Am Genfer Automobilsalon 2019 zeigte sich einmal mehr, dass ein Hype, oder diplomatischer gesagt: ein dominierender Trend den Blick der Medien und von Teilen der Wirtschaft voll auf sich zieht. Alles andere wird ausgeblendet.
Wasserstoffantrieb
Damit bleibt viel potentiell Besseres auf diesem Gebiet nahezu unbeachtet. So geschah es beim Genfer Autosalon. Der riesige Hype oder Trend Elektromobilität, also Batterieautos, dominierte. Die mit grosser Wahrscheinlichkeit zukunftsträchtigere Lösung für abgasfreie Auto-Antriebe der Zukunft wurde auf dem kleinen, eher versteckten Stand 6239 der Erdölvereinigung EV präsentiert: die Tankstelle der Zukunft, eine innovative Zapfsäule für Wasserstoff (H2). Viel zu wenige interessierten sich an den Pressetagen dafür.
Ausführliche, gut verständliche Artikel darüber fehlten in den Medien weitgehend. Wasserstoffantrieb: Wen interessierte das schon gross angesichts der Batterieauto-Dominanz? Auf jedem Ausstellungsstand grösserer, aber auch kleinerer Fahrzeugproduzenten präsentierten sich eines oder mehrere batteriebetriebene E-Autos mit Batteriepower.
Schwacher Kraftprotz
So auch bei Nobelmarken wie Jaguar, Audi, Mercedes, BMW und Volvo mit der E-Auto-Tochter Polestar. Aber auch bei Massenproduzenten wie VW, Ford, Renault, Fiat, den Japanern und anderen mehr. Auch der chinesische Hersteller Arcfox zeigte eine Batterielimousine.
Selbst der Sohn des früheren VW-Patriarchen Ferdinand Piëch, Anton Piëch, glänzte mit einem eleganten Sportwagen mit ca. 600 PS Leistung zum Preis zwischen 100’000 und 150’000 Euro. Mit seinem Batterieantrieb hat er nur rund 500 km Reichweite – schwach für ein Fahrzeug dieser Klasse. In zwei, drei Jahren soll dieser „Piëch“ auf den Markt kommen.
Vorteile der Brennstoffzelle
Weshalb bietet ihn Anton Piëch nicht gleich mit der Öko-Zukunftstechnologie an, mit einem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Elektroantrieb? Hierbei wird aus Wasserstoff Strom für die Elektromotoren in LKW, Bussen oder eben PW erzeugt. Diese Technologie bietet mehrere Vorteile gegenüber dem Batterieantrieb: mehr Reichweite, sehr viel kürzere Betankungszeit – und absolut abgasfrei. Zudem sind beim Brennstoffzellen-Antrieb hunderte Kilo schwere Batterien nicht nötig. Man braucht lediglich einen etwas stärkerer Akku als Power-Puffer. Wenn der Fahrer Vollgas gibt, unterstützt dieser Stromspeicher kurz die Brennstoffzelle.
Woher kommt der Wasserstoff? Mithilfe von elektrischem Strom wird in einem Elektrolyseur aus Wasser der Energieträger Wasserstoff sowie Sauerstoff erzeugt, und zwar möglichst direkt bei den CO2-freien Stromerzeugern wie Wasserkraftwerken, grossen Solar- oder Windenergieanlagen oder auch bei Kernkraftwerken. Dies geschieht, wann immer möglich, aus überschüssiger Elektrizität, die nachts, an Wochenenden und Feiertagen oder immer, wenn infolge besonders günstiger Umstände zuviel Strom aus Wasserkraft, Wind- oder Solarkraftwerken anfällt, der von der Industrie, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben, privaten Haushalten etc. gerade nicht gebraucht wird.
H2-Tankstellen
Der Wasserstoff wird dann in grosse Tanks gepumpt und per Tankfahrzeug ähnlich wie Benzin oder Diesel zu den Tankstellen gebracht und dort in grosse Tanks gepresst. Hier lässt sich nun ein H2-PW in wenigen Minuten mit Wasserstoff volltanken. „Life’s too short to spend it charging a battery“, heisst es als leichter Seitenhieb an die Batterieautos in einer in Englisch abgefassten Broschüre der „H2 Mobility Deutschland“ mit ihren Mitgliedern wie Shell, Total, Daimler, Air Liquide und Linde. Mehr als hundert Wasserstoff-Tankstellen sollen bis Ende dieses Jahres in Deutschland offen sein, verspricht die Organisation. Auch andere EU-Länder sind dabei, besonders auch skandinavische Staaten.
In der Schweiz gibt es noch fast keine H2-Tankstellen. Der Detailhändler Coop betreibt seit 2016 die erste öffentliche Tankstelle dieser Art. Aber das soll sich rasch ändern: Der „Förderverein H2 Mobilität Schweiz“ mit seinen finanzkräftigen Mitgliedern (Shell, Socar, Avia, Coop und Coop Mineralöl, Migros und Migrol, Emil Frey, Agrola) macht Druck. Er erklärt, „bis 2023 ein flächendeckendes Netz von Wasserstofftankstellen aufbauen“ zu wollen. Dann spätestens dürften Wasserstoff-Brennstoffzellen-Autos attraktiv werden.
Das Schweigen der Bosse
Warum eigentlich sprechen die obersten Bosse der grossen Automobilhersteller an Automessen wie in Genf nicht viel mehr über Wasserstoff und Brennstoffzellen-Elektroautos? Böse Zungen sagen, dass die Autobosse zuerst ihre mit viel Aufwand entwickelten Batterieautos verkaufen und die entsprechenden hohen Investitionen amortisieren wollen.
Wie auch immer, Brennstoffzellen-PW gibt es schon heute. Und die Chefs und Ingenieure der Autoproduzenten denken sehr wohl über die Wasserstofftechnologie nach und arbeiten daran. Dazu wurde im Jahr 2017 das „Hydrogen Council“ gegründet. Mitglieder sind zahlreiche Automobilfirmen in Europa, Asien und den USA, Autozulieferer, Energiekonzerne, Technologieanbieter und Banken. Ziel: Förderung der Wasserstofftechnologie. Aggressive Anlageberater und Börsengurus prophezeien im Internet bereits den Tod des Batterieautos, wenn sich die Wasserstoff-Brennstoffzellen-Elektroauto-Technologie durchsetzt. Und sie rechnen mit viel Gewinn mit Aktien der Wasserstoffwirtschaft. So falsch liegen die Spekulanten möglicherweise nicht.