Magdalena Martullo, Chefin der Ems-Chemie und Tochter Christoph Blochers, ist beeindruckt von Chinas Wirtschaftspolitik. Diese sei kompetenter als diejenige der europäischen Regierungen, sagte sie in einem Interview im „Tages-Anzeiger“. Auf die Frage, ob es denn in China nicht zu wenig Demokratie gebe, meint die Ems-Chefin: „Aber was nützt Europa die Demokratie – da werden den Leuten Leistungen versprochen, die nicht bezahlbar sind. Das Volk wird hinters Licht geführt.“ - Solche Meinungen dürften heute in Europa mit seiner Euro-Krise öfters zu hören sein. Die Zweifel an der Koexistenz von Demokratie und Kapitalismus wachsen. Kapitalistisch wird jetzt zwar auch in China gewirtschaftet, aber dort dominiert der Staatskapitalismus und es herrscht diktatorisch eine Partei. Wünscht sich Frau Martullo solche Zustände? Warum wirft sie ganz Europa in den gleichen Krisen-Topf? In der Schweiz oder in Norwegen und in Polen gibt es keine Schuldenkrise, Demokratie und Marktwirtschaft funktionieren leidlich. Kein Bürger mit Verstand würde da mit dem „chinesischen Modell“ tauschen. - Ja, die Euro-Krise ist beängstigend. Aber wir sollten aufhören, alles auf total schwammige Begriffe wie Demokratie, Kapitalismus, Sozialismus, Staatskapitalismus zu simplifizieren. Stattdessen sollten wir präzise beim Namen nennen, welches Beispiel von Demokratie und Wirtschaftsordnung (das schweizerische, das schwedische, das italienische?) gemeint ist. (Reinhard Meier)