Damit hat die rechtsnationale PiS bereits die sechste Wahl in Folge gewonnen, wenn auch knapp. Sie hat in ihren Stammlanden, im ländlich geprägten traditionalistischen Ostpolen, besonders gut mobilisieren können. Deshalb hat sie gewonnen, obwohl sie nur in 6 von 16 Provinzen die Mehrheit erreichte. Hier fiel die Kombination von negativer Wahlkampagne und dem Anpreisen von erreichten sozialen Reformen auf besonders fruchtbaren Boden.
Duda versprach Stabilität. Das kam in den unruhigen Zeiten der Coronakrise gut an. Die Furcht vor lähmenden Konflikten zwischen einem oppositionellen Präsidenten Trzaskowski und einem von der PiS beherrschten Parlament wurde bewusst angeheizt. Gegen Trzaskowski gab es vor allem im staatlichen Fernsehen massive Angriffe. Der Wahrheitsgehalt war da nicht so wichtig. Beispielsweise wurde er auch schon mal als „extremer Linker“ an den Pranger gestellt. Homophobe Reflexe sollten die traditionellen Katholiken mobilisieren.
Was macht die PiS?
Ist Polen nun auf dem Wege Ungarns, das für Jaroslaw Kaczynski schon lange als ein Vorbild diente? Droht nun eine Langzeit-Herrschaft der PiS, ein immer autoritäreres rechtkonservatives Regime? Das ist leider ein mögliches Szenarium, aber nicht unbedingt das wahrscheinlichste.
Das Regimelager wird nun seine Machtpositionen weiter ausbauen und sich durch entsprechende Postenschachereien Loyalitäten sichern. Es wird schon lange gehegte Projekte forcieren, die bisher aus wahltaktischen Gründen zurückgestellt worden waren. So wird das Gerichtswesen durch eine „Reorganisation“ der Gerichtsstrukturen und parteiische Richterernennungen stärker unter Kontrolle gebracht werden.
Die immer noch bestehende grosse Medienvielfalt zu reduzieren, wird auch eines der zentralen strategischen Ziele sein. Dies ist allerdings nicht so leicht zu realisieren. Ein „Repolonisierungsgesetz“ – viele Medien sind durch ausländische Verlage kontrolliert – wird nicht nur auf Widerstand in Polen, sondern auch in Brüssel stossen.
Das Regimelager ist auch durch interne Konflikte geschwächt. Ein kleiner Koalitionspartner der PiS ist nicht mehr ganz auf Linie und könnte wieder mal ausscheren oder die Koalition verlassen. Allerdings hat die PiS vor allem auf der rechtsnationalistischen Seite noch ein Reservoir an möglichen Verbündeten. Zudem gibt es Rivalitäten um die bald einmal anstehende Nachfolge Kaczynskis. Duda hat jetzt zwar durch seinen Wahlsieg eine starke Position, aber das kann sich wieder ändern.
Eine weitere grosse Unbekannte ist die Entwicklung der sozialen und wirtschaftlichen Lage. Dauern die Folgen der Coronakrise länger, wird die PiS an Rückhalt verlieren.
Was macht die Opposition?
Sehr viel hängt von der Entwicklung der Opposition ab. Rafal Trzaskowski hatte einen eindrucksvollen Wahlkampf hingelegt. Er wurde zu einem eigentlichen Hoffnungsträger. Bezeichnend war, dass er fast zwei Drittel der jungen Wähler für sich gewinnen konnte. Duda hatte hingegen nur bei den über 50-Jährigen eine deutliche Mehrheit erreicht. Auch in den grösseren Städten hat Trzaskowski Duda deutlich übertroffen.
Trzaskowski hat das Potential, zu einer Integrationsfigur der bisher gespaltenen Opposition zu werden. Das wäre ein wichtiger Schritt für einen Wahlsieg bei den nächsten Parlamentswahlen in dreieinhalb Jahren. Allerdings sind die Rivalitäten gross, auch innerhalb seiner eigenen Partei.
Die stark gestiegene Polarisierung kann auch dazu führen, dass wieder mehr Auseinandersetzungen auf der Strasse ausgetragen werden, wie das zu Beginn der PiS-Herrschaft schon der Fall war. Allerdings dürfte die Enttäuschung über den verpassten Sieg zuerst einmal zu einem politischen Rückzug beitragen.
Aber in Polen ist aufgrund der wechselvollen Geschichte oft ein Zyklus von Anpassung und Widerstand wirksam gewesen. Das könnte auch jetzt wieder der Fall sein. Die fortschreitende Urbanisierung und Säkularisierung werden die Position der rechtskonservativen PiS zusätzlich schwächen.
In einer mittelfristigen Perspektive erscheint der Entwicklungsweg Polens immer noch offen. Das schafft Hoffnung für die Opposition. Wie heisst es so schön in der Nationalhymne: „Noch ist Polen nicht verloren.“