Die Bilder dieses Bandes wirken so, als mache sich diese Stadt speziell für diesen Fotografen von Minute zu Minute neu zurecht. Als enthülle sie ihm einen Zauber, der anderen verschlossen bleibt. Und der Betrachter kommt aus dem Staunen nicht heraus.
Das Gespür für Formen und Farben
William Albert Allard lässt sich als fotografierender Maler charakterisieren. Denn seine Bilder wirken wie Gemälde, nur dass er für sie Kameras benutzt. Allard hat ein untrügliches Gespür für Formen, Proportionen und Farben und eine Art sechsten Sinn für Situationen. Manchmal wartet er geduldig auf eine bestimmte Konstellation, dann entsteht sie plötzlich, aber anders als er sich das vorgestellt hatte, und er reagiert mit schlafwandlerischer Sicherheit.
Seinen betörenden Bildern in diesem Band hat Allard einen längeren Text beigefügt. Darin erzählt er, dass er während mehrerer Jahrzehnte Paris wieder und wieder besucht hat. Einen Namen als herausragender Fotograf hat er sich ursprünglich bei der amerikanischen Zeitschrift National Geographic gemacht. Entsprechend hat er in erster Linie Landschaften und Städte fotografiert und immer wieder Menschen, sofern ihre Bilder zum Verständnis ihrer Region beitrugen. Man sagt, er habe in den fünf Jahrzehnten seiner Tätigkeit das Erscheinungsbild von National Geographic massgeblich geprägt.
Der Flaneur
1986 hat das Traveler Magazin von National Geographic William Albert Allard nach Paris geschickt, damit er einen Fotoessay über das Leben auf den Strassen von Paris erarbeitete. 1988 dokumentierte er Modeschauen in Paris. Es folgte eine Reportage über das Marais. Aber schon vorher und auch nachher ist er häufig privat nach Paris gereist.
In seinem Begleittext beschreibt sich Allard als „Flaneur“ und bezieht sich dabei auf den Autor Edmund White, der mit seinem Buch, „Der Flaneur. Streifzüge durch das andere Paris“ in den Augen Allards „die Bibel der menschlichen Beobachtungsgabe“ vorgelegt hat. Mit Lust beschreibt Allard in Anlehnung daran, wie er sich durch Paris treiben lässt, in Cafés und Bistrots sitzt oder Ausstellungen besucht. Während er das Leben um sich herum betrachtet, bezieht er sich wieder und wieder auf Maler wie Edgar Degas, Édouard Manet oder Gustave Caillebotte. Deren Bilder bevölkern seine Fantasie, und er lässt sich von ihnen sichtlich inspirieren.
Aber er ist Fotograf, und alles hängt davon ab, im richtigen Moment das richtige Foto zu machen: „Die Suche nach Bildern gleicht der Jagd: Man beobachtet und wartet.“ Dabei kann es vorkommen, dass andere Bilder als zunächst geplant entstehen oder dass das Resultat nicht ganz dem Wunsch entspricht. Offen schreibt Allard davon, dass manche seiner Bilder nicht optimal sind.
Wie die meisten Fotografen heute bedient sich Allard der digitalen Technik. Die Bildbearbeitung erlaubt es ihm nicht nur, Probleme, die zum Beispiel durch unzureichendes Licht entstehen, zu beheben. Vielmehr nutzt er gekonnt und behutsam die Möglichkeit, Farben zu korrigieren und andere Elemente so zu gestalten, dass das Bild am Ende dem entspricht, was er sich bei der Aufnahme vorgestellt hat.
Man sieht den Bildern an, dass an ihnen sorgfältig gefeilt wurde. Sie sind wie gute Texte, die so lange verändert wurden, bis jedes Wort stimmt. Das gelingt nur wirklichen Könnern.
William Albert Allard: Paris. Edition Lammerhuber, Baden bei Wien 2017. 240 Seiten, 119 Farbfotografien.