Im "Journal21" ist verschiedentlich argumentiert worden, dass der Terminus „Putin-Versteher“ kein Schimpfwort sein sollte. Wer kluge Politik machen will, muss bestrebt sein, auch die Sicht der Gegenseite ins Kalkül zu ziehen – ohne diese unbedingt zu billigen.
In diesen Tagen, in denen der 25. Jahrestag des Berliner Mauerfalls gefeiert wird, haben zwei prominente Politveteranen dafür plädiert, die Triebkräfte hinter Putins Expansionskurs gegenüber der Ukraine zu verstehen. Michail Gorbatschow, das letzte Staatsoberhaupt der untergegangenen Sowjetunion, erklärte, Putin habe in der Krim-Frage „gar nicht anders handeln können“, schliesslich werde die Halbinsel ja auch mehrheitlich von Russen bewohnt. Man hätte eigentlich die Krim schon bei der Auflösung der UdSSR Russland zuschlagen sollen. Warum er das nicht selber tat, als er 1991 das Ende des Sowjetimperiums deklarierte, darüber äusserte sich der 83-jährige Ex-Kremlchef allerdings nicht.
Doch er stellt mit löblicher Klarheit fest, es sei „tatsächlich ein Mythos“ wenn behauptet werde, beim Abschluss des Zwei-plus-Vier-Vertrages von 1990 über die Vereinigung Deutschlands sei ein Verzicht auf eine Nato-Erweiterung vereinbart worden. Man hatte dazu von Gorbatschow auch schon andere Töne gehört.
Henry Kissinger akzeptiert die Annexion der Krim durch Putin zwar nicht. Aber der 91-Jährige, der immer noch Bücher mit weitem historischen Blick schreibt, argumentiert im „Spiegel“, der Westen sollte sich bewusst sein, dass der Kremlherr bei diesem Husarenritt „aus strategischer Schwäche“ handle, die er als „taktische Stärke“ tarne. Man hätte bei der engeren Assoziation der Ukraine an die EU mit Putin einen vertieften Dialog führen sollen.
Wie zieht man die Karre wieder aus dem Dreck? Weder Gorbatschow noch Kissinger bieten ein Patentrezept an. Aber sie verweisen beide in schöner Eintracht auf die gleiche Hoffnung: Frau Merkel könnte es richten.