Am Wochenende hielt die Schweizerische Gesellschaft für Kommunikations- und Medienwissenschaft SGKM in Zürich ihre 40. Jahrestagung ab. Eines der zahlreichen Panels fragte: „Aufbruch: Mit Medienförderung aus der Krise?“
Die "PR-Seuche"
Vor zahlreichem Publikum hatte auch Verena Vonarburg, neue Direktorin des Verlegerverbands, einen ihrer ersten Auftritte. Frau Vonarburg, früher Bundeshauskorrespondentin des „Tages-Anzeigers“ und dann Mitarbeiterin einer Public Affairs Agentur, nannte als eines ihrer Hauptziele „die Bekämpfung der PR-Seuche“ in der Bereitstellung redaktioneller Angebote. Im Auditorium erregte das beim Einen oder Andern ein leises Schmunzeln. Sind es nicht sehr oft die Verleger selber, die der PR-Infizierung im redaktionellen Bereich Vorschub leisten?
Da gibt es inhaltlich kommerzialisierte, aber redaktionell aufgemachte Beilagen sonder Zahl, teils von spezialisierten Firmen wie MediaPlanet hergestellt, teils von den Zeitungsverlagen mit redaktionellem Impressum verantwortet (wie eine Reisebeilage im „Tages-Anzeiger“ der letzten Woche). Auf den Journalistenkodex, der dringend von der „unkritischer oder hochlobender Präsentation von Dienstleistungen“ abrät (Richtlinien 10.1 – 10.3.), wird da wenig Rücksicht genommen.
Das Transparenzgebot
Ein „Code of Conduct“, den Verleger, Chefredaktoren und Werbeverbände 2007 unterzeichneten, hielt das Transparenzgebot hoch: „Für den Medienkonsumenten muss immer klar erkennbar sein, welche Inhalte redaktionell verantwortet und welche kommerziell bezahlt sind“. Zwei Jahre später wurde eine Beschwerdeplattform angefügt. Von Beschwerden, geschweige denn von Beschwerdeentscheiden, hört oder liest man nichts.
Noch nicht genau abzuschätzen ist, was mit „Native Advertising“ auf uns zukommt. Es handelt sich um raffiniert orchestrierte „Geschichten“, die auf online-Portalen erscheinen und „kaum als Werbung erkennbar sind, weil sie redaktionellen Texten gleichen“. So beschrieb es ein „Erklärfilm“ auf explain-it.ch. Werbeblockers filterten solche redaktionell anmutende „Geschichten“ nicht aus dem Angebot. Die online-Portale Watson (finanziert vom Aargauer Verleger Wanner) und blickamabend.ch (Ringier) sollen sich bereits mit der Umsetzung beschäftigen; aufzufinden ist sie erst sporadisch. Aber Native Advertising könnte das Trennungsgebot vollends aufweichen.
Vertrauen durch das Trennungsgebot
In der Diskussion meldete sich auch der verdiente und oft in der NZZ publizierende Professor Stephan Russ-Mohl (Lugano). Er fand, die Verleger hätten es angesichts der eingebrochenen Inseratplantagen schwer genug, und man solle ihnen lange Leine lassen. Widerspruch, Euer Ehren: Das Trennungsgebot ist eine Voraussetzung für das Vertrauen der Mediennutzer in die Massenmedien. Ich muss, wie es schon der eingeschläferte Code of Conduct richtig sah, bei einem Medieninhalt wissen, ob er den journalistischen Grundsätzen von Transparenz, Wahrhaftigkeit und Fairness verpflichtet ist – oder mir kommerzielle Gegenstände und Dienste werblich anpreisen will.
Zeitungen und Portale, die diese Trennung wegschieben, produzieren bedrucktes Papier – wie der Papeterist. Sie verdienen folglich weder direkte Presseförderung (neue Steuern auf Google-Umsätze) oder indirekte Presseförderung (Posttaxenverbilligung, Ausbildungsfinanzierung, Agentursubventionen).
Das Münchhausen-Prinzip besagt, dass die Gefährdeten – hier gemeint die Medienverlage – sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf der Krise hieven müssen. Erst wenn das sichtbar ist, können direkte oder indirekte Medienförderung den Support der politischen Öffentlichkeit beanspruchen.