
Innert wenigen Wochen hat die Chaostruppe von Trump Putin rehabilitiert, die Ukraine verraten und Europa in eine akute sicherheitspolitische Krise gestürzt. Wiederholt sich die Geschichte in Asien, wo Trump mit China ins Geschäft kommen, Taiwan fallenlassen und seine bisherigen Verbündeten brüskieren könnte? Die Wildcard bleibt Indien.
Die geopolitische Situation angesichts der Trump’schen Abrissbirne bestehender Allianzen präsentiert sich im Grossraum Asien-Pazifik noch um einiges komplexer als in Europa. Im Moment deutet noch wenig darauf hin, dass die Rivalität zwischen der etablierten Supermacht, den USA und der aufsteigenden Supermacht China sich entschärfen könnte. Im Gegenteil.
USA vs. China
Den Wirtschaftskrieg gegen China, der bereits während Trump 1.0 begonnen hatte und von Präsident Biden weitergeführt wurde, setzt sich nun unter Trump 2.0 nahtlos fort. Im Moment 20% Grenzabgabe auf allen Importen aus China, was Beijing mit bislang Gegenzöllen primär auf amerikanischen Landwirtschaftsprodukten beantwortet hat. Dazu kommt amerikanische Behinderung des Online-Handels, so etwa bei Sendungen der «Kleinpaket-Giganten» Temu und Shein an amerikanische Individualkunden, wo die bisherige Zollbefreiung abgeschafft wird.
Die sicherheitspolitische Frontstellung verschärft sich insbesondere durch eine masslose Aufrüstung der chinesischen Marine und dort speziell der Küstenwache, die weit über ihre eigentliche Funktion hinaus amphibische Mittel zur Landung auf feindlichen Inseln entwickelt. Die USA haben darauf, relativ unbeachtet, mit der Stationierung von Mittelstreckenraketen auf ihren Stützpunkten in den Philippinen geantwortet. Weitere sollen auf den US-Basen in Japan folgen, was allerdings von Tokio offiziell noch nicht genehmigt worden sei.
Mit feindlicher Insel ist in erster Linie Taiwan gemeint. Von Biden noch nahezu bedingungslos unterstützt, hat Trump seine zweite Amtszeit mit einer scharfen Schelte von Taipeh begonnen: «Taiwan took our Chip Business away.» Ist das nun die übliche erste und überzogene Forderung des Teppichhändlers im Weissen Haus an einen Verbündeten, um mehr Geld einzufordern, oder ein Anzeichen dafür, dass der selbstdeklarierte Friedensgeneral Trump keinen potentiell tatsächlich schwerwiegenden Konflikt mit China über Taiwan riskieren will? Beijing wird jedenfalls aufmerksam verfolgen, wie erbarmungslos und ohne Not die Ukraine dem Wunsch Trumps zum globalen Einvernehmen unter Autokraten geopfert worden ist.
Entgegen der bis vor kurzem noch geltenden Meinung von Experten kann auch für die nahe Zukunft eine Eskalation chinesischer Aggression gegen Taiwan nicht ausgeschlossen werden. Zunächst, um die entsprechende Schmerzgrenze auszuloten, respektive zu sehen, ob eine solche in Trumps Weissem Haus überhaupt noch besteht. Dies trotz der vielzitierten «China Hawks» in Regierung und Parlament in Washington. Trump hat ja mit seiner jähen Wendung im Ukrainekrieg auch gezeigt, wie unter seinem Verdikt eigene Falken zu zahmen Tauben werden.
Die Hauptverlierer
Japan, Südkorea und Australien müssen bereits heute als die Hauptverlierer des Einzugs von Donald Trump ins Weisse Haus und seiner ersten Wochen im Amt bezeichnet werden. Sie haben unter der Ungewissheit zu leiden, ob Trump sie weiterhin als enge Verbündete und unverzichtbare Pfeiler der bisherigen «Pax Americana» im Indo-Pazifik betrachtet. Damit könnten sie, wenn auch vom Weissen Haus als «freeloaders» beschimpft, mit finanziellen Lösegeldzahlungen und anderen Wirtschaftskonzessionen davonkommen. Japan und Korea müssten die Stationierung der amerikanischen Streitkräfte auf ihrem Boden massiv höher abgelten, Australien ebenso die vorgesehene Übernahme amerikanischer Technologie von nuklear angetriebenen Unterseebooten.
Eigentlich widerspricht auch ein solches, für Trump vergleichsweise mildes Vorgehen jeder strategischen Vernunft. Die bislang erfolgreiche amerikanische Politik, in Ostasien und im Pazifik eine gestaffelte Abwehr gegen chinesischen Ausgriff zu errichten, erscheint auch im ureigenen Interesse Washingtons. Wie sich laufend zeigt, sind aber strategische Weitsicht und die Verfolgung langfristiger Eigeninteressen keine im aktuellen Weissen Haus gefragte Eigenschaften.
Einigermassen katastrophal für die bisherigen Verbündeten wäre eine Art «Superdeal» von Trump mit Xi Jinping. Dieser hat intern in seiner Autokratie wenig Widerstand zu fürchten. Er würde wohl auch empfindliche wirtschaftliche Einbussen für sein Land in Kauf nehmen, wenn er von Trump im Gegenzug mehr sicherheitspolitische Freiheit als unangefochtene Führungsmacht in der Grossregion erhält. Seoul vor allem, aber auch Tokio und Canberra müssten, so wie das im Moment für Europa der Fall ist, ihre bisherige, auf «backstopping» durch Washington beruhende Verteidigungsdoktrin völlig über den Haufen werfen.
In der Mitte, die ASEAN
Der Verteidigungsminister von Singapur, wo die USA dank entsprechender Infrastruktur de facto über einen Stützpunkt verfügen, hat kürzlich die Lage nach Trumps Wahl so umschrieben: «The US has changed from liberator to disruptor to landlord seeking rent.»
Er geht damit immerhin vom ersten der erwähnten Szenarien aus, dass sich die ASEAN-Staaten das Weiterbestehen des amerikanischen Sicherheitsschirms erkaufen können. Der kleine und wendige Stadtstaat hätte wohl auch in der Perspektive des erwähnten grossen Deals zwischen Trump und Xi weniger zu fürchten als etwa die Philippinen, die bereits heute unter starkem chinesischen Druck sind, Hoheitsansprüche aufzugeben.
Ob das allerdings bedeuten würde, dass sich Südostasien in Einflusssphären der Supermächte aufteilen lassen wird, ist nicht sicher. Bei allen grossen wirtschaftlichen, historischen und ethnischen Unterschieden innerhalb der ASEAN hat diese bislang eine erstaunliche Kohärenz gezeigt. Wenn auch Laos und Kambodscha bereits heute zu einem gewissen Grad chinesische Vasallenstaaten sind und der «failed state» Myanmar wenig Widerstand gegen China leisten kann, so trifft dies sicher nicht zu für Vietnam, dem Schwergewicht unter den indochinesischen ASEAN-Staaten. Mit Blick auf die sechs ursprünglichen ASEAN-Länder gilt ähnliches für Indonesien, das über die Grösse und den Reichtum verfügt, «non aligned» bleiben zu können.
Wildcard Indien
Das trifft in noch viel höherem Masse zu für Indien, wo Voraussagen über geopolitische Veränderungen in der Folge von Trumps Unberechenbarkeit speziell schwierig sind. Premierminister Modi hat die Wahl von Trump begrüsst, einmal weil er in ihm einen kaum von moralischen Skrupeln geplagten, autokratischen Geistesverwandten sieht und weil Indien von der jedenfalls im Moment dominierenden Gegnerschaft zwischen Washington und Beijing als Schwergewicht des nicht-chinesischen Asien profitiert.
Ob dies andauert, ist ungewiss. Momentan setzt Indien auf die Karte strategischer Rundum-Unabhängigkeit. Mit Trump hat Modi bereits gesprochen und seinem Pendant im Weissen Haus Wirtschaftskonzessionen und Waffenkäufe in Aussicht gestellt. Letzteres ist besonders wichtig für Delhi, das sich traditionell mit sowjetischem, dann russischem Rüstungsmaterial gegen den grossen Nachbarn China zu schützen gesucht hatte, was aber mit Blick auf die bereits überstrapazierte Industrie im wirtschaftlich ausgebluteten Russland in Zukunft ungewiss erscheint. Mit seinem massiven Kauf von Rohstoffen, speziell vom Westen boykottiertem Öl aus Russland und dem gleichzeitigen Werben um chinesisches Kapital zur Forcierung seiner Industrialisierung, versucht Delhi so aber weiterhin, Äquidistanz zu den USA, China und Russland zu bewahren.
Ob Modi sein unbescheidenes Ziel erreicht, Indien als asiatische, «non-aligned» Grossmacht zum Führer des Globalen Südens zu machen, ist ungewiss. Es wird auch davon abhängen, ob Trump Delhi als notwendiges Gegengewicht zu China ansieht und auch zu günstigen Bedingungen bewaffnet oder ob er dies im Rahmen des erwähnten Arrangements mit China für den Indo-Pazifik nicht mehr für nötig hält.