Die Geschichte ist durchaus spannend. Ein mittleres Unternehmen wird von einem Konzern im Jahr 2007 übernommen. In der Folge verliert es immer mehr seine Identität und vor allem: Der Kernbereich soll entgegen ersten Zusagen doch nicht weitergeführt werden. Entsprechend verunsichert sind die Mitarbeiter.
Nolens volens kommen zwei leitende Mitarbeiter auf die Idee, den Kernbereich – im Buch wird er nicht genauer benannt – per Management-Buy-Out zu übernehmen. Das scheitert. Daraufhin gründen sie eine eigene Firma. 18 Ihrer ehemaligen Kollegen folgen ihnen. Das lässt sich der Grosskonzern nicht bieten. Mit „superprovisorischen Verfügungen“ und Klagen bis zu einer Höhe von 48 Millionen Schweizer Franken versucht der Konzern, die Gründung der neuen Firma zu hintertreiben und die Gründer ein für allemal zu ruinieren.
Der Schleier lässt sich lüften
Anfänglich hat der Konzern bei einem Bezirksgericht im Raum Zürich sogar Erfolg. Die beiden Gründer aber lassen sich nicht einschüchtern und sie verfügen über einen ausgezeichneten Anwalt. Er bewirkt beim Obergericht Zürich im April 2008 eine Einstellung der Verfahren, so dass der neuen Geschäftstätigkeit nichts mehr im Wege steht.
Die beiden Autoren Patrick Bernold und Peter Stöckli haben praktisch alle Personen-, Firmen- und Ortsnamen geändert, um keine neuen juristischen Angriffsflächen zu bieten. Mit ein paar Minuten Internetrecherche lassen sich die Schleier des Geheimnisses aber lüften. Das neu gegründete Unternehmen, das im Buch „RheinMec Technik AG“ heisst, trägt in Wirklichkeit den Namen „Swistec“ und hat die Website www.swistec.ch. Es erstellt, implementiert und wartet „Rundsteueranlagen“, die bei der Versorgung mit elektrischer Energie eingesetzt werden. Der Firmensitz ist nicht, wie im Buch, Trinns (was es nicht gibt), sondern Fehraltorf. Und natürlich gibt es „Mauerstetten“ als Sitz des gegnerischen Konzerns nicht; vielmehr handelt es sich um Zug. Wenn man die Produkte bei Swistec anschaut, weiss man sofort, welches Unternehmen von welchem Konzern übernommen worden ist.
Das Buch ist so aufgebaut, dass Patrick Bernold und Peter Stöckli abwechselnd zu Wort kommen. Ihr Anspruch könnte grösser nicht sein. Im Vorwort schreiben sie: „Dies ist kein Buch zum Lesen im üblichen Sinn. Es wurde geschrieben zu einer neuen Sicht des Lebens.“ Diese neue Sicht soll durch die Erzählung des Kampfes von zwei Davids gegen einen skrupellosen Goliath gewonnen werden.
Emotionen und jede Menge Klagen
Die Art, wie die beiden ihre Geschichte erzählen, ist rührend und unsäglich zugleich. Auf der einen Seite ist man immer wieder erstaunt über die Offenheit, in der sie ihre Gemütsregungen darlegen. Da werden Frank Sinatra und Herbert Grönemeyer zur seelischen Stärkung aufgeführt, eine Harley Davidson spendet Trost, und der Apfel, sowohl als tägliche Mahlzeit wie als Firmensymbol, bietet den nötigen Halt. Die hohe Emotionalität der beiden mag damit zu tun haben, dass Peter Stöckli in jüngeren Jahren Sänger bei der Hard-Rock-Band Subway war und mehrere erfolgreiche Alben produziert hat.
Aber das Anrührende wird unsäglich, wenn wieder und wieder in aller Breite dargelegt wird, wie verschlagen, skrupellos, töricht und was noch alles die Gegenseite ist. Witzigerweise wenden sich die beiden in ihrem Vorwort genau gegen solche Art von Suggestionen. „Wie schnell fallen wir darauf herein, wenn sich A bei uns über B beklagt.“ Leider wird in diesem Buch die Beschreibung des Kampfes der beiden mit allzu viel und allzu aufdringlicher Klage über den von ihnen wörtlich so genannten „bösen Feind“, abgekürzt Böfei, garniert.
Als Leser fragt man sich hin und wieder: Ja, was hatten die Herren denn erwartet? Ist es nicht nachvollziehbar, dass sich ein grosser Konzern auch einen Bereich, den er gar nicht fortzuführen gedenkt, nicht einfach so aus der Hand nehmen lässt? Und wenn gleich 18 Mitarbeiter bei einem Unternehmen anheuern, das durchaus als konkurrenzierende Gründung angesehen werden kann, muss man schon mit Reaktionen rechnen. Dass diese Reaktionen nicht unbedingt klug ausfallen, steht auf einem anderen Blatt. Nach Niederlagen vor dem Bezirksgericht Oberbach konnten Bernold und Stöckli einen vollen Erfolg beim Obergericht in Zürich erreichen.
Die ausgezeichnete Hörfassung
Die störende moralisierende Litanei des Buches beginnt schon mit dem Titel: „Geld – Gier – Geiz“. Die beiden Autoren meinen, ihre Gegner hätten „sich verblenden lassen durch Geld, Gier und Geiz.“ Weiter heisst es: „Böse war keiner. Aber dumm und gierig.“ Für sich selber stellen sie fest, dass sie ihre Arbeit aus Freude machen und das Geld dann wie von allein komme. - Wenn doch alles so einfach wäre! Dem Buch hätte es sehr gut getan, wenn dem Leser das Urteilen überlassen worden wäre.
Zu der gedruckten Fassung gibt es ein Hörbuch, gelesen von Volker Brandt. Brandt, der als deutscher Synchronsprecher für Michael Douglas eingesetzt wird, versteht es meisterhaft, den Ton des Buches zu treffen. Die direkte Ansprache des Lesers, die im gedruckten Buch bisweilen befremdlich wirkt, kommt bei Volker Brandt lebendig und natürlich. Von der ersten Zeile an zieht uns Volker Brandt in den Bann und verleiht der Story die Spannung, die sie verdient.
Patrick Bernold, Peter Stöckli, Geld – Gier – Geiz – Die 48 Millionen Klage, IL-Verlag (ILV) Basel 2010
Dazu das Hörbuch, 6 Cds, gelesen von Volker Brandt