
Gelingt der radikale Umbau zu einer klimaneutralen Energie, Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050? – Debatte mit Katharina Beck, MdB, und Jörg Eigendorf, Chief Sustainability Officer der Deutschen Bank
Jörg Eigendorf spricht von «einem globalen Markt- und Staatsversagen». Das Gegenprogramm wäre eine zukunftsfähige Nachhaltigkeit, ein verantwortungsbewusster Umgang mit den begrenzten Ressourcen. Wird diese Nachhaltigkeit erreicht? – Katharina Beck: «Dafür braucht man ja auch die Herzen. Und die Herzen sind im Moment sehr stark von unterschiedlichen Themen betroffen, (…) von Zukunftsangst.» Sie plädiert deshalb dafür, dass «man aus dieser Angstdebatte eine positive Chance, eine wirtschaftliche Chancendebatte macht. (…) Optimismus ist Pflicht».
Für Eigendorf ist die Frage nicht ob, sondern wie: «Die Wirtschaft muss umgebaut werden, es gibt keine Alternative. (…) Wir müssen es schaffen, aber sind daran bisher gescheitert, (… weil) wir es nicht geschafft haben, die wahren Kosten des Wirtschaftens in den Wirtschaftskreislauf zu integrieren. (…) Entweder werden wir es in einer disruptiven Form schaffen müssen, weil irgendwann (…) die Wertschöpfungsketten zusammenbrechen (…) oder aber wir werden es in einem organisierten transformatorischen Prozess schaffen. (…) Dass die Regenwaldnationen bis heute für den Schutz ihres Regenwaldes keinen finanziellen Vorteil haben, (…) da es immer noch günstiger ist, den Regenwald zu roden, als ihn zu schützen, das nenne ich ein phänomenales Versagen. Wenn wir so weiter machen, wird es immer disruptiver werden, und die Folgen werden immer katastrophaler.»
Extrem wichtig dabei sei: «Wir müssen aus der Ideologisierung dieses Problems raus. Es geht eigentlich um die Elektrifizierung unseres Energiesystems. (…) Wir haben es aber in Deutschland geschafft, zwei Dinge so richtig zu verteufeln: Die Wärmepumpen (…) und die E-Autos.(…) Das sind zwei Dinge, sie sind schon marktfähig.» – Das sieht Beck ähnlich: Wärmepumpen seien einfach «die überlegene Technologie» und zu den E-Autos: «Schon vor 10 bis 15 Jahren musste man auf den Automobilmessen beobachten, dass VW und andere deutsche Unternehmen hintenanstanden, weil in China schon allen Produzenten klar war, dass das E-Auto die Zukunft ist. (…) Ich war in Zwickau, da gibt’s ein paar VW-Werke, die E-Autos herstellen. Die Betriebsräte dort haben mir gesagt: ‘Können Sie was dafür tun, dass das E-Auto nicht so schlecht geredet wird?’ (…) Es geht um das Schlechtreden der Wärmepumpen, es geht um das Schlechtreden der E-Autos.»
Wer trägt die Kosten? – Eigendorf: «Wenn wir mal wegkommen von dieser ideologischen Debatte (…), dann wird das alles direkt machbar. Dafür brauchen wir aber nicht nur Staatsgeld, sondern am Ende den privaten Kapitalmarkt. Dafür brauchen wir in Europa eine Kapitalmarktunion. (…) Wir haben jetzt 100 Milliarden in diesem (vom Bundestag beschlossenen Klima-)Fonds, wir brauchen (aber) 3,3 Billionen in den nächsten 25 Jahren. (…) Dann kommt man zwangsläufig dazu, dass der private Kapitalmarkt es finanzieren muss. (…) Wenn wir die Bedingungen dafür nicht anpacken, (…) dann wird es nichts aus dieser Vision werden, dass unsere (fossile) Primärenergieabhängigkeit so stark fällt wie nötig. Und wir müssen das Energiepreisniveau in diesem Land in den Griff kriegen, weil wir sonst de-industrialisieren.»
Was sind die Chancen der Transformation? – Eigendorf: «Natürlich ist das ein Geschäftsmodell. Wir können mit den knapp 2% CO2-Emissionen weltweit keinen grossen Einfluss ausüben. Wir können aber eins sein: ein Vorbild für alle anderen Staaten und Volkswirtschaften, dass man eine solche Transformation gut hinbekommt. Dafür braucht es einen staatlichen Rahmen, der private Investitionen sehr attraktiv macht, (…) einen gemeinsamen europäischen Kapitalmarkt (…) und verlässlich höhere CO2-Preise (…) Dann kriegen wir das hin.» – Beck bestätigt die Chancen: «Wir haben in Europa ein geiles Asset, nämlich den grössten Binnenmarkt der Welt. (…) Wir sind Vizeweltmeister im Bereich Umwelt- und Klimatechnologien (…). 90% (der Investitionen für den Energieumbau) müsste ja eigentlich privates Kapital sein und da sind super Geschäftschancen.»
Link zum Anhören der Debatte: https://podcasts.apple.com/us/podcast/tim-guldimann-debatte-zu-dritt/id1584971200