Was will sein Gegenspieler in Teheran, Ali Khamenei, was kann er tun? Er sucht offenbar dringend einen Vermittler, einen geheimen Kanal zu Trump. Doch vergeblich.
Niemand plant einen Krieg. Ali Khamenei nicht, weil er ihn nicht will. Denn mit diesem Krieg könnte der mächtigste Mann im Iran seine Macht verlieren. Donald Trump auch nicht. Denn der US-Präsident hält alle Kriege, die seine Vorgänger im Nahen Osten geführt haben, bekanntlich für sinnlos. Sie hätten Billionen Dollar gekostet und den USA nichts gebracht als Probleme, sagte Trump dutzende Male während seines Wahlkampfs. Und alles deutet daraufhin, dass dies immer noch seine Meinung ist. Einen Waffengang mit dem Iran plant er also nicht. Noch nicht.
Warten und leiden
Was Ali Khamenei will, ist einfach zu erklären: die momentane Krise ebenso wie Trumps Amtszeit überstehen und auf bessere Zeiten hoffen. Vielleicht gibt es ab 2020 einen anderen Präsidenten.
Aber was will Donald Trump tatsächlich, wenn er noch keinen Krieg will? “They have to suffer more first“: Sie, die Iraner, sollen zunächst mehr leiden. Dieser Satz ist reichlich zitiert und glaubwürdig dokumentiert. Trump soll ihn dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron gesagt haben, und er beschreibt seine momentane Politik gegenüber dem Iran. Ob das eine kluge Strategie oder nur eine taktische, vorübergehende Haltung ist, das werden wir bald, wahrscheinlich schon in in den nächsten Monaten, erfahren. Doch die Vorgeschichte – wann, wo und warum Trump diesen Satz sagte – ist interessant und lehrreich für alle, die seine Weltsicht verstehen wollen.
Trump hat eine Message
Wir befinden uns in der Mitte des Septembers 2017. In New York soll am 18. des Monats die alljährliche UN-Generalversammlung beginnen. Staats- und Regierungschefs aus fast allen Ländern der Welt werden kommen und viele von ihnen werden diese Bühne wie immer reichlich für ihre Zwecke nutzen. Donald Trump, der seit weniger als einem Jahr im Amt ist, hat bereits im Vorfeld angekündigt, er werde in New York etwas Wichtiges und Grundsätzliches zum Iran mitteilen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu will in New York ebenfalls gegen den Iran reden und dafür auch Dokumente mitbringen. Auch der iranische Staatspräsident Hassan Rouhani hat sich angemeldet, mit allen seinen wichtigen außenpolitischen Beratern im Schlepptau. Man ahnt im voraus: Der Iran wird wieder einmal für mehrere Tage im Fokus der UN-Vollversammlung stehen.
Und hier betritt die politisch interessanteste Persönlichkeit dieser Tage die Bühne: Emmanuel Macron. Der junge französische Staatspräsident, seit vier Monaten im Amt, versetzte in dieser kurzen Zeit mit seiner energiegeladenen Diplomatie die Welt immer wieder von neuem in Erstaunen. Auch Trump scheint von Macron beeindruckt zu sein. Am Rande der Vollversammlung bittet er ihn, dem iranischen Präsidenten Hassan Rouhani eine private „Message“ weiterzuleiten. Sie lautet: Trump möchte sich mit Rouhani treffen. Das ist der Trump, den wir kennen.
Machte er Witze?
Gerade hatte der US-Präsident vor mehr als einhundert Staats- und Regierungschefs eine wutschäumende Rede gehalten, in der er den Iran als korrupte Diktatur brandmarkte, deren Machthaber ein wohlhabendes Land „in einen wirtschaftlich erschöpften Schurkenstaat“ verwandelt hätten, „dessen Hauptexport Gewalt, Blutvergießen und Chaos ist“. Die ganze Welt ruft er auf, gemeinsam mit Amerika zu verlangen, die iranische Regierung solle das Streben nach Tod und Zerstörung einstellen. Trump beendet den Iran-Teil seiner Rede mit dem drohenden Satz: „Unterdrückungsregimes können nicht für immer bestehen.“
Und nach dieser Rede fragt er Macron, ob der Franzose für ihn ein privates Treffen mit Rouhani arrangieren könne. Rouhani weist die Offerte zurück. Er erzählt Macron von seinen Problemen zuhause, nachdem er 2013 einen Anruf des damaligen US-Präsidenten Barack Obama beantwortet hatte – und Obama hatte ihn damals nicht öffentlich beleidigt. „Wir haben uns gefragt: Machen Sie Witze?“, wird Macron später den iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif zitieren.
Ein Jahr nach diesem „Witz“ sind die drei – Trump, Macron und Rouhani – wieder in New York bei den Vereinten Nationen. Und am Ende seines Treffens mit Trump sagt Macron, schon heute werde er Rouhani treffen: Ob er, Trump, auch diesmal eine „Message“ für Rouhani habe? „Nein“, antwortet Trump. „Sie müssen zuerst mehr leiden.“
Der Leidensweg beginnt
Seit diesem Satz sind etwas neun Monate vergangen und nun können die Iraner das Wort „Leiden“ genau buchstabieren. Vor allem im vergangenen Monat hat sich Trumps Leidensmaschine dramatisch beschleunigt. Am 8. April erklärte Trump in einem beispiellosen Schritt die iranischen Revolutionsgarden zu einer terroristischen Organisation. Kein Staatschef der Welt hat in der Geschichte jemals die stehende Armee eines anderen Landes als terroristische Organisation bezeichnet – nicht einmal George W. Bush 2003 vor der Invasion in den Irak Saddam Husseins.
Am selben Tag reagierte das iranische Parlament und verabschiedete ein Gesetz, das das amerikanische Zentralkommando US-CENTCOM für terroristisch erklärt. Das ist jenes Zentralkommando, das US-Operationen im Nahen Osten und in Südasien koordiniert. Bei der Verabschiedung dieses Gesetzes trugen alle Abgeordneten des iranischen Parlaments demonstrativ Uniformen der Revolutionsgarden.
Kein Tropfen Öl aus dem Iran, nirgendwo
Seit Anfang Mai hat sich die Sanktionsmaschine noch weiter beschleunigt. Das weiße Haus kündigte an, jedes Land und jedes Unternehmen, das ab jetzt iranisches Öl kaufe, werde sanktioniert. Adressat dieser Warnung sind jene Ausnahmeländer – darunter China, Indien, Japan, Südkorea und die Türkei –, die bis zu diesem Datum iranisches Öl kaufen durften. Das Ziel der USA: Die Islamische Republik soll nirgendwo mehr ihr Öl verkaufen dürfen – es sei denn, auf Umwegen, als Schmuggelware und gegen Cash. Mit der neuen Sanktionsrunde verliere der Iran mindestens dreißig Millionen Dollar täglich an Öleinnahmen, rechnete das US-Außenministerium Anfang dieser Woche vor. Auch bei anderen Exporten aus dem Iran dürfen keine Banken und kein US-Dollars mehr im Spiel sein.
Das ist der totale Wirtschaftskrieg, beispiellos selbst für amerikanische Verhältnisse. Keine früheren Sanktionen der USA waren so lähmend, weder in der Geiselkrise von 1979 bis 1982, noch im achtjährigen Iran-Irak-Krieg, ja nicht einmal, als es in den Jahren 2006 bis 2016 um das iranische Atomprogramm ging. Auf legalem Weg soll kein Cent mehr in den Iran gelangen.
Kriegsformationen?
„Das ist der totale Krieg. Reiht Euch ein in die Kriegsformationen!“, rief Revolutionsführer Ali Khamenei am 1. Mai jenen Arbeitern und Lehrern zu, denen er eine Audienz gewährt hatte. Das ganze Land brauche „Kriegsformationen“, verkünden seitdem täglich jene Medien, die von den Radikalen kontrolliert werden.
Welche Formationen soll man denn einnehmen, kommt es bald zu einem echten Krieg? Nein, besänftigen die Freitagsprediger und beruhigen die offiziellen Medien. Trump wage keinen echten Waffengang mit dem Iran, schreiben auch die Kommentatoren. Wie auch immer: Trotz Kriegsgeschrei und trotz aller wahren oder virtuellen Kriegsformationen sucht die Islamische Republik einen diplomatischen Ausweg aus der existenzbedrohenden Krise.
Vermittler dringend gesucht
Wer zeigt ihr aber diesen Weg? Wer hilft ihr, einen Gesprächskanal zu finden, der zum Weißen Haus führt? Wer kann Vermittler sein zwischen Trump und Khamenei, wo und in welchem Land können sich Emissäre aus Teheran und Washington treffen? Zur Zeit offenbar nirgendwo. In ihrer vierzigjährigen Feindschaftsgeschichte haben sich iranische Diplomaten oft im Verborgenen mit US-Politikern getroffen und große und kleine Krisen gelöst. Mal hat das kleine Sultanat Oman am Persischen Golf vermittelt, mal war es die algerische Regierung – und oft waren es auch die Deutschen, die zu beiden Seiten gute und enge Kontakte pflegten.
Doch gerade in diesen Tagen, wo ein zwar ungewollter, aber möglicher Waffengang verhindert werden soll, findet sich weit und breit kein Vermittler, jedenfalls ist keiner sichtbar. Mangels eines solchen war der iranische Außenminister gezwungen, einen besonderen Zugang zu wählen. Ende April nahm er einen direkten, für jeden sichtbaren Weg, der buchstäblich in Trumps Wohn- oder Schlafzimmer führte: Zarif führte in New York ein Exklusiv-Gespräch mit dem Fernsehsender Fox, dem Lieblingskanal Trumps. Und Javad Zarif wirkte bei diesem Interview mit seinem geschliffenen Englisch ausgesprochen konziliant.
Das kriegerische „B-Dreieck“
Er glaube nicht, dass der US-Präsident persönlich einen Krieg gegen den Iran führen wolle, sagte Javad Zarif, und fügte hinzu, es gebe aber ein „B- Dreieck“, das den Präsidenten in einen solchen Krieg verwickeln wolle: Dieses bestehe aus den drei Staatsmännern Benjamin Netanyahu, Ben Salman und John Bolton. Dann wandte sich Zarif direkt an den Präsidenten und bot ihm einen Gefangenenaustausch an: Freiheit mehrerer iranisch-amerikanischer Staatsbürger, die zum Teil seit Jahren in iranischen Gefängnissen sitzen, gegen jene Iraner, die in verschiedenen Ländern wegen Verstößen gegen US-Sanktionen inhaftiert sind.
„Ich habe dieses Angebot jetzt öffentlich auf den Tisch gelegt“, sagte Zarif in seinem Vox-Interview. „Tauschen Sie sie aus. Lassen Sie uns das besprechen. Ich bin bereit, das zu tun. Und ich habe die Vollmacht dazu. Wir haben der Regierung der Vereinigten Staaten vor sechs Monaten mitgeteilt, dass wir bereit sind, aber noch keine Antwort“, spricht er Trump direkt an. Geiselnahmen und Gefangenenaustausch scheinen Hauptbestandteile der Nichtbeziehung zwischen dem Iran und den USA der letzten vierzig Jahren zu sein. Doch mit seinem Angebot hat sich Zarif selbst demaskiert. Der stets lächelnde Außenminister gilt als modernes Schaufenster der Islamischen Republik. Immer wenn ausländische Journalisten ihm Fragen über politische Gefangene im Iran stellen, hat er eine Antwort parat, die er stets wiederholt: Er sei nur Außenminister, die iranische Justiz sei unabhängig.
Nun sagt er öffentlich auf Vox, er habe die Vollmacht für einen Austausch. Von wem er diese Vollmacht erhalten hat und was inzwischen mit der „Unabhängigkeit“ der iranischen Justiz geschehen ist, ist nicht seine momentane Sorge. Die Existenz seiner islamischen Ordnung steht auf dem Spiel. Zerfällt sie durch den Krieg, den das besagte „B- Dreieck“ führen will? Oder durch unendliches Leiden und den Zerfall der iranischen Wirtschaft und Gesellschaft, wie Donald Trump es vorschwebt? Das ist noch offen.
Bolton beugt vor
Für die USA ist die Zeit der Geheimdiplomatie mit dem Iran noch nicht da. Zunächst sollen die Iraner leiden und die Machthaber so geschwächt sein, dass sie auf Krücken zum Verhandlungstisch kommen. Bei all ihren internationalen Krisen haben die Führer der Islamischen Republik stets eingelenkt, aber immer erst in der letzten Minute, wenn es keine andere Möglichkeit mehr gab. So war es bei der Geiselnahme der US-Diplomaten zu Beginn der iranischen Revolution, so war es bei der Akzeptierung des Waffenstillstands im achtjährigen Krieg mit dem Irak. Und auch beim Atomprogramm lenkten die Machthaber erst ein, als sie merkten, dass ein Krieg immer wahrscheinlicher wird. Nun sind sie an Donald Trump geraten, der sich offenbar nicht anderes wünscht, als sich vor den TV-Kameras der Welt mit einem iranischen Präsidenten zu präsentieren.
Doch es ist ungewiss, ob es je dazu kommen wird. Bis dahin kann viel geschehen.
Am Montag verlegten die USA neue Kampfverbände in den Nahen Osten. Als militärische Warnung an den Iran nahmen ein Flugzeugträger und eine Bomberstaffel Kurs zum Persischen Golf. Die USA wollten keinen Krieg gegen den Iran, seien aber bereit, auf jegliche Attacke mit „unerbittlicher Stärke“ zu antworten, sagte Trumps nationaler Sicherheitsberater John Bolton. Bolton ist der wichtigste und gefährlichste Schenkel des „B- Dreiecks“ – der, den Zarif unbedingt umgehen will, um zu Trump selbst zu gelangen.
Mit freundlicher Genehmigung vom Iran Journal
© Iran Journal