Über Arnold Hottinger
Nahost-Korrespondenten sind nach wie vor gefragte Fachkräfte. Ihre Teilnahme, werte Anwesende, heute Abend an der Feier zu Ehren unseres 90-jährigen Jubilars beweist es. Eines Jubilars mit dem für die NZZ unverwechselbaren Kürzel: A.H. A.H. steht nicht nur für Arnold Hottinger, sondern auch für den A.H.-Effekt – jene Reaktion, die sich beim Publikum einstellt, wenn es Arnold Hottingers Berichte über den Nahen Osten liest.
Es ist eine Lektüre, die über die Tagesaktualität hinaus Hintergründe erhellt und Ereignisse in historische Zusammenhänge stellt. Es ist, im besten Sinn, „Journalismus mit Mehrwert“ – ein Metier, dem Arnold Hottinger früher für die NZZ gefrönt hat und dem er heute fürs „Journal21“ frönt.
Er frönt dem Metier anders als jener Chefredaktor der „Chicago Times“, der während des amerikanischen Bürgerkriegs seinen Kriegsberichterstatter wie folgt anwies: „Telegrafiere vollumfänglich alle Nachrichten, derer du habhaft werden kannst, und falls es keine Nachrichten gibt, sende Gerüchte.“ „If No News, Send Rumors“, die barsche Order ist in postfaktischen Zeiten zur Maxime geworden.
Den Oxford Dictionaries zufolge ist „Post-Truth“ das Wort des Jahres: „Umstände, unter denen es objektiven Fakten weniger gelingt, die öffentliche Meinung zu bilden, als es Appelle an Gefühle und einzelne Überzeugungen tun.“ Als Phänomen jedoch ist „Post-Truth“ nicht ganz neu.
Früher, argumentiert Autor Kenan Malik, hätten Regierungen, Institutionen und Zeitungen Informationen manipuliert. Heute könne das jeder tun, der auf Facebook ein Konto hat: „Statt wie einst einen sorgfältig orchestrierten Ausfluss von Fake News gibt es heute eine anarchische Flut von Lügen.“
Nahost-Korrespondenten, es sei wiederholt, sind gefragte Fachkräfte. Unlängst suchte die „Los Angeles Times“ per Inserat einen neuen Vertreter dieser Spezies. Der Posteninhaber hatte, Zeichen der Zeit, zum Internet-Portal BuzzFeed gewechselt – von Print zu Digital, als Agent jener „disruption“, der sich Firmen wie Facebook, Google oder Twitter fast sektiererisch verschrieben haben.
Doch zurück zur Anzeige der „LA Times“. Das Blatt suchte einen gewieften Nahost-Korrespondenten, der „sowohl unsere Berichterstattung der aktuellen Konflikte im Irak und in Syrien verankert als auch die turbulente Entwicklung der Demokratie in Ägypten, Nordafrika und am Golf beobachtet.“ Soweit, so gut.
Nun aber schwang sich der Anzeigentexter in ungeahnte rhetorische Höhen empor: „Aber mehr als das: Wir suchen einen versierten Schreiber, der fähig ist, in diese uralten und faszinierenden Kulturen einzutauchen, ihre fesselnde Vielfalt, ihre tiefgründige Geistesgeschichte, ihre turbulenten sozialen Umwälzungen sowie – von den Aufständischen des IS bis hin zu alteingesessenen Diktatoren – ihre Neigung zu brutaler Gewalt einzufangen.“
Erfolgreich, versprach die Zeitung, werde jener Kandidat sein, „der das Büro meidet und sich auf Nebenstrassen wagt; der es anderen überlässt, das tägliche Chaos aufzuarbeiten und uns Geschichten zurückbringt, die wir nicht vergessen können“.
Die Reaktion auf die Anzeige erfolgte rasch und heftig. An einer Stelle hiess es, Edward Said, der das Phänomen des Orientalismus beschrieben hat, würde sich angesichts solcher Formulierungen im Grab umdrehen. Für die „Los Angeles Times“ als Nahost-Korrespondent zu arbeiten, hiess es an anderer Stelle, lese sich wie der Plot eines Films. Das Problem? Der Film erinnere an Walt Disneys „Aladdin“, der auf einer Erzählung aus „Tausendundeine Nacht“ beruht und im fiktiven Agrabah spielt.
In jenem Sultanat Agrabah, das etliche Amerikaner gemäss einer Umfrage von Public Policy Polling Ende letzten Jahres bombardieren würden, falls sie die Wahl hätten. Was wiederum an das maliziöse Diktum erinnert, wonach Kriege Gottes Methode sind, Amerikanern Geografie beizubringen. „Where’s Islam?“, fragte 1991 vor Ausbruch des Golfkriegs im Radio der Hörer einer Call-in Show: „Is it near Iran or Iraq?“
Für Sarah Moawad, eine Amerikanerin saudischer Herkunft, ist die Anzeige der „LA Times“ Ausdruck eines viel tieferen Problems: „Sie unterstreicht den anhaltenden Trend zu intellektueller und journalistischer Trägheit, sobald es den Nahen Osten betrifft. Sie steht auch für die (vielleicht unbewusste, aber tief sitzende) Überzeugung, dass die Region ein geheimnisvoller, fremdartiger Monolith ist, wo die Zeit stehen geblieben ist, eine Region mit einer seltsam unentzifferbaren Schrift und einer Neigung zu brutaler Gewalt.“
Der Nahe Osten, fordert die Autorin, brauche Journalisten, die bessere Fragen stellen, solidere (nicht-orientalistische) Bezugsrahmen machen und nuancierter denken würden: „Vor allem (…) brauchen wir Journalisten, die zuhören, die sich nicht nur ’auf Nebenstrassen begeben‘, sondern dort leben, Fussball spielen, ihr Essen geniessen und ihre Mundart lernen.“
Arnold Hottinger, werte Anwesende, ist einer jener seltenen Nahost-Korrespondenten, die – vielleicht mit Ausnahme des Fussballspielens – alle geforderten Kriterien erfüllen. Einer, der die lokalen Sprachen spricht, den Leuten aufs Maul schaut, mit öffentlichen Verkehrsmitteln reist und lieber in einer Karawanserei absteigt als in einer Luxusherberge. Das Einzige, was einem grossen Journalisten wie ihm fehlt, ist ein massives Ego.
So hat ein Kollege Anthony Shadid charakterisiert, den 44-jährigen Nahost-Korrespondenten der „New York Times“, der sich 2012 von der Türkei nach Syrien schmuggeln liess und auf dem Rückweg an einem Asthma-Anfall starb. Was der libanesisch-stämmige Shadid über seine Arbeit gesagt hat, trifft auch auf Arnold Hottinger zu: „Der beste Journalismus beschäftigt sich manchmal mit Fussnoten – wenn du klein schreibst, um Grosses zu sagen.“
Arnold Hottinger gehört nicht zur eitlen Spezies der „Hotel Warriors“, jener Kriegsberichterstatter, die „Wall Street Journal“- Reporter John J. Fialka in seinem gleichnamigen Buch am Beispiel des ersten Golfkrieges schildert. Damals sassen die Korrespondenten aus aller Welt, „faute de mieux“, in noblen Fünf-Sterne-Häusern in Riad oder Dahran vor dem Fernseher – weitab vom Schuss und vom Verständnis des Geschehens.
Auch für Robert Fisk, den Nahost-Korrespondenten des „Independent“, war der Golfkrieg ein Wendepunkt in der Auslandsberichterstattung. Erstmals machte es am 17. Januar 1991 eine Direktübertragung aus Bagdad durch die beiden CNN-Korrespondenten Peter Arnett und Bernie Shaw möglich, dank den grünlich schimmernden Bildern eines Nachtsichtgeräts auf dem Dach des Hotels „al-Rashid“ einen Kriegsausbruch live zu sehen. „Was hätte ich meiner Zeitung während der ersten Minuten des Krieges von Saudi-Arabien aus sagen können“, fragt sich Fisk, der seit 1976 aus Beirut berichtet: „Ich erinnere mich, wie es mich beinahe körperlich anrührte, als ich merkte, dass die gute alte Zeit der geschriebenen Presse vorbei war.“
John J. Fialkas Sachbuch „Hotel Warriors“ erinnert an Evelyn Waughs Roman „Scoop“, jene 1938 erschienene Satire über William Boot, den Gartenkolumnisten des Londoner „Daily Beast“, der sich, naiv und unerfahren, aufgrund einer Namensverwechslung als Kriegsberichterstatter in der ostafrikanischen Republik Ishmaelia wiederfindet, weil dort seinem Verleger zufolge „ein vielversprechender kleiner Krieg“ droht.
Ich selbst, 1974 Volontär im Ausland-Ressort der „Weltwoche“, war nicht viel erfahrener als William Boot, als ich im Herbst 1974 erstmals nach Beirut reiste. Der Libanon galt damals noch als „Schweiz des Nahen Ostens“: Skifahren am Vormittag, Baden am Nachmittag. Mein Hotel in Beirut war das „Holiday Inn“, unweit der Corniche gelegen. Nur ein Jahr später, nach Ausbruch des Bürgerkriegs im Libanon, stand das 24-stöckige Haus im Zentrum des sogenannten Hotelkrieges, auf dessen Zenit sich Tausende Milizionäre linker und rechter Provenienz bekämpften.
Der Bürgerkrieg im Libanon – les „évènements“, wie ihn die Libanesen nennen – ist seit 1990 Geschichte, das „Holiday Inn“, eine zerschossene Bauruine, steht heute noch – als stummer Zeuge eines Blutvergiessens, das bis zum Frühjahr 1977 an die 1000 Tote fordern sollte. Und als Mahnmal dafür, wie rasch im Nahen Osten Konflikte eskalieren, die für einen Aussenstehenden kaum nachvollziehbar sind, einen Insider aber an das Diktum von William Faulkner erinnern, wonach die Vergangenheit nie tot, ja nicht einmal vergangen ist.
Arnold Hottinger ist ein Insider erster Güte in Sachen Naher Osten. Er reiste im Frühjahr 1955 erstmals, per Schiff, nach Beirut und bezog mit seiner Frau in der „Pension Europe“ am Rande des Hafengeländes Quartier. Der Philologe, der an der Universität Zürich über altspanisch-arabische Übersetzungskunst doktoriert hatte, wollte nach dem Studium des klassischen Arabisch noch die gesprochene Sprache erlernen – ein Vorhaben, das er während eines Winters im Bergdorf Bikfaya in einem maronitischen Kloster in die Tat umsetzte.
1958, nach einem kurzen Volontariat auf der Redaktion, begann Arnold Hottinger für die NZZ aus der libanesischen Hauptstadt zu berichten – gerade rechtzeitig, um über die Anfänge des ersten libanesischen Bürgerkriegs zwischen Maroniten und Muslimen informieren zu können, ein Konflikt, der US-Präsident Dwight Eisenhower ein 14’000 Mann starkes Truppenkontingent in den Libanon entsenden liess, um Beiruts Hafen und Airport zu sichern.
In seinen 2004 erschienenen Memoiren „Islamische Welt“ beschreibt Arnold Hottinger plastisch die aufgeheizte Atmosphäre jener Tage: „Ich sah aufgeregte Milizionäre der Phalange-Partei in einer Art Pfadfinderuniform, doch mit schweren Revolvern in den Händen, den Häusern entlang von Tornische zu Tornische springen und Schüsse auf die Dächer und Fenster der Hauptstrassen in der Nähe des Hafenviertels abgeben, während der Fussgänger- und Autoverkehr noch normal ablief, sich dann allerdings rasch verkrümelte, als die Ladenbesitzer mit lautem Krachen die Metallläden vor ihren Schaufenstern und Geschäftseingängen hinabschmetterten.“
58 Jahre später berichtet Arnold Hottinger noch immer über den Nahen Osten, kompetent und kenntnisreich wie eh und je, einfach nicht mehr für die NZZ, sondern seit sechs Jahren fürs „Journal21“. Jene mindestens zehn Jahre, die ein Nahost-Korrespondent seiner Meinung nach braucht, um die Region zu begreifen, hat er um ein Mehrfaches übertroffen. Er schreibt auch längst nicht mehr auf der Schreibmaschine oder am Telex, sondern am PC oder auf dem Laptop. Unnötig heute die Ermahnung der Vorgesetzten seinerzeit auf der NZZ-Redaktion, teure Telegramme nur im Falle von Kriegen oder Revolutionen abzusetzen.
Nahost-Korrespondenten arbeiten heute nicht mehr so wie zu Arnold Hottingers Zeiten. Als Schnelligkeit zwar wünschbar, aber nicht unverzichtbar war, als genaues Hinsehen mehr zählte als clevere Aggregation, als der Leser wichtiger war als der eigene Brand.
Und noch ergoss sich über Berichterstatter auch nicht jene Informationsflut, wie sie es heute auf zahlreichen Kanälen und über Soziale Medien ungefiltert tut – autoritären Regimen und staatlich kontrollierten Medien zum Trotz. Zu Arnold Hottingers Zeiten im Nahen Osten glich Journalismus noch dem geduldigen Zusammensetzen eines Puzzles. Es dauerte, bis aus vielen Einzelteilen ein Gesamtbild - „the big picture“ – entstand.
Treffend hat in der „Zeit“ der Tübinger Islamwissenschaftler Heinz Halm Arnold Hottingers Arbeitsweise beschrieben. Dessen scharfer Blick gelte immer wieder der „Rückseite des Teppichs“: „dem hinter der Fassade der Institutionen (…), aber auch hinter dem islamischen Muster verborgenen Gewebe von Patronage und Klientel, von persönlicher Autorität und loyalem Gefolge, das in fast allen nahöstlichen Ländern das eigentliche Geschehen bestimmt.“
Statt sich von Propagandisten desinformieren zu lassen, galt es für Arnold Hottinger, unermüdlich unterwegs zu sein, zu Fuss, per Sammeltaxi oder im Bus, und unvoreingenommen mit Leuten jeglicher Couleur zu reden, diskret zuzuhören, scharf zu beobachten und klar zu analysieren. Die Angelsachsen nennen das „shoe-leather reporting“. Nur zu Fuss, weiss Arnold Hottinger, lassen sich die Dinge wirklich erfahren.
Nicht immer aber goutieren Leserschaft oder Vorgesetzte diese Art von im ursprünglichen Wortsinn bodenständigem Journalismus. Arnold Hottinger hat das im Fall des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern erfahren, als er 1984 nach Westjordanien reiste, wo er am Beispiel eines Menschenmarktes beschrieb, wie es auf der arabischen Seite aussah. Es wurden, zu Unrecht, Vorwürfe laut, der NZZ-Korrespondent sei ein Antisemit.
Einige Worte „zur Verteidigung des behutsamen Reporters vor Ort“ hat Nahost-Korrespondent Patrick Cockburn jüngst in einem Meinungsbeitrag des „Independent“ geäussert, der unter dem Titel „Warum alles, was Sie über die Kriege in Syrien und im Irak lesen, falsch sein könnte“ erschien: „Üblicherweise entscheiden nicht sie (die Reporter), was die wichtigste Geschichte des Tages ist, sondern die Redaktion oder der Herdentrieb der Medien. Jene, die dem Geschehen am nächsten sind, mögen ihre Zweifel haben, was die heisseste Geschichte des Tages ist, beeinflussen aber können sie das kaum.“
Arnold Hottinger und Israel – es erging unserem Jubilar diesbezüglich nicht anders als seinem Beiruter Kollegen David Hirst vom Londoner „Guardian“. Hirsts Buch, „The Gun and the Olive Branch“, beschreibt den klassischen Nahost-Konflikt aus arabischer Perspektive und war 1976 nach dem Erscheinen auf eine „Wand des Schweigens“ gestossen und kaum besprochen worden.
Er habe damals, erinnert sich David Hirst, „die andere Seite der Geschichte“ erzählen wollen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil sie seiner Meinung nach nicht richtig erzählt worden war oder jene Beachtung gewonnen hatte, die sie verdiente: „Ich wollte helfen, ein Ungleichgewicht zu beheben, das sich eindeutig, wenn nicht fast skandalös, auf die eine Seite neigte.“
Diesbezüglich soll ein Verleger in Amerika einst – auf einer leichteren, wenn auch zynischeren Note – bemerkt haben, er würde für seine Zeitungen nur noch einarmige Kolumnisten einstellen. Weshalb, war die erstaunte Frage. „So the bastards can’t write ‘On the one hand, on the other hand’.” – einerseits, andererseits.
Was Kurt Kister über Arnold Hottingers Freund Rudolph Chimelli von der „Süddeutschen Zeitung“ im Vorwort zum letzten Buch des Deutschen schreibt, gilt ebenso für unseren Jubilar. Er ist einer jener raren Auslandskorrespondenten, „die für ihre Leserschaft über Jahrzehnte hinweg das Bild einer Region, eines Kulturkreises, vielleicht nicht bestimmt, aber dennoch mitgeprägt haben.“
Arnold Hottinger gehört zur vom Aussterben bedrohten Spezies des „roving reporter“, zu jener Art Journalisten, die reisen, um unerschrocken Neuland zu entdecken, und dafür klaglos allerlei Risiken und Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen – der Sache, nicht der Selbsterhöhung willen. Im Übrigen lassen heutige Redaktionsbudgets ein Umherstreifen dieser Natur kaum mehr zu.
Es sei denn, ein „roving reporter“ resigniere gleich selbst, wie seinerzeit Peter Schmid, „grand reporter“ der alten „Weltwoche“, ein zäher Berner Oberländer, der überall mehrmals gewesen war. Eines Morgens auf der Redaktion beschied er – bleich, übernächtigt und fast depressiv – dem Volontär auf dessen schüchterne Nachfrage hin, ob er krank sei oder Hilfe brauche, schlicht: „Nei, aber wüsst Ihr was? Mir göi d’Länder uus.“
Wäre Arnold Hottinger früher zur Welt gekommen, er hätte sich in den 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts vielleicht dem Briten Wilfred Thesiger angeschlossen, der mit einer Schar treuer Beduinen das Rub’ al Khali, die riesige Sandwüste im Süden der Arabischen Halbinsel, durchquerte. Sir Wilfred, „der Reinste der Reisenden“, wie Autor Paul Theroux ihn nennt, kehrte erst wenige Jahre vor seinem Tod aus der Fremde in die Heimat zurück – aus Kenia, wo er in einer Hütte, ohne Strom und Wasser, unter den Turkana und Samburu gelebt hatte. „Je härter das Leben, desto nobler die Menschen“, pflegte der Asket zu sagen.
Unser Glück, werte Anwesende, ist Arnold Hottinger nach seiner Zeit im Orient, mit Sitz in Beirut, Madrid und Nikosia, nicht in einer Hütte in Afrika, sondern in Zug bei Ingrid Hörsch und heute Abend in Zürich bei uns gelandet – 66 Jahre nach seinem ersten Abstecher in den arabischen Raum, nach Tunis. Wo ihn, wie er sich erinnert, die Fremdheit des Ortes überwältigte: „Sie verfolgte mich noch Jahre lang im Traum. Nacht für Nacht verirrte ich mich im Basar von Tunis, in all diesen Farben, diesen Gerüchen, und fand nicht mehr heraus.“
Er habe sich, sagt Arnold Hottinger in einem Interview mit der NZZ, gegen eine akademische Karriere entschieden, obwohl er in Los Angeles eine Professur in Aussicht hatte. Doch Kalifornien war ihm zu weit weg von Arabien und er wollte keinen Büro-Job: „Das Leben im Nahen Osten hat mich mehr interessiert als die Geschichte oder die Philologie.“ Er habe, so unser Jubilar, nie die Illusion, etwas verändern zu können. Hingegen suche er zu verstehen und zu erklären.
Aus dem orientalischen Basar hat Arnold Hottinger längst herausgefunden, auch wenn ihn das angesichts der aktuellen Ereignisse – denken Sie an die Kämpfe in Aleppo, in Mossul oder im Jemen – kaum trösten dürfte. Kein Trost auch, dass in der arabischen Welt der Graben zwischen globalisierten Ober- und abgehängten Unterschichten immer grösser geworden ist – ein Graben, den Arnold Hottinger neben dem oft unterschätzten Klimawandel längerfristig als eigentliches Problem der Region betrachtet.
Obwohl er nicht optimistisch ist, was die Zukunft des Nahen Ostens betrifft, Arnold Hottinger würde wohl, hätte er die Wahl, erneut Korrespondent werden wollen, vielleicht nicht für die „Los Angeles Times“, aber noch immer am liebsten für eine gedruckte Zeitung – in Beirut. Oder zur Not, oder sagen wir lieber zur Abwechslung, auch für ein Internet-Portal!