den Kremlchef und dessen Haltung zum Ukrainekrieg ausbreitete. Carlson hatte schon vor einem Jahr das exklusive Privileg bekommen, mit Putin ein langes Interview zuhanden des westlichen Publikums zu führen. Er bedankte sich damals für diese Auszeichnung, indem er als serviler Stichwortgeber für den russischen Machthaber dessen Propaganda-Sermon auch nicht einmal kritisch hinterfragte.
Ein Unterhändler nach Moskaus Geschmack
Witkoff, der wie Trump als Immobilienmogul in New York reich geworden und mit diesem seit langem eng verbunden ist, hatte für den Präsidenten schon die Verhandlungen mit dem israelischen Regierungschef Netanjahu für einen temporären Waffenstillstand im Gazastreifen geführt, der inzwischen wieder zusammengebrochen ist. Dass er im Namen Trumps jetzt auch mit Putin direkt über den Ukrainekrieg verhandelte, verdankt er einer merkwürdigen personellen Rochade des Präsidenten.
Denn zunächst hatte Trump den früheren General Keith Kellog als zuständig für das Problemfeld Ukrainekrieg vorgesehen. Inzwischen ist Kellogg offenbar nur noch für die Kontakte zur Ukraine zuständig. In amerikanischen Medien wird dazu das Gerücht verbreitet, Trump habe Witkoff zum Unterhändler mit Putin ernannt, weil der Kreml signalisiert habe, dass man Kellogg als Gesprächspartner nicht schätzen würde, weil seine Einstellung gegenüber Russland zu kritisch sei.
Ob diese Version stimmt oder nicht – in Moskau hat man jedenfalls allen Grund, sich über den US-Verbindungsmann Witkoff zufrieden die Hände zu reiben. Der Trump-Vertraute hat in dem erwähnten Interview mit dem Trump-Schwärmer Tucker Carlson Putin in ein derart schmeichelhaftes und vertrauensseliges Licht gerückt, das wohl selbst hartgesottene Propaganda-Spezialisten in Moskau angenehm überrascht haben dürfte.
Ein russisches Portrait als Geschenk für Trump
Dass er den russischen Machthaber als «super smart guy», also als geschickten oder schlauen Kerl charakterisierte, mag noch halbwegs verständlich sein, denn diese Aussage lässt sich ja politisch oder moralisch unterschiedlich interpretieren. Das gilt indessen nicht für Witkoffs Aussage, er halte Putin «nicht für einen schlechten Menschen». Sollte der Trump-Vertraute diese Einschätzung nicht nur als Schmeichelvorschuss für zukünftige Kremlgespräche gemeint haben, dann muss man ihn entschieden als unfähigen Menschenkenner einschätzen. Denn diese Charakterisierung betrifft immerhin einen ruchlosen Diktator, der im eigenen Land jede politische Opposition unterdrückt und verfolgt und als Auslöser des mörderischen Angriffskrieges gegen die Ukraine Hunderttausende von Toten und Verwundeten und Millionen von Flüchtlingen zu verantworten hat.
Weiter verkündete Witkoff im amerikanischen Fernsehen brühwarm und ohne jeden kritischen Vorbehalt oder ironischen Unterton, der russische Präsident habe ihm erzählt, dass er nach dem Schussattentat gegen Trump im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf vom vergangenen Sommer mit einem Priester für die Gesundheit Trumps gebetet habe. Obendrein lässt er das Publikum wissen, dass Putin ihm ein Portrait von Präsident Trump nach Washington mitgegeben habe, dass von einem der besten russischen Maler angefertigt worden sei. Auch dieses Detail spricht vor allem für Putins Willen, die billige Schmeichelwährung gegenüber dem Egozentriker und möglichen Deal-Partner im Weissen Haus hemmungslos einzusetzen.
Weiter beteuert Trumps Kontaktmann zu Putin treuherzig, er glaube den Versicherungen des Kremlchefs, dass Russland nur die Krim und die vier offiziell bereits annektierten (aber noch nicht vollständig eroberten) ukrainischen Provinzen für sich beanspruche und keine weiteren Expansionspläne mehr verfolge. Dass der Moskauer Machthaber noch kurz vor dem Überfall auf die Ukraine gegenüber hohen westlichen Besuchern im Kreml versichert hatte, dass er das Nachbarland keineswegs angreifen werde und dass er ein paar Tage später seine Panzerkolonnen direkt gegen die ukrainische Hauptstadt Kiew rollen liess, scheint Witkoff entweder nicht zu wissen oder erfolgreich verdrängt zu haben.
Theatralische Verrenkungen auf beiden Seiten
Doch so ganz undurchsichtig ist der ziemlich abrupte Wechsel zwischen Moskau und Washington von der gegenseitigen Dämonisierung nach dem Ausbruch des Ukrainekrieges zum Austausch von Freundlichkeiten und reichlich plump anmutenden Schmeicheleien vielleicht auch wieder nicht. Auf beiden Seiten steht hinter dieser neuen rhetorischen Tonart und ihren kooperativen Verheissungen wohl ein bestimmtes Kalkül. Trump und Putin rechnen offenbar damit, durch solche diplomatischen Stilmanöver und bilateralen Kulissenverschiebungen ihre eigenen Ziele besser durchsetzen zu können.
Falls solche theatralischen Verrenkungen tatsächlich zu einem umfassenden temporären Waffenstillstand an der ukrainischen Kriegsfront, wie ihn Kiew und Washington Moskau angeboten haben, und zu echten Fortschritten in Richtung einer akzeptablen Friedenslösung führen sollte, wäre das bei aller Skepsis eine positive Entwicklung.
Aber die Befürchtung ist sehr begründet, dass Trump und seine Adlaten sich bei ihrer Charme-Offensive gegenüber Putin wenig um die Interessen der Ukraine kümmern und stattdessen bereit sein werden, über Kiews Kopf hinweg einem imperialen Moskauer Diktatfrieden zuzustimmen. Sollte es zum Schaden für die Ukraine so weit kommen, so wird Trumps Unterhändler Steve Witkoff sich darauf einstellen müssen, den Zerfall der amerikanischen Glaubwürdigkeit mit neuen naiven Geschichten über Putins Gottesgläubigkeit und Bereitschaft zu territorialer Beschränkung aufzufangen.