Über Narendra Modis Politik diskutiert Tim Guldimann mit Pradnya Bivalkar von der Robert Bosch Academy und Manuel Vermeer vom Ostasieninstitut der Hochschule Ludwigshafen. Indien ist auf einem Weg zur Supermacht, allerdings auf einem langen.
640 Millionen Inder und Inderinnen haben gewählt, zwei Drittel aller Wahlberechtigten. Für Pradnya Bivalkar war das Resultat eine positive Überraschung, da es die Checks and Balances wiederhergestellt hat. Manuel Vermeer hingegen meint, aus wirtschaftlicher Sicht wäre ein noch mächtigerer Modi sogar besser gewesen, weil er Infrastrukturprojekte, Digitalisierung, Reform des Rechtswesens, alles was ansteht, schneller und einfacher hätte durchsetzen können. Als «halber Inder» sei er jedoch froh, dass Modi in seinen autokratischen Ambitionen zurückgebunden worden sei.
Bivalkar argumentiert, Modi und seine Partei hätten Probleme mit ihrem Projekt einer hinduistische indischen Identität. Der Ausgang der Wahlen sei auch eine Mahnung, sich stärker um das Wohl der Bauern zu kümmern und um die hohe Arbeitslosigkeit.
Für Vermeer gibt es den Hinduismus gar nicht. Das sei eine Wortschöpfung der Briten: «Alles was die Briten nicht verstehen und woran diese komischen Inder glauben, das nennen wir jetzt mal Hinduism. Es gibt keine Religion, die Hinduismus heisst. Es ist eine Mischung aus ganz vielen religiösen Strömungen. Man muss Indien viel heterogener betrachten, als dass wir das hier tun, es ist 10-mal so gross wie Deutschland.»
Indien sieht sich als Rivale Chinas. Aber um China einzuholen, braucht Indien ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum. Dafür reichen, so Vermeer, nicht einmal jährlich sechs Prozent. «Indien muss noch viel stärker wachsen, um vor allem die Jugendarbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen. Es muss in den nächsten Jahren hundert Millionen Jobs schaffen und die Jugend bilden. In Indien leben immer noch zwei Drittel der Menschen in der Landwirtschaft und ein Drittel in den Städten, in China ist es andersrum.
Wird sich Indien zur globalen Weltmacht entwickeln? Vermeer traut Modi das zu. Aber um Weltmacht zu werden, müsste sich Indien militärisch, politisch und wirtschaftlich entsprechend aufstellen. Der Weg dahin sei noch lang.
Journal21 publiziert diesen Beitrag in Zusammenarbeit mit dem Podcast-Projekt «Debatte zu dritt» von Tim Guldimann.