In den vergangenen Tagen strömten nach Einschätzung der UNO rund 30'000 intern Vertriebene in die Hauptstadt Bamako. Sie waren aus dem Norden geflüchtet, wo radikal-islamistische Gruppen in den letzten Wochen noch härter gegen Zivilisten vorgingen. Doch das Schlimmste stehe laut internationalem Hilfspersonal noch bevor. Letzte Woche sprachen Oxfam, Ärzte ohne Grenzen und andere humanitäre Organisationen angesichts der Massenbewegung eine Warnung aus: Die Zahl der Flüchtlinge und intern Vertriebener würde in den nächsten Wochen weiter ansteigen. Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) rechnet mit dem schlimmsten Szenario. Diesem zufolge müssten bald 700'000 Menschen vor den Kämpfen fliehen, allein 400'000 in die Camps der benachbarten Länder, etwa Ghana, Niger, Senegal oder Togo.
Situation im Norden unklar
Berichte über das Leben im Norden Malis dringen nur spärlich nach außen, seitdem vor mehr als einer Woche sämtliches UN-Personal evakuiert wurde. Die Entscheidung war der Ankunft der 1500 französischen Soldaten am vergangenen Freitag gefolgt. Helene Caux, Sprecherin des UNHCR in Bamako, sagt gegenüber der Redaktion: „Wegen der vermehrten Feuergefechte mit den Islamisten, entschloss sich die UNO aus Sicherheitsgründen, ihr ziviles Personal in den Süden zu evakuieren.“ Über den Alltag im Norden erfahre man nur von Gesprächen mit den Flüchtlingen, denn auch die meisten humanitären Organisationen seien aus dem Norden abgezogen. „Ein paar Schulen sind offenbar noch geöffnet. Der Großteil der Menschen hat jedoch seinen Job verloren und in den Supermarktregalen fehlt es am Notwendigsten.“ Aufgrund der Massenflucht werde der Platz in Bamako und anderen südlichen Städten laut Caux immer knapper. „Die Menschen leben oft ohne Strom und Wasser. Während die Städter meist bis zu 18 Leute in ihren Häusern aufgenommen haben, haben diese Probleme damit, die Miete zu zahlen.“
Vermehrte Kämpfe durch Eingreiftruppe
Laut Caux habe sich die Situation für die Bevölkerung seit dem Vordringen der französischen Truppen in den Norden verschlechtert. Wegen der vermehrten Gefechte sei die Gefahr rapide gestiegen. „Wir verzeichnen noch keinen signifikanten Anstieg an Vertriebenen, jedoch rechnen wir mit dem Schlimmsten.“ Diese Woche appellierte die UNO an alle Konfliktparteien, die Zivilbevölkerung aus den Kämpfen auszuschließen.
Aufrufe der Hilfsorganisationen
In einer Presseaussendung forderte Ärzte ohne Grenzen einen Schutz für die Krankenhäuser im Norden, diese seien durch die Bombardements der Kampfflieger am meisten gefährdet. Der Ruf folgte einer Aussendung von Human Rights Watch (HRW), in dem die Organisation die Islamisten aufforderte, keine Kindersoldaten mehr zu rekrutieren. „Zeugen berichteten uns, sie hätten Kinder nicht älter als zwölf in den Rängen der Islamisten gesehen“, so HRW. „Angesichts der französischen Flächenbombardements rufen wir die Islamisten auf, sämtliche Kinder aus den Trainingslagern fortzuschaffen.“
Afrikanischer Einsatz
Die Islamisten, die im April letzten Jahres zwei Drittel des westafrikanischen Landes beschlagnahmten, setzten sich zusammen aus den Gruppen Ansar Dine, der Bewegung für Einheit und Dschihad in Westafrika (MUJAO) und der al-Quaida im Islamischen Maghreb. Frankreich ist mit 2000 Soldaten in dem Bürgerkriegsland präsent, wobei diese Zahl laut dem französischen Außenminister bald auf 2500 ansteigen könnte. Andere EU-Staaten, darunter Deutschland, Italien und Luxemburg, liefern humanitäre und logistische Hilfe. Vor dem Wochenende landeten die ersten Soldaten der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) in Bamako. Die Truppen aus Nigeria, Togo, Burkina Faso und anderen Staaten sollen die Friedensmission laut UN-Mandat anführen.