Die Neuwahl des Genfer Kantonsparlaments (Grand Conseil) bringt eine Überraschung: Der parteiinterne Streit hat den Rechtspopulisten eine saftige Niederlage beschert. Der „Mouvement des Citoyens Genevois“ (MCG) verliert knapp 10 Stimmenprozent und fast die Hälfte seiner Sitze. Nach Auszählung von fast allen Stimmen kommt der MCG im 100 Mitglieder zählenden Kantonsparlament auf 11 Sitze (bisher 20).
Einer der Gründe für den Einbruch ist die Parteispaltung. Vor zwei Jahren war Éric Stauffer, die Galionsfigur der Partei, von seinen eigenen Leuten nicht zum Präsidenten gewählt worden. Im Hinblick auf die jetzigen Wahlen gründete Stauffer im vergangenen Herbst eine eigene Partei: In Anlehnung an Macrons „La République en marche“ nannte er sie „Genève en marche“ (GeM). Mehrere MCG-Abgeordnete und Parteimitglieder traten der neuen Bewegung bei.
„Genève en marche“ löst sich auf
Doch Stauffers GeM gelang jetzt der Einzug ins Kantonsparlament nicht. Die Partei verfehlte mit 4,1 Prozent die in Genf notwendige 7 Prozent-Hürde deutlich. Genève en marche hat inzwischen bereits seine Auflösung bekanntgebeben.
Die Querelen am rechten Rand haben auch der SVP geschadet, die auch diesmal mit dem Mouvement des Citoyens Genevois eine Listenverbindung eigegangen war. Die SVP verlor knapp 3 Stimmenprozent und schafft mit 7,54 Prozent die 7 Prozent-Hürde nur knapp. Die SVP kommt auf 8 Sitze (minus 3). Nach den Wahlen vor fünf Jahren verfügten MCG und SVP, die sich im Bündnis „Nouvelle Force“ zusammengeschlossen hatten, über ein Wählerpotential von 31 Prozent. Jetzt sind es noch gut 17 Prozent.
Starke Grüne
Profitiert vom rechtspopulistischen Einbruch haben fast alle andern Parteien: Sowohl das rot-grüne als auch das bürgerliche Lager konnten ihre Stellung ausbauen. Der links der SP stehenden Partei „Ensemble à gauche“ gelang der Einzug in die Kantonsregierung erneut, allerdings mit 7,57 Prozent nur knapp.
Minime linke Mehrheit im Parlament
Die rot-grüne Linke vefügt nun wieder, mit 41 Sitzen (plus 7), über eine minime Mehrheit im Kantonsparlament. Das bürgerliche Lager (FDP und CVP) kommt auf 40 Mandate (plus 5). Die SVP und der MCG stellen künftig zusammen über 19 Sitze (minus 12).
Die SP gewinnt 2 Sitze (neu: 17 Sitze), die Grünen 5 Sitze (neu: 15 Sitze). Die Linksbewegung Ensemble à gauche, die sich gespalten hat, verteidigt ihre 9 Sitze.
Auf den MCG angewiesen
Die FDP bleibt mit einem Stimmenanteil von über 25 Prozent mit Abstand die stärkste Partei im Kanton Genf. Sie hatte bei den Wahlen vor fünf Jahren fast 4 Prozent Stimmen verloren. Jetzt gewinnt sie über 3 Prozent und vier Sitze dazu (neu: 28 Sitze). Die CVP kann ihren Stimmenanteil minim ausbauen und gewinnt einen Sitz (neu: 12 Sitze).
Sowohl die Linke als auch die bürgerliche Rechte können nicht allein regieren. Beide versuchen jeweils, im anderen Lager einige Abgeordnete für ihre Sache zu gewinnen. Gelingt dies nicht, sind sie auf Unterstützung des MCG angewiesen, der oft das Zünglein an der Waage spielen kann – auch wenn dieses Zünglein jetzt arg geschrumpft ist.
Ergebnisse
SP: 15,28% (+0,95%), 17 Sitze (+2)
Grüne: 13,61% (+4.0%), 15 Sitze (+5)
Ensemble à Gauche: 7,83% (-0,92%), 9 Sitze (bis bisher)
FDP: 25,21% (+2,84%), 28 Sitze (+4)
CVP: 10,71% (+0,10%), 12 Sitze (+1)
SVP: 7,32% (-3,01%), 8 Sitze (-3)
MCG: 9,65% (-9,58%), 11 Sitze (-9)
Trotz einiger Besonderheiten gelten die Genfer Wahlen seit jeher als Stimmungstest für die ganze Schweiz.
Nicht nur das Kantonsparlament, auch die Kantonsregierung (Conseil d’État) wurde an diesem Wochenende neu gewählt. Im ersten Wahlgang, bei dem das absolute Mehr galt, schaffte einzig der freisinnige Pierre Maudet die Wahl. Die übrigen Kandidaten müssen am 6. Mai erneut antreten. Dann gilt das relative Mehr.
Die Stimmbeteiligung betrug 35,86 Prozent.